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ger einen interreligiösen Dialog als vielmehr einen Dialog zwischen Laizismus und Religion. Auch die katholische Kirche poltert immer lauter gegen Schwule, Lesben und die Homo-Ehe. Sind islamischer und christlicher Fundamentalismus vergleichbar? Mehr als das: Christentum und Islam stammen aus den selben Quellen, vor allem was die Reinheitsvorstellungen angeht. Allerdings haben beide Religionen eine andere Religionssoziologie. Juden- und Christentum sind in ihren Ursprüngen eine Hirten- und Kleinbürgerreligion. Der Islam dagegen ist eine Ritterreligion, die mit dem Schwert verbreitet wird. Das war im Christentum erst später so. Im Islam gab es aber keine Re- formation und Aufklärung, so dass die alten Tra- ditionen bis heute viel ungebrochener fortwirken. Einige muslimische Verbände versuchen, das Thema Homosexualität dazu zu nutzen, um Bündnisse mit den christlichen Kirchen zu schmieden. Droht uns eine große Koalition der religiösen Fundamentalisten? Ich glaube nicht, dass die katholische Kirche mit den Turbanträgern gemeinsame Sache macht. Eine ernsthafte Gefahr wäre das nur dann, wenn sich das gesellschaftliche Klima komplett ändern würde. Ich halte es auch für schwer vorstellbar, dass die Homosexuellen-Emanzipation rückgängig gemacht werden kann. Homosexuelle lassen sich nicht so leicht wie ethnische Gruppen ausgrenzen, weil Homosexualität immer wieder mitten in der Gesellschaft entsteht, in jeder Familie. Allerdings: überall, wo es eine Diktatur gibt, geht es den Schwulen mit als ersten an den Kragen. Schließ- lich braucht jede Diktatur Ausgrenzung und Folter. Apropos Diktatur: Kardinal Sterzinsky hat neu- lich bei einer Gedenkfeier für Widerstands- kämpfer gegen das NS-Regime diese als Vorbilder für einen heute nötigen „Widerstand“ gegen die Homo-Ehe gelobt. Wie demokratie- tauglich ist die katho- lische Kirche? Es gibt Züge der Modernität, mit denen sich die katholische Kir- che nie versöhnen wird und dazu gehört die An- erkennung der Homo- sexualität. Die Kompro- missfähigkeit der Ka- tholiken schwindet mit ihrem wachsenden Min- derheitenstatus. Was sagen Sie zu den Behauptungen der ka- tholischen Kirche, gläu- bige Katholiken wie der EU-Kommissionskan- didat Buttiglione würden in Europa verfolgt? Es ist noch nicht Verfolgung, wenn man nicht EU- Kommissar wird. Buttiglione hatte ja sogar viele liberale Fürsprecher – dazu gehöre ich nicht, obwohl ich durchaus glaube, dass er integer ist. Aber er soll mit diesen Ansichten nicht zuständig sein für Gleichstellung. „Bei Machokulturen hilft lautes Bellen ja manchmal“ Sie sagen, „keine europäische Gesellschaft“ könne mehr auf „multikulturelle Lebensformen“ verzichten. Doch wie soll und kann man reagie- ren, wenn sich einige Lebensformen gegen die freiheitlichen Werte der Gesellschaft wenden? Dann sind es keine multikulturellen Lebensformen mehr. Leben und Lebenlassen muss das Prinzip sein. Wer das nicht akzeptiert, hat hier keinen Platz. Das ist eine Frage von Regeln und Fairplay. Abschiebungen in Fällen wie dem des Kreuzberger Imams, der gegen Deutsche gehetzt hat, sind völ- lig in Ordnung – so jemandem müssen wir nicht Gastfreiheit gewähren. Bei Machokulturen hilft lau- tes Bellen ja manchmal. Was ist Ihre Prognose: wird der von manchen diagnostizierte „Kulturkampf“ weiter eskalie- ren? Das ist nicht ausgeschlossen, wenn man genü- gend Torheit auf beiden Seiten unterstellt. Dabei handelt es sich eigentlich um keinen „Kultur- kampf“ zwischen Ost und West, sondern um einen Kampf um Modernität. Wir müssen den Islam an die Demokratie heranführen. Das Problem ist, dass man Demokratie nicht gegen die Frömmigkeit der Massen errichten kann. Auch in Europa hat der Kampf gegen die Religion nicht mit Sieg oder Ver- nichtung geendet, sondern es hat da eine Fusion gegeben. Eine Symbiose von Katholizismus und Demokratie, die stabilisierend war. Es ist deprimie- rend und ermüdend, dass wir diesen Kampf wie- der führen müssen, aber wir müssen es. Herr Dr. Seibt, haben Sie vielen Dank für das Gespräch. Interview: Alexander Zinn 12 1/2005 POLITIK ! Respekt für Schwule und Lesben fordert eine Plakatkampagne des LSVD.
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