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POLITIK ! Wirksamer Diskriminierungsschutz Das Antidiskriminierungsgesetz ist heiß umstritten VON GÜNTER DWOREK D as Antidiskriminierungsgesetz ist heiß umstritten. Insbesondere Wirt- schaftsverbände laufen Sturm dagegen. Das Gesetz soll Benach- teiligungen im Arbeits- und Wirtschaftsleben verhindern. Umgesetzt werden damit Richtlinien der Europäischen Union, aber es pas- siert noch ein wenig mehr: Beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen ver- pflichtet die EU bislang nur zu einem Verbot der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft oder des Geschlechts. Der Entwurf der Regierungs- koalition bezieht weitere Bereiche mit ein, darunter auch die sexuelle Identität. Darauf hat der LSVD immer gedrängt, dagegen richtet sich nun besonders der Furor der Gesetzesgegner. Die sprechen von Vertragsfreiheit und unterneh- merischer Freiheit. In Klartext übersetzt heißt das aber: Sie pochen auf ein Recht zur Diskriminierung. Schwulen Männern werden oft Lebensversicherungen pauschal verwei- gert. Reiseveranstalter für Lesben oder Schwule bekommen von einer Hotel- anlage gesagt: Ihre Personengruppe wollen wir hier nicht. Viele Lesben und Schwule fürchten Nachteile im Beruf, wenn ihre Lebensweise am Arbeitsplatz bekannt wird. Der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt nicht alle Wünsche, bringt aber hand- feste Verbesserungen. Zwei Beispiele: Diskriminierungen im Versicherungswe- sen wird ein Riegel vorgeschoben. Das arbeitsrechtliche Diskriminierungs- verbot gilt ausdrücklich auch für die Bundeswehr. Eine rasante Entwicklung: Noch vor fünf Jahren wurden dort schwule Offiziere und Ausbilder entlassen. Noch ist das Gesetz nicht in trockenen Tüchern. Deshalb wirbt der LSVD im Bündnis mit Frauenverbänden, Antirassismus-Initiativen, den Organisationen von Migrantinnen und Migranten, Behinderten und älteren Menschen für einen wirksamen Diskriminierungsschutz. Übrigens, niemand muss sich Sorgen machen: Den Frauenbuchladen nur für Frauen, die schwule Sauna nur für Männer wird es ohne jede Einschränkung weiter geben. Sachlich begründete Unterscheidungen bleiben selbstverständ- lich zulässig. 13 1/2005 Versicherungen: Schwule dürfen nicht mehr diskriminiert werden. Foto: A. Zinn A m 7. März fand im Bundestag eine Anhörung zum Antidiskriminierungs- gesetz (ADG) statt. LSVD-Bundessprecher Manfred Bruns war dazu als Sachverständiger geladen. Bruns begrüßte den Gesetzentwurf in seiner Stellungnahme nachdrücklich. Deutschland finde damit endlich „Anschluss an die rechtspolitische Entwicklung in vielen Nachbarländern“. Bruns betonte, es sei notwendig, Benachteiligungen mit Hilfe eines Gesetzes entgegenzuwirken. Als besonders erfreulich wertete er, dass mit dem ADG Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität künftig auch in Teilen des Zivilrechts verboten werden sollen. Damit geht der Gesetzgeber über die Anforderungen der EU hinaus. Die EU-Richtlinien verbieten die Benachteiligung von Lesben und Schwulen bislang nur im Arbeitsrecht. Kritisch bewertet es Bruns allerdings, dass der Gesetzentwurf im Zivilrecht für das Merkmal „sexuelle Identität“ nur einen verminderten Schutz vorsieht. Immerhin würden dadurch aber die schlimmsten Diskriminierungsfälle erfasst, unter denen Homosexuelle derzeit zu leiden haben. Ein breiter Diskriminierungsschutz im ADG ist laut Bruns deswegen so wichtig, weil Lesben und Schwule nicht nur bei der Jobsuche, sondern auch in vielen anderen Bereichen diskriminiert werden. So z.B. beim Abschluss von Lebensversicherungen. Die meisten Lesben und Schwulen haben schon Diskriminierungserfahrungen gemacht. Bei einer groß angelegten Studie der Universität Bamberg über „Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare“ aus dem Jahr 2000 hielten daher 95 Prozent der befrag- ten Schwulen und Lesben ein Antidiskriminierungsgesetz für notwendig. Siehe auch Kommentar auf Seite 17. „Benachteiligungen entgegenwirken“ LSVD-Sprecher Manfred Bruns bei Anhörung zum ADG VON ALEXANDER ZINN

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