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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Neuigkeiten

Was steht dazu in unserem Programm?

  • 4. Hass und Hetze entgegentreten

    Homophobie und Transfeindlichkeit in Wort und Tat sind das Gegenteil von Respekt. Der Kampf gegen LSBTI-Feindlichkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen sind aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Den LSVD sehen wir in dieser gesellschaftlichen Situation in einer Wächterfunktion. Wer LSBTI öffentlich verächtlich macht, wer hetzt und Hass sät, dem geben wir Kontra.

    Wirksamen Nationalen Aktionsplan auflegen

    Der LSVD fordert einen wirksamen und auf die Zukunft gerichteten Nationalen Aktionsplan gegen Homophobie und Transfeindlichkeit. Er muss zum Beispiel beinhalten, dass alle Bundesprogramme zur Demokratieförderung und zur Prävention von menschenfeindlichen Ideologien wie Rechtsextremismus oder Islamismus die Bekämpfung von LSBTI-Feindlichkeit und das Empowerment von LSBTI zukünftig als Regelthema ausdrücklich ausweisen. Demokratieförderung und zivilgesellschaftliche Arbeit gegen menschenfeindliche Ideologien muss auf eine solide gesetzliche und finanzielle Grundlage gestellt werden. In vielen Bundesländern werden entsprechende Landesaktionspläne bereits erfolgreich umgesetzt. Wir fordern sie für alle Bundesländer. Hier darf es keine blinden Flecken geben.

    Ein weiterer Wirkungskreis ist der Sport. Auch wenn viele Fußball-Vereine auf Profi- und Amateurebene mittlerweile aktiv Homophobie entgegenwirken, kommt es in den Stadien immer wieder zu homophoben Entgleisungen. Dort werden negative Einstellungen geprägt und reproduziert, die weit über den Fußballplatz hinaus wirksam sind. Wir brauchen ein nachhaltiges Programm gegen Homophobie im Sport. In die Ausbildung von Trainerinnen und Trainern sowie von Jugendleiterinnen und Jugendleitern muss die Befähigung, Vielfalt zu fördern sowie Diskriminierungen zu erkennen und ihnen entgegenzutreten, verpflichtend integriert werden. Auch der Homophobie in einzelnen Musikszenen und sich machohaft gebenden Jugendkulturen muss offensiv entgegengetreten werden. Hass ist Hass und keine Kunst.

    Wichtig ist die zielgruppenspezifische Ansprache von Bevölkerungsteilen, in denen sich homophobe und transfeindliche Tendenzen verdichten. Viele junge Menschen, die in einem Umfeld sozialer Marginalisierung und kultureller, religiöser und ideologischer Abschottung aufwachsen, werden in Verachtung für LSBTI hineinsozialisiert. Als besonders problematisch erweist sich dabei die Kombination aus patriarchalischen Familienstrukturen, sozialer und kultureller Armut sowie rigider Religiosität. Hier muss eine an Pluralismus und den Menschenrechten orientierte Bildungs- und Gesellschaftspolitik mit attraktiven Gegenangeboten ansetzen. Wir setzen uns dafür ein, dass es eine wesentliche Aufgabe der Jugendarbeit, der Schule sowie der Integrationspolitik wird, Respekt gegenüber LSBTI zu fördern und Vorurteile abzubauen.

    Nicht nur Schule, Berufsschule und Hochschule, sondern auch die Träger der Erwachsenenbildung sind aufgefordert, die Themenkomplexe sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität in ihrer Arbeit angemessen zu berücksichtigen. Das gleiche gilt für die interne berufliche Bildung, nicht zuletzt in Institutionen wie der Bundeswehr und der Polizei. Die Bundeszentrale und die Landeszentralen für politische Bildung müssen ihre Bildungsarbeit gegen LSBTI-Feindlichkeit deutlich verstärken.

     

    Hassgewalt bekämpfen

    Massivste Ausdrucksform von Homophobie und Transfeindlichkeit ist Hasskriminalität. Hassmotivierte Straftaten zielen nicht nur auf die Menschen als Individuen, sondern zusätzlich auch darauf, ganze Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern. Es kann auch heute noch gefährlich sein, im öffentlichen Raum als schwul, lesbisch, trans erkannt oder dafür gehalten zu werden. Allein der Anblick einer Drag Queen, einer Transperson oder eines lesbischen oder schwulen Paares kann Gewalttäter motivieren, brutal zuzuschlagen. Aus solchen Taten spricht Hass. Die Täter sehen sich als Vollstrecker eines von ihnen fantasierten Mehrheitswillens. LSBTI gelten ihnen als minderwertig und vogelfrei. 

    Wenn vor jedem verliebten Blick, vor einer Umarmung, vor einem Kuss im öffentlichen Raum zuerst die Umgebung gecheckt werden muss, ist das eine erhebliche Einschränkung von Freiheit. Hasskriminalität kann gesundheitliche Folgen für die Betroffenen haben. Die wenigen vorliegenden Untersuchungen zum Thema legen nahe, dass LSBTI ein deutlich höheres Risiko haben, Opfer von gewalttätigen Attacken zu werden als der Bevölkerungsdurchschnitt. Lesben berichten von Anpöbeleien und Bedrohungen, sehr oft verbunden mit sexuellen Belästigungen. LSBTI-Jugendliche sind nicht selten in erschreckendem Ausmaß von Gewalt im Elternhaus oder durch Gleichaltrige bedroht. 

    In Deutschland bestehen eklatante Forschungslücken im Hinblick auf LSBTI-feindliche Hasskriminalität. Für die Innenministerien in Bund und Ländern ist das offenbar bis heute kein relevantes Thema. Diese Ignoranz muss ein Ende haben. Es müssen Untersuchungen in Auftrag gegeben werden, um empirische Daten über Ausmaß, Erscheinungsformen und Hintergründe sowie belastbare Erkenntnisse über den Umgang von Polizei und Justiz mit diesen Ausprägungen von Hasskriminalität zu erlangen. Erforderlich ist ein Bund-Länder-Programm gegen LSBTI-feindliche Gewalt, das neben kriminologischer Forschung und Rechtstatsachenforschung auch die Entwicklung zielgenauer Konzepte zu Prävention, zur Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz sowie zur ausreichenden Unterstützung von Opferhilfe-Einrichtungen zum Gegenstand hat. Länder und Kommunen müssen die Arbeit von LSBTI-Anti-Gewalt-Projekten angemessen fördern.

    In den Bestimmungen zur Hasskriminalität, die 2015 in das Strafgesetzbuch eingeführt wurden, müssen ausdrücklich auch LSBTI-feindliche Motive benannt werden. Denn alle Erfahrung zeigt: Wenn homophobe und transfeindliche Hasskriminalität nicht ausdrücklich im Gesetz benannt ist, werden diese Motive in der Praxis der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen und damit auch bei der Strafzumessung kaum Beachtung finden.

    Nur ein Bruchteil LSBTI-feindlicher Hasskriminalität wird angemessen registriert und klassifiziert. Notwendig ist daher eine Reform der polizeilichen Erfassungssysteme, damit LSBTI-feindliche Hasskriminalität in ihren realen Ausmaßen gesellschaftlich sichtbar wird. Wichtig ist auch, dass nach dem Vorbild von Berlin mögliche homophobe oder transfeindliche Hintergründe von Straftaten gezielt in den Polizeiberichten publik gemacht werden. Viele Betroffene scheuen immer noch den Weg zur Polizei. Die Behörden müssen daher bei der Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt verstärkt mit LSBTI-Organisationen zusammenarbeiten. Innerhalb der Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften sollen dazu Ansprechpersonen bestellt werden, wie dies in einigen Städten erfolgreich praktiziert wird. Zur Vertrauensbildung gehört eine respektvolle Sprache. Es muss endlich Schluss damit sein, dass einige Polizeibehörden bei homophoben Gewalttaten immer noch von Straftaten im „Homosexuellen-Milieu“ sprechen oder das Geschlecht von Trans-Personen falsch benennen.

     

    Kein Klima der Gewalt entstehen lassen

    Hasspropaganda schürt ein Klima der Gewalt. Homophobe und transfeindliche Hasstäter und Hasstäterinnen tummeln sich massenhaft im Internet, werden aber nur im absoluten Ausnahmefall ermittelt. Das kann nicht länger hingenommen werden. Als Bürgerrechtsverband sind wir sehr zurückhaltend, in Meinungsfragen nach der Staatsanwaltschaft zu rufen. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Sie gilt auch für Meinungen, die wir klar ablehnen. Aber niemand darf sich sicher dabei fühlen, wenn er andere menschenverachtend beleidigt, zur Gewalt aufruft und Menschen bedroht. Geltendes Recht muss konsequent gegen strafbare Inhalte im Internet angewandt werden. Wir fordern hierfür mehr staatliches Engagement durch gute Ausstattung von Polizei und Justiz. Auch müssen die Anbieter in die Pflicht genommen werden hinsichtlich zeitnaher Löschung rechtswidriger Inhalte und verbesserter Auskunftspflichten gegenüber den Behörden. Freilich dürfen private Konzerne nicht zu Zensurbehörden werden. Löschungen müssen zeitnah gerichtlich überprüft werden können.

    In der Theorie sind auch LSBTI gesetzlich vor Volksverhetzung geschützt. Die Praxis sieht aber anders aus. Im einschlägigen Straftatbestand (§ 130 StGB) werden als mögliche Ziele von Volksverhetzung nur „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe(n)“ ausdrücklich hervorgehoben, LSBTI aber nicht genannt. Das führt mit dazu, dass es trotz massiver Hetze in diesem Bereich kaum ernsthafte Ermittlungen und nur sehr wenige Verurteilungen wegen Volksverhetzung gibt. Hier ist eine ergänzende Klarstellung im Gesetz erforderlich.

    Verantwortung der Religionsgemeinschaften einfordern

    Religionsfreiheit ist ein elementares Grundrecht. Das gilt aber genauso für den Gleichheitsgrundsatz. Es gibt keine Hierarchie zwischen diesen beiden Grundrechten. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit ist daher kein Freibrief für die Unterdrückung anderer. Niemand darf an seiner Religionsausübung gehindert werden, wenn diese im Rahmen von Recht und Gesetz erfolgt. Aber niemand hat das Recht, seine religiösen Überzeugungen zur allgemeingültigen Norm zu erklären, nach der sich andere richten müssen. Es ist nicht von der Religionsfreiheit gedeckt, LSBTI die Grundrechte abzusprechen. Kein heiliger Text steht über den Rechten, die unser Grundgesetz garantiert. In allen Religionen gibt es liberale und orthodox-konservative Auslegungen. Die Religionsgemeinschaften sind aufgefordert, sich auf das Liebesgebot ihrer Religion zu besinnen und in diesem Licht ihre ablehnende Haltung gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe und der Vielfalt geschlechtlicher Identitäten zu überdenken und weiterzuentwickeln. Das bedeutet, dass sie ihren gesellschaftlichen Beitrag zur Bekämpfung von Diskriminierung und LSBTI-feindlicher Hasskriminalität leisten müssen.

    Die Evangelische Kirche in Deutschland und viele ihre Landeskirchen haben sich in den letzten Jahren von früherer Ausgrenzung distanziert und sich nach oft heftigen inneren Debatten für LSBTI geöffnet – in der Gemeinde wie im Pfarrhaus. Die meisten evangelischen Landeskirchen bieten gleichgeschlechtlichen Paaren heute kirchliche Trauungen oder zumindest Partnerschaftssegnungen an. 
    Weite Teile der Katholischen Kirche, orthodoxe Kirchen, evangelikale Gruppen und die meisten islamischen Organisationen in Deutschland lehnen dagegen gelebte Homosexualität als schwere Sünde ab, auch wenn es dort ebenfalls mutige liberale Stimmen gibt, die unseren Respekt und unsere volle Unterstützung haben.

    Insbesondere die Katholische Amtskirche und evangelikale Organisationen haben aber in Deutschland bisher jede rechtliche Verbesserung für LSBTI massiv politisch bekämpft und tun dies auch heute noch. Sie tragen schwere Schuld an vergangener wie fortdauernder Diskriminierung. Es ist unverantwortlich, wenn religiöse Autoritäten zu konkreten Fällen von Diskriminierung und Gewalt gegenüber LSBTI konsequent schweigen oder sie nicht eindeutig verurteilen.

    Wir fordern alle Religionsgemeinschaften auf, sich für LSBTI zu öffnen, zum Beispiel schwulen und lesbischen Paaren, die dies wünschen, eine religiöse Trauung anzubieten. Als Arbeitgeber sind Religionsgemeinschaften und die ihnen zugehörigen Einrichtungen aufgerufen, LSBTI ohne jede Vorbehalte oder Auflagen hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität zu beschäftigen. Dies gilt auch für die Ordination.