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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Demokratiefördergesetz

Stellungnahme des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD)

Am 2.11.2022 hat der LSVD Stellung genommen zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums des Innern und für Heimat für ein Gesetz zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung vom 26.09.2022.

Der LSVD begrüßt das Vorhaben eines Demokratiefördergesetzes ausdrücklich. Die Fokussierung auf die Handlungsfelder Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politische Bildung ist sinnvoll. Besonders der Bereich der politischen Bildung ist geeignet, um Phänomenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit frühzeitig und nachhaltig entgegenzuwirken. Auch die ausdrückliche Förderung des gegenseitigen Respekts und der Stärkung des Empowerments ist positiv hervorzuheben. Die Förderung demokratischer Teilhabe und der Schutz unserer Demokratie brauchen eine verlässliche, bedarfsorientierte und vor allem auch niedrigschwellige Unterstützung. Dabei ist besonders Empowerment für marginalisierte Gruppen ein Schlüssel zur selbstbestimmten und diskriminierungsarmen Teilhabe. Damit das zukünftige Gesetz seine volle Wirkung entfalten kann, müssen insbesondere Projekte und Initiativen gefördert werden, die diese Handlungsfelder aus einer intersektionalen Perspektive bearbeiten.

Wir können den Ansatz eines schlanken und allgemein gehaltenen Gesetzesvorhaben nachvollziehen. Wir müssen an dieser Stelle jedoch auch darauf hinweisen: Wird das Gesetz zu abstrakt und allgemein gehalten, wird sich für die zivilgesellschaftlichen Projekte nicht viel ändern. Das Ziel, gute rechtliche Rahmenbedingungen für die Förderung und Ermöglichung zivilgesellschaftlichen Engagements zu schaffen, wird dann verfehlt. Für ein effektives Demokratiefördergesetz brauchen wir die langfristige Absicherung bestehender, erfolgreich arbeitender Strukturen, ein gesetzlich verankertes gemeinsames Handeln von Zivilgesellschaft und Staat und die Festschreibung einer realistischen Mindestfördersumme.

§ 1 Anwendungsbereich

Die Zielsetzung des Gesetzes bleibt sehr allgemein und knapp. In der Gesetzesbegründung wird erwähnt, dass die demokratie- und menschenfeindlichen Phänomene nicht lokal und regional begrenzt sind, sondern bundesweit und vor allem auch international auftreten. Daher sollten auch die europäischen und internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik genannt werden. Aus unserer Sicht wäre zudem die konkrete Benennung der drohenden Demokratiegefährdungen im Gesetz in einer nicht abschließenden Aufzählung vorzugswürdig. Darüber hinaus sollte auch die Beratungs- und Ausstiegsarbeit explizit erwähnt werden.

Für den ersten Absatz schlagen wir folgende Ergänzung vor:

(1) […] der Normen und Werte des Grundgesetzes, der weiteren europäischen und internationalen grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik und zur Einhaltung […]

 Für den zweiten Absatz schlagen wir eine Neufassung vor:

(2) Der Bund ergreift hierzu eigene und fördert zivilgesellschaftliche Maßnahmen mit gesamtstaatlicher Bedeutung zur Erhaltung und Stärkung der Demokratie, zur politischen Bildung, zur Prävention jeglicher Formen von Extremismus insbesondere von Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Anti-Schwarzem Rassismus, Muslimfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit, Antifeminismus, Behindertenfeindlichkeit, Sexismus, Klassismus, Adultismus und anderen Ungleichwertigkeitsvorstellungen sowie deren Verschränkung, zur Stärkung der Beratungs- und Ausstiegsarbeit sowie zur Gestaltung von gesellschaftlicher Teilhabe.

§ 2 Gegenstand der Maßnahmen

Um an die grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik anzuschließen, sollten diese in § 2 Abs. 1 DFördG ebenfalls Erwähnung finden. Daher schlagen wir folgende Ergänzung vor:

(1) […] Stärkung und Förderung demokratischer Werte, der Grund- und Menschenrechte sowie der demokratischen Kultur, des demokratischen Bewusstseins, des Verständnisses von Demokratie, ihren Funktionsweisen […]

Im Anwendungsbereich des Gesetzes wird auch auf die Teilhabe hingewiesen. Um einen kongruenten Übergang zwischen dem Anwendungsbereich und dem Gegenstand der Maßnahmen zu schaffen, sollte in § 2 Abs. 4 DFördG auch die Förderung von Teilhabe marginalisierter Gruppen klar benannt werden. Daraus ergibt sich die folgende Neufassung:

(4) die Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt, die Förderung gegenseitigen Respekts, die Anerkennung von Diversität sowie die Stärkung von Teilhabe und Empowerment marginalisierter Gruppen.

Von wesentlicher Bedeutung sind Maßnahmen zur Bekämpfung von Hasskriminalität sowie überregionale Strukturen für die Opfer von Gewalt. Wir begrüßen, dass diese in § 2 Nr. 7 DFördG ausdrücklich genannt sind. Die Beschränkung auf Opfer von politisch und ideologisch motivierter Gewalt erscheint uns jedoch zu eng. Diese Begriffe haben sich in der Vergangenheit beim Erkennen, Einordnen und Erfassen von Hasskriminalität durch die Behörden nicht als nützlich erwiesen, um alle Formen von Hasskriminalität zu erfassen. Gerade LSBTI-feindliche und geschlechtsspezifische Hassgewalt wird häufig nicht als solche eingestuft, fehlt daher in Statistiken und wird folglich bei Präventions- und Beratungsangeboten nicht ausreichend berücksichtigt. Um die Arbeit von Beratungsstellen für Betroffene von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu stärken, sollte in § 2 Abs. 6 und 7 DFördG statt von politisch und ideologisch motivierter Gewalt von Opfern gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Extremismus gesprochen werden. § 2 Abs. 7 DFördG sollte wie folgt neugefasst werden:

(7) […] die Opfer von rechter, rassistischer, queerfeindlicher, antiziganistischer und antisemitischer Gewalt sowie anderer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im gesamten Bundesgebiet beraten, begleiten und unterstützen […]

Die Bundesprogramme zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention sollten durch das neue Demokratiefördergesetz kohärent gerahmt werden. Das gilt beispielsweise für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ genauso wie für den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, für die Maßnahmen der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus, den angekündigten Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, den Nationalen Aktionsplan 2.0 zur UN-Behindertenrechtskonvention und auch für das Inklusionskonzept der Bundesregierung für die Auswärtige Politik und die Entwicklungszusammenarbeit. Der Gesetzentwurf lässt offen, welche Auswirkungen das Gesetz auf die Bundesprogramme haben wird und ob diese Bundesprogramme durch ein zukünftiges Demokratiefördergesetz ebenfalls abgesichert werden.

Ungeklärt ist auch, welche Rolle der Bundeszentrale für politische Bildung zukommen soll und ob diese künftig über das Demokratiefördergesetz finanziert werden wird.

§ 4 Förderung von Maßnahmen Dritter

Wir begrüßen, dass das Gesetz insbesondere auf einen längeren Zeitraum angelegte Maßnahmen fördern will. Wünschenswert wäre, dass der längere Zeitraum konkret definiert wird. Aus unserer Sicht bedeutet längerfristige Förderung eine Dauer von fünf bis zehn Jahren. Daneben sollte klar benannt werden, dass auch Projektförderungen von in der Regel drei bis fünf Jahren sowie individuelle Notfallhilfen förderfähig sind.

Das Gesetz sollte Mindestvorgaben für die Förderrichtlinien enthalten und die Bildung eines Fachbeirats unter Beteiligung von Zivilgesellschaft und Wissenschaft vorsehen, der die Umsetzung der Förderrichtlinien begleitet und mitgestaltet. Die Erarbeitung, Evaluierung und Weiterentwicklung der Förderrichtlinien müssen in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft angegangen werden. Die zivilgesellschaftlichen Träger in der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieförderung (BADG) haben in ihrem zivilgesellschaftlichen "Entwurf eines Gesetzes über die Verstetigung von Maßnahmen zur Demokratieförderung“ Eckpunkte für eine zukünftige Förderrichtlinie benannt. Diese Eckpunkte sollten sich in den Förderrichtlinien wiederfinden.

§ 5 Fördervoraussetzungen

Wünschenswert wäre, dass nicht nur juristische, sondern auch natürliche Personen und Initiativen sowie nichtrechtsfähige Vereine eine Förderung erhalten können, soweit sie die sonstigen Fördervoraussetzungen erfüllen.

Wir schlagen die Streichung von § 5 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 DFördG vor. Die Voraussetzungen der Förderung sollten sich wie bei anderen Bundesprogrammen auch aus den Förderrichtlinien ergeben. Diese sind gemeinsam mit der Zivilgesellschaft zu erarbeiten. Das Gesetz sollte sowohl etablierte Träger als auch kleine Vereine stärken. Zukünftige Förderrichtlinien müssen bürokratische Hürden deutlich senken, um auch kleinen Initiativen und Projekten den Zugang zu einer Förderung zu ermöglichen. Besonders die Gemeinnützigkeit ist für diese eine große Hürde, die die Teilhabe an Bundesprogrammen massiv erschwert. Der generelle Dokumentationsaufwand darf zivilgesellschaftliche Organisationen nicht überfordern. Neben dem notwendigen Bürokratieabbau ist hier auch zu berücksichtigen, dass kleine Organisationen nur über begrenzte Finanzmittel verfügen und somit keine hohen Beträge für Eigenmittel in Förderanträgen aufbringen können.

§ 6 Finanzierung der Maßnahmen

Ein effektives Demokratiefördergesetz muss mit ausreichenden finanziellen Mitteln unterlegt sein. Viele Projekte, die sich für Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politische Bildung sowie gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit engagieren, leiden insbesondere unter fehlenden finanziellen Mitteln. Das Gesetz muss einen am Bundeshaushalt orientierten prozentualen Mindestetat vorsehen.

§ 7 Zuständigkeit und Zuwendungsbescheid

Der Dokumentationsaufwand für die zweckentsprechende Mittelverwendung darf zivilgesellschaftliche Organisationen nicht überfordern. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund einer drohenden Rückforderung von Fördermitteln.

§ 8 Wissenschaftliche Begleitung und Berichterstattung

Der Evaluationsprozess sollte partizipativ sein und die Zivilgesellschaft einbinden. Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft sollte im Gesetz verankert sein.

Sarah Ponti & René Mertens
LSVD-Hauptstadtbüro