15. Asylfolgeantrag, Zweitantrag, isolierter Antrag auf Wiederaufgreifen
1. Der Asylfolgeantrag
Der Asylfolgeantrag ist in § 71 AsylG geregelt. Man kann ihn
nach Rücknahme oder unanfechtbare Ablehnung eines früheren Asylantrags stellen, um weitere Asylgründe geltend zu machen. Dann ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG vorliegen. Die Prüfung obliegt dem BAMF.
Der Folgeantrag muss wie der Asylantrag grundsätzlich persönlich gestellt werden und zwar bei der Außenstelle, die dem Aufenthaltsort des Antragstellers zugeordnet worden war. Darauf ist besonders zu achten, da eine Antragstellung bei einer unzuständigen Stelle dazu führen kann, dass die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwfG ist (siehe unten) überschritten wird Eine Anhörung findet nicht immer statt. Das BAMF kann sich mit einer protokollierten Äußerung begnügen. Während des Verfahrens erhalten die Antragsteller keine Aufenthaltsgestattung, sondern nur eine Duldung (vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 4 AufenthG).
Das BAMF hat gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG über den Antrag neu zu entscheiden, wenn
- sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
- neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden oder
- Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind. Damit sind vor allem schwerwiegende Verfahrensfehler gemeint, die zu entsprechenden Verurteilungen der beteiligten Amtspersonen geführt haben.
Nach § 51 Abs. 2 VwVfG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Nach Abs. 3 der Vorschrift muss der Antrag
binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
Das BAMF prüft zunächst die Zulässigkeit, ob aufgrund der vorgebrachten Gründe eine positive Entscheidung zu erwarten ist. Meist scheitert das schon daran, dass der Wiederaufnahmegrund schon in dem ersten Verfahren hätte geltend gemacht werden können.
§ 28 Abs. 2 AsylG sieht den Ausschluss sogenannter
selbst geschaffener Nachfluchtgründe vor. Er bestimmt: "Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbare Ablehnung eines Asylantrages erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbare Ablehnung seines früheren Antrages selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden." Das gilt zum Beispiel für den
Glaubenswechsel oder
exilpolitische Tätigkeiten. Sie müssen besonders begründet werden. Z.B. jetzt Auftreten als Redner auf Demos oder nicht nur Taufe, sondern Mitarbeit in der neuen Gemeinde.
Das ist besonders wichtig, wenn der Asylbewerber seine homosexuelle Orientierung in dem ersten Verfahren nicht angegeben hat. Dann muss möglichst detailliert, lebensnah und authentisch dargelegt werden, weshalb sich der Betroffene erst jetzt offenbart: unüberwindbares Schamgefühl, Angst vor Übergriffen anderer Asylbewerber, Misstrauen gegenüber dem Dolmetscher bei der Anhörung, warum jetzt Sinneswandel usw.
Wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach Art. 51 Abs. 1 VwVfG nicht vorliegen, muss das BAMF nach § 48 Abs. 1 Satz 1 i. V m § 51 Abs. 5 VwVfG entscheiden, ob bei dem Antragstelle Abschiebungshindernisse vorliegen, weil er zum Beispiel tatsächlich doch homosexuell ist und in seinem Herkunftsland mit Verfolgung rechnen muss. So ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das behördliche Ermessen des BAMF regelmäßig "auf Null" reduziert, wenn das Festhalten an der früheren Negativentscheidung zu einem "schlechthin unerträglichen Ergebnis" führen würde, weil die Person im Herkunftsland einer extremen individuellen Gefahr ausgesetzt wäre.
In diesem Fall scheidet zwar die Zuerkennung des internationalen Schutzes aus, das BAMF muss dann aber ein Abschiebungsverbot feststellen.Aufgrund der hohen rechtlichen Anforderungen sollte ein Asylfolgeantrag, wenn möglich, stets durch fachkundige Anwälte und Anwältinnen begleitet werden. Es wird dabei vor allem darum gehen einzuschätzen und zu erkennen, ob ein Asylfolgeantrag im Einzelfall grundsätzlich infrage kommt. Wenn ein ablehnender Bescheid des BAMF rechtskräftig wird, droht unter Umständen eine unmittelbare Abschiebung.
2. Der Zweitantrag
Der Zweitantrag ist in § 71a AsylG geregelt. Er bestimmt: "Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a,
siehe oben), (…) im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.
Diese Regelung betrifft somit Personen, bei denen nach dem erstmaligen Asylgesuch in Deutschland zunächst ein Zuständigkeitsverfahren nach der Dublin-III-Verordnung durchgeführt wurde – sogenannten "Dublin Fälle".Zentrale Voraussetzung für die Einstufung des Asylantrags als Zweitantrag ist die Feststellung, dass das Asylverfahren in dem betreffenden Dublin-Mitgliedstaat erfolglos abgeschlossen wurde. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn der betreffende Mitgliedstaat den Asylantrag auch tatsächlich inhaltlich geprüft und daraufhin abgelehnt hat oder die antragstellende Person den Asylantrag ausdrücklich zurückgenommen hat. Ist das Asylverfahren lediglich eingestellt bzw. die Rücknahme fingiert worden, ist der in Deutschland gestellte Asylantrag als Erstantrag zu behandeln, sofern die Zuständigkeit für das Asylverfahren auf Deutschland übergegangen ist.
Es muss eine verbindliche Feststellung vorliegen, dass das Asylverfahren im sicheren Drittstaat erfolglos abgeschlossen wurde – nur dann greift die Konstruktion des Zweitantrages.Kommt das BAMF zu der Auffassung, dass ein Zweitantrag nach § 71a AsylG vorliegt,
prüft es – wie bei einem Folgeantrag – zunächst, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG gegeben sind (siehe oben). Der Antragsteller wird angehört. Er erhält während der Zulässigkeitsprüfung eine Duldung.
Liegen die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen nicht vor, erlässt das BAMF einen Bescheid, in dem es feststellt, dass kein erneutes Asylverfahren durchgeführt wird und stuft den Asylantrag als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nummer 5 Asylgesetz ein. Zugleich erlässt das BAMF eine Abschiebungsandrohung. Die Frist für eine "freiwillige" Ausreise beträgt eine Woche.
Gegen den Bescheid kann innerhalb einer Woche nach Zustellung Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht werden. Da die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, muss zusätzlich ein Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden, der innerhalb der einwöchigen Frist beim Verwaltungsgericht eingehen muss.
Wird der Asylantrag als zulässig eingestuft so prüft das BAMF den Asylantrag inhaltlich. Die antragstellende Person erhält eine Aufenthaltsgestattung und der Antrag wird nach den allgemeinen Kriterien eines Asylverfahren behandelt.
Auch bei zwei Zweitanträge ist die Hinzuziehung rechtskundiger Anwältinnen oder Anwälte dringend zu empfehlen.
3. Isolierter Wiederaufgreifensantrag
Mit dem isolierten Wiederaufgreifensantrag können Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 AufenthG geltend gemacht werden. Da es sich beim isolierten Wiederaufgreifensantrag nicht um einen Asylantrag handelt, finden einige der negativen Folgen, wie zum Beispiel das Beschäftigungsverbot für Menschen aus den als sicher erklärten Herkunftsländern, keine Anwendung.
Insbesondere für diese Personengruppe dürfte der isolierte Wiederaufgreifensantrag in der Praxis eine Alternative zum Asylfolgeantrag darstellen.Wurde in der Vergangenheit ein Asylantrag im Bundesgebiet gestellt und hat das BAMF somit schon einmal über das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten unanfechtbar negativ entschieden,
so ist das BAMF für die Prüfung des isolierten Wiederaufgreifensantrags zuständig. Hatte das Ausländeramt Abschiebungsverbote abgelehnt, so entscheidet dieses unter vorheriger Beteiligung des BAMFs über das Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 72 Abs. 2 AufenthG).
Die Rechtsgrundlage für den isolierten Wiederaufgreifensantrag ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 i. V m § 51 Abs. 5 VwVfG. Danach muss das BAMF (auch bei Folgeanträge) entscheiden, ob bei dem Antragsteller Abschiebungshindernisse vorliegen, weil er zum Beispiel tatsächlich doch homosexuell ist und in seinem Herkunftsland mit Verfolgung rechnen muss. So ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das behördliche Ermessen des BAMF regelmäßig "auf Null" reduziert, wenn das Festhalten an der früheren Negativentscheidung zu einem "schlechthin unerträglichen Ergebnis" führen würde, weil die Person im Herkunftsland einer extremen individuellen Gefahr ausgesetzt wäre. In diesem Fall muss das BAMF ein Abschiebungsverbot feststellen.
Die Form der Antragstellung ist nicht geregelt. Der Antrag kann schriftlich bei der Zentrale des BAMF in Nürnberg oder schriftlich bzw. persönlich bei jeder beliebigen Außenstelle des BAMFgestellt werden. Der Antrag wird sodann vom BAMF an die Außenstelle weitergeleitet, die dem Wohnort der antragstellenden Person am nächsten liegt und in der Anträge aus dem jeweiligen Herkunftsland bearbeitet werden.
Zunächst prüft das BAMF ob die Voraussetzungen des Paragrafen 51 Abs. 1-3 Verwaltungsverfahrensgesetz vorliegen und die vorgetragenen Wiederaufgreifensgründe geeignet entscheiden, eine günstigere Entscheidung im Vergleich zum früheren Verfahren herbeizuführen.
Wird eine geänderte Sachlage bzw. das Vorliegen neuer Beweismittel verneint, so entscheidet das BAMF, dass ein Wiederaufgreifen Verfahren nicht durchgeführt wird.Kommt das bei BAMF im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu dem Schluss, dass zwar Wiederaufgreifensgründe vorliegen
aber die Voraussetzung des 51 Abs. 2 und/oder 3 VwVfG nicht vorliegen, muss das BAMF prüfen, ob es das Verfahren gemäß § 50 Abs. 5 VwVfG im Ermessensweg wieder aufgreift (siehe dazu die oben zitierte Rechtsprechung des BVerwG)
Erst dann wird der Antrag inhaltlich geprüft. Wenn das BAMF den Antrag als unzulässig ablehnt, weil die Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorliegen, gilt für die Rechtsmittel dasselbe wie bei den Zweitanträgen.
Wenn das BAMF die Zulässigkeit bejaht, prüft es den Antrag inhaltlich. Dafür gilt dasselbe wie beim Erstverfahren.
Während des Verfahrens besteht kein gesetzlich geregelten Schutz vor Abschiebung.
Die Beratung durch fachkundige Rechtsanwälte ist auch bei dem isolierten Wiederaufgreifensantrag sehr zu empfehlen.
- Siehe ergänzend die Broschüre "Der Asylfolgeantrag", die Ende 2018 vom Deutschen Roten Kreuz und dem Informationsverbund Asyl & Migration herausgegeben worden ist. Wir haben einige Passagen aus der Broschüre übernommen.