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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Neuigkeiten

Was steht dazu in unserem Programm?

  • 3. Respekt schaffen in Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Kultur

    Aufklärung über die Vielfalt der Orientierungen, Identitäten und Lebensweisen, über die Geschichte von LSBTI, über Diskriminierung und Menschenrechte legt Grundlagen für das demokratische Zusammenleben. Das ist viel Stoff für Schule und Hochschule, für Kultur und Medien.

    Respekt und Vielfalt in Schule und Bildungsarbeit vermitteln

    Schulen sollten Orte sein, an denen sich alle Schülerinnen und Schüler sicher und wertgeschätzt fühlen. Dies ist jedoch oft nicht der Fall. So sind für LSBTI-Kinder und Jugendliche an vielen Schulen Ausgrenzung und Mobbing ein Problem – mitunter bis zu Gewalt. Ausgrenzung, Einschüchterung und der Zwang, sich zu verleugnen, bedeuten starke psychische Belastungen. Darüber hinaus beeinträchtigen sie den Bildungserfolg und damit den ganzen späteren Lebensweg. Gesellschaftliche Vielfalt gehört zum heutigen Alltag und Schule muss darauf vorbereiten. Das ist originär Bestandteil ihres Bildungsauftrags, damit Kinder und Jugendliche ein positives und akzeptierendes Selbstbild entwickeln und sich gegen Diskriminierungen behaupten können. Gelingen kann dies nur, wenn auch über die Vielfalt sexueller Orientierungen, geschlechtlicher Identitäten und Familienformen sachlich und angemessen informiert wird. Der Schule kommt eine besondere Aufgabe zu, abwertenden Einstellungen zu begegnen und soziale Kompetenz im Umgang mit Andersdenkenden und -fühlenden sowie Respekt zu fördern.

    Einige Bundesländer haben eine solche Pädagogik der Vielfalt bereits erfolgreich etabliert. Der LSVD setzt sich dafür ein, dass entsprechende Bildungspläne in allen Bundesländern verankert werden. In Unterrichtsinhalten, Lernmitteln und im Schulalltag wird dann deutlich: LSBTI sind Teil der gesellschaftlichen Vielfalt, sie sind gleichwertig und gleichberechtigt. Alle, die beruflich mit der Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen befasst sind, müssen in der Ausbildung sowie durch verpflichtende Fortbildungsangebote befähigt werden, diese Botschaft zu vermitteln. Es ist Aufgabe der Schulleitungen, den Aspekt Vielfalt in die Kollegien und das schulische Leben insgesamt hineinzutragen. Ob im Deutsch-, Fremdsprachen-, Politik-, Sozialkunde-, Ethik-oder im Geschichtsunterricht: Beispiele und Informationen über die Lebensrealitäten von LSBTI können und müssen fächerübergreifend behandelt und in den Lehrplänen verankert werden. Die Einbeziehung von außerschulischen LSBTI-Bildungsprojekten zeigt gute Erfolge. Sie muss gefördert und in allen Bundesländern verankert werden, denn Dialog und Begegnung bauen nachweisbar Ressentiments ab. 

    Wer Respektarbeit zu LSBTI und das Thematisieren aller Familienformen aus der Schule verbannen will, der betreibt ein Programm nicht nur der Ausgrenzung, sondern auch der Verdummung. LSBTI-Kinder und Jugendliche oder Kinder aus Regenbogenfamilien haben einen Anspruch darauf, in ihrer Persönlichkeit in der Schule akzeptiert zu werden und auch ihre Lebenswirklichkeit angemessen wiederzufinden. Ebenso haben alle Schülerinnen und Schüler das Recht, Informationen über verschiedene Liebes- und Lebensformen zu erhalten.

    Eine altersgerechte und sensible Sexualaufklärung, die die elterliche Sexualerziehung ergänzt, ist ein weiterer und eigenständiger Aspekt des schulischen Bildungsauftrags. Es muss verbindlich geregelt werden, dass sie grundlegendes Wissen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt vermittelt. Ziel der Sexualaufklärung sollte die positive Einstellung zur eigenen Körperlichkeit und Sexualität sowie die Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein für sich und andere sein. Sie fördert so Selbstbestimmung und trägt nicht nur zur Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten bei, sondern auch zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch und sexualisierter Gewalt.

    Diskriminierungsfreie Forschung und Lehre fördern

    Es gibt zwar inzwischen vermehrt Forschung über die Lebenssituation von LSBTI in Deutschland, ebenso zu Diskriminierung und LSBTI-Feindlichkeit. Dennoch sind noch viele sozialwissenschaftliche Forschungen heteronormativ angelegt. In ihnen bleiben LSBTI als Teil der Bevölkerung häufig unberücksichtigt. In den Hochschulen, in Forschung und vor allem in der Lehre muss die Lebenssituation von LSBTI endlich angemessen berücksichtigt werden. Das betrifft viele Fakultäten, z.B. Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaften, Geschichtswissenschaft, Theologie, Psychologie, Medizin und insbesondere auch alle Sparten der Pädagogik. Die Vermittlung von Informationen über die Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identität muss ein selbstverständlicher Bestandteil der Studiengänge und Lehrinhalte werden. Die entsprechenden Studienordnungen sind dahingehend zu ändern und zu ergänzen.

    Immer noch versuchen manche Forscher und Forscherinnen aus den Bereichen Biologie, Medizin oder Genetik eine „Ursache“ für die Entstehung von Homosexualität oder Transgeschlechtlichkeit zu finden. Es ist absurd, etwas so Komplexes wie die menschliche Liebesfähigkeit oder die geschlechtliche Identität monokausal auf genetisch-biologische Ursachen zurückführen zu wollen. Wir halten solche Ursachenforschung im Ansatz für verfehlt, denn in der Fragestellung schwingt immer ein „Unwerturteil“ mit. Für eine freie, offene Gesellschaft sollte die Existenz von Homo-, Bi- oder Heterosexualität nicht erklärungsbedürftig sein, ebenso wenig die von Trans- oder Intergeschlechtlichkeit. Viel spannender ist die Frage, wie Homophobie und Transfeindlichkeit entstehen und warum sie sich hartnäckig halten. Wir fordern eine umfassende interdisziplinäre Erforschung der Abwehr, Feindlichkeit und Gewalt gegen LSBTI. Die im Alltag ablaufenden Prozesse, die zu Stigmatisierungen führen sowie die Formen struktureller Diskriminierung und ihrer Auswirkung auf die betroffenen Menschen erfordern intensive Untersuchung. 

    Vielfältige Kultur- und Medienlandschaft sichern

    Kulturschaffen hat für LSBTI eine wichtige Funktion bei der Formulierung von Identitäten. Ebenso wichtig ist es für die Vermittlung von LSBTI-Thematiken in die Mehrheitsgesellschaft, sei es in Museen, Film oder Theater. LSBTI-Belange müssen bei der Förderung von Kulturprojekten durch Bund, Länder und Gemeinden angemessen berücksichtigt werden. 

    Die Freiheit der Kunst ist ein hohes Gut. Nicht selten musste sie gegen Zensurversuche von Sittenwächtern verteidigt werden, die homosexuelle Themen als unmoralisch, pornografisch und jugendverderblich verteufeln. Kulturschaffende galten und gelten als besonders offen gegenüber LSBTI. Es gibt aber in einzelnen Musikszenen, insbesondere in den Sparten Hip-Hop und Dancehall, Interpreten, die systematisch Hass gegen LSBTI verbreiten und zur Gewalt bis hin zum Mord aufrufen. Damit wird eine Grenze überschritten. Aufrufe zur Gewalt sind nicht mehr von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt. Der LSVD macht mobil gegen solche Hassmusik: in erster Linie durch Überzeugungsarbeit gegenüber Veranstaltern, Fans und Musikhandel, durch Protest und Öffentlichkeitsarbeit, notfalls aber auch durch Strafanzeigen und Indizierungsanträge. Wir fordern Musikindustrie, Veranstalter und Kulturpolitik auf, Verantwortung zu zeigen. Hasssänger sollen keine Bühne erhalten. 

    In der Medienberichterstattung über LSBTI hat sich vieles zum Besseren gewandelt. Während viele Blätter, Portale und Sender seriös und angemessen berichten, schweigen manche Medien Forderungen von LSBTI aber bis heute überwiegend tot. Andere behandeln LSBTI-Themen überwiegend in reißerischer oder voyeuristischer Aufmachung. Provokativ herabsetzende Aussagen gegen LSBTI bringen heute oft eine Eintrittskarte für Talkshows. Ressentiments dürfen aber nicht salonfähig werden. Gesellschaftspolitisch wollen wir darauf hinwirken, dass in den Medien ausgewogen und selbstverständlich über LSBTI berichtet wird. 

    Meinungsfreiheit heißt, vor staatlichen Eingriffen geschützt zu sein. Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht, einen Anspruch auf Sendezeit zu haben, um krude Thesen über Homosexualität zu verbreiten und gegen Menschen zu hetzen. Wir wehren uns dagegen, dass Argumentationsmuster, die allein der Diffamierung dienen und die Existenz von LSBTI als Menschen gleicher Würde infrage stellen, als bloße „Debattenbeiträge” verharmlost werden. Angriffe auf die Würde und die Menschenrechte von LSBTI können nicht einfach als Teil eines legitimen Meinungsspektrums bagatellisiert werden. Die Medien sollen und müssen Meinungsvielfalt und gesellschaftliche Debatten abbilden, aber sie stehen auch in einer ethischen Verantwortung, Diskriminierung nicht zu befördern, sondern Ressentiments und Hetze aktiv entgegen zu wirken.

    2016 konnte der LSVD erstmals einen Sitz im ZDF-Fernsehrat erringen und ist heute in weiteren Rundfunkräten vertreten. Das ist aber noch nicht flächendeckend der Fall. Die gesellschaftliche Vielfalt muss sich in den Rundfunkräten aller öffentlich-rechtlichen Medien und den entsprechenden Gremien der Landesmedienanstalten abbilden. LSBTI müssen hier überall Sitz und Stimme erhalten.