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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Geschlechter-Vorstellungen der „Neuen Rechten“ und ihr Antifeminismus

Feminismus und "Gender" gelten als zentrale Gefahr für die heteronormative Familie

Antifeminismus ist eine zentrale ideologische Klammer zwischen Konservativen, christlicher Rechter und extremer Rechter. Der Feminismus werde in rechten Diskursen als zentrale Gefahr für die heteronormative Familie stilisiert. 

Graphic Recording des Vortrags über Geschlechter-Vorstellungen der „Neuen Rechten“ und ihr Antifeminismus

Auf der LSVD-Regionalkonferenz „Gegensteuern - Rechtspopulismus und Gleichstellungs-Gegner*innen die Stirn bieten.“ informierte der Sozialwissenschaftler Quint Czymmek über die Geschlechter-Vorstellungen der sogenannten „Neuen Rechten“ (1) in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

  1. Starre und rigide Vorstellungen von Geschlecht als unveränderbar und ahistorisch
  2. Soldatische Männlichkeit vs. fürsorgliche Weiblichkeit
  3. Antifeminismus als ideologische Klammer
  4. "Demo für Alle": Verabsolutierung der heterosexuellen Norm
  5. Emanzipation als „Niedergang und Verfall“?

1. Starre und rigide Vorstellungen von Geschlecht als unveränderbar und ahistorisch

Ein Ausschnitt aus dem Graphic Recording bebildert die rechte Vorstellung davon, dass patriarchale Familie das natürliche Ideal ist.

Im extrem rechten Denken sind Männlichkeit und Weiblichkeit keine sich immer verändernden und vor allem veränderbare kulturellen Tatbestände. Die Geschlechter-Rollen werden als starre und überhistorisch vorhandene Essenzen definiert.

Ein Merkmal extrem rechtes Denken sei eine Ideologie der Ungleichheit und daraus resultierender Ungleich-Wertigkeit. Geschlecht gelte hier als erster grundlegender Menschheits-Unterschied.

2. Soldatische Männlichkeit vs. fürsorgliche Weiblichkeit

Ausschnitt aus dem Graphic Recording bebildert die Geschlechtervorstellungen der Rechten, in denen der gewaltbereite Mann die fürsorgliche Ehefrau und Mutter seiner Kinder beschützt

Die extreme Rechte behauptet, es gibt eine Krise der Männlichkeit. Für diese Krise wird insbesondere der Feminismus verantwortlich gemacht. Das Ergebnis sei eine Verweiblichung der Männlichkeit. Im Gegensatz dazu befürwortet die extreme Rechte eine soldatische und heroische Männlichkeit. Diese sei aggressiv, kampf- und opferbereit. Ein Merkmal sei auch die absolute Loyalität zum eigenen völkischen Kollektiv.

Männliche Gewalt gilt im rechten Denken als natürliche und sogar als wünschenswerte Eigenschaft. Diese Männlichkeits-Vorstellung sei wichtig, um Gewalttaten von Männern gegen Frauen und andere Männer zu rechtfertigen.

Weiblichkeit sei in rechten Diskursen auf die sorgende Tätigkeit in der Familie und das Muttersein beschränkt. Czymmek stellte fest, dass Frauen und Männer in der rechtsextremen Ideologie unterschiedliche Aufgaben in der völkischen Gemeinschaft innehätten. Die einzig legitime Weise des Zusammenlebens zwischen den Geschlechtern ist dabei die Ehe zwischen Mann und Frau, inklusive Kindern.

3. Antifeminismus als ideologische Klammer

Ausschnitt aus dem Graphic Recording bebildert, dass

Anschließend ging Czymmek auf den Antifeminismus ein. Als zentrale ideologische Klammer verbindet Antifeminismus Konservative, christlicher Rechte und extremer Rechte. Der Feminismus werde in rechten Diskursen als zentrale Gefahr für die heteronormative Familie beschrieben. Antifeministische Kampagnen bauen auf einer Verschwörungstheorie auf. Danach sind die Feminist*innen für eine Umerziehung der Menschen mittels Gender Mainstreaming und der sogenannten „Gender-Ideologie“ verantwortlich.

Die extreme Rechte bestreitet die Existenz eines sozialen Geschlechts, welches nicht mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen müsse, beziehungsweise sich nicht aus diesem ableite. Feminist*innen werde eine unglaubliche Macht im öffentlichen Diskurs zugesprochen. Dadurch können sie angebliche „Gender-Programme“ und Sprechverbote im öffentlichen Diskurs durchsetzen.

Das Feindbild Feminismus sei auch zentral für die Kampagnen des antifeministischen Bündnisses „Demo für Alle“ gegen eine „Sexualpädagogik der Vielfalt“. Das Bündnis „Demo für Alle“ bildete sich 2014 nach einer Petition gegen einen Bildungsplan in Baden-Württemberg, der die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Unterricht berücksichtigte. An den Demonstrationen gegen den Bildungsplan beteiligten sich anfangs mehrere 100, auf ihrem Höhepunkt Ende 2015 und Anfang 2016 sogar um die 5.000 Menschen. Laut Czymmek sei das Bündnis ein kampagnen-fähiger Akteur. Die dort wichtigsten Personen kommen oft aus dem Spektrum der christlichen Rechten bzw. christlichen Fundamentalist*innen.

4. "Demo für Alle": Verabsolutierung der heterosexuellen Norm

Ausschnitt aus dem Graphic Recording bebildert, dass Demo für Alle aus der christlichen Rechten kommt und LSBTI als krank und minderwertig ansieht

Die „Demo für Alle“ setzt die heterosexuelle Norm über alles. Andere sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten gelten als krank. Sie werden nicht als gleichwertig anerkannt. Dass Kinder und Jugendliche an Schulen andere sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten kennenlernen, werde von Protagonist*innen der „Demo für Alle“ als gezielte Verwirrung der Kinder in ihrer sexuellen Orientierung umgedeutet.

Von den Organisator*innen werde zwar immer wieder betont, nichts gegen LSBTI* zu haben. ABER nur, wenn diese ihre sexuelle Orientierung privat und versteckt leben. LSBTI* hätten kein Anspruch auf Sichtbarkeit oder Akzeptanz. Ihnen wird allenfalls ein Schatten-Dasein zugestanden und eine Duldung angeboten. Diese Duldung kann natürlich jederzeit beendet werden.

5. Emanzipation als „Niedergang und Verfall“?

Zusammenfassend machte Czymmek deutlich, dass für die extreme Rechte Emanzipations-Bestrebungen hin zu mehr geschlechtlicher und sexueller Vielfalt sowie das Streben nach Gleichheit aller Menschen nichts weiter als Anzeichen des Niedergangs und des Verfalls westlicher Kulturen seien. Die extreme Rechte stelle der Pluralisierung der Geschlechter-Rollen in den letzten Jahrzehnten festgelegte Geschlechts-Identitäten entgegen.

Den rigiden Ordnungs- und Normvorstellungen von Akteur*innen der extremen Rechten sollte eine demokratische Perspektive einer „Gesellschaft der Vielen“ entgegen gestellt werden.

(1) Da der Begriff „Neue Rechte“ schon seit nunmehr 50 Jahren in Gebrauch ist und das Denken dieser vermeintlich neuen Rechten nicht besonders neu, sondern in der faschistischen Theorie-Tradition der sogenannten „Konservativen Revolution“ der 1920er und 1930er Jahre steht, wird der Begriff hier in Anführungszeichen benutzt.

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