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D er LSVD feiert Geburtstag: 15 Jahre besteht der Verband inzwischen. Das ist zwar noch kein Alter für große Jubelfeiern, aber allemal ein Grund zurückzublicken. Und dabei zeigt sich, dass der Verband eine längere Geschichte hat, als die eichenlaubumkränzte „15“ glauben macht. Denn die Gründung des damaligen „Schwulenverbandes in der DDR“ (SVD) am 18. Februar 1990 war der Gipfelpunkt einer langjährigen ostdeutschen Emanzipationsbewegung. „Eigentlich beginnt unsere Geschichte schon 1981“, so Eduard Stapel, einer der Gründerväter des Verbandes. Und das ganz profan: auf einer öffent- lichen Toilette in Leipzig. Auf der „Klappe“, einem der wenigen Treffpunkte von Schwulen in der Messestadt, lernt Stapel im Herbst 1981 Christian Pulz kennen. Die beiden kommen ins Gespräch über die Situation der Schwulen in der DDR und vereinba- ren, einen Gesprächskreis ins Leben zu rufen. Schon wenige Tage später treffen sich zwei Dutzend Schwule in der Wohnung von Pulz. Stapel refe- riert erstmals über seine Vor- stellungen von Emanzipation, Parti- zipation und Integration der Schwu- len. Vorbild ist das Menschen- rechtsmodell, das Wolfgang Huber in seinem Buch „Menschenrechte: Perspektiven einer menschlichen Welt“ entwickelt hat. Uns so steht ein nicht besonders schwulenfreund- licher Kirchenmann Pate für das erste – ungeschriebene – Programm der DDR-Schwulenbewegung. Die Treffen werden zu einer wö- chentlichen Institution. Steht anfangs noch der Wunsch nach Selbst- findung und -vergewisserung im Mittelpunkt, so ist nach einem halben Jahr klar: die meisten wollen auch etwas für andere Schwule machen. Doch es fehlt an Räumen und recht- licher Absicherung – vom wenig homosexuellenfreundlichen Staat ist keine Unterstützung zu erwarten. Stapel, damals Theologiestudent, gewinnt das Vertrauen des Leipziger Studentenpfarrers, und so wird am 25. April 1982 der erste „Arbeitskreis Homosexualität“ der Evangelischen Studenten- gemeinde gegründet. Bald entstehen ähnliche Arbeitskreise in fast allen Großstädten der DDR. Kräftig unterstützt von Stapel, seit 1983 Vikar bei der Magdeburger St.- Michaels-Gemeinde und ab 1985 als Angestellter für Schwulenarbeit der Evangelischen Kirche tätig. Er reist von Gruppe zu Gruppe, organisiert Arbeits- und Vernetzungstreffen und – nicht zu vergessen – Freizeit- veranstaltungen wie „Diskotheken“. Denn neben der Weiterbildung dienen die Arbeitskreise – mangels Alternativen – auch sozialen Kontakten. Dem Staat freilich ist die erwachende Schwulenbewegung nicht geheuer. Ohnehin werden Homosexuelle aufgrund „ihrer Kontaktfreudigkeit“ als „für den Klassengegner und seine Agentenzentralen besonders interessante Personen“ betrachtet. Da verwundert es nicht, dass die Arbeitskreise schnell ins Visier der Staatssicherheit geraten. Eduard Stapel wird in den folgenden Jahren von etwa 50 Hauptamtlichen und rund 150 IM – in der Regel selbst Schwule – observiert. Allein die Stasi-Akten zu seiner Schwulen-Arbeit zäh- len über 8000 Seiten. Ziel der „politisch-operativen Bearbeitung homosexuel- ler Personenkreise“ ist die „zielstrebige Untergrabung“ und „Zersetzung“ der Gruppen u.a. durch das „Erzeugen von Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen“. Es dauert lange, bis die Stasi erkennt, dass auch Schwule nicht per se „Klassenfeinde“ sind, son- dern „unterschiedliche weltan- schauliche Positionen“ vertreten. Zu lange: Als die FDJ-Führung 1988 beschließt, Schwulen und Lesben mehr Freiräume einzuräu- men, ist die DDR bereits am Ende. Die Protestbewegung und die fried- liche Revolution von 1989 werden für die kirchlichen Arbeitskreise zum Aufbruchssignal. Im Winter 1989/90 beschließt man, sich in einem Verband zusammenzu- schließen. Am 18. Februar 1990 ist es so weit: 81 Personen versammeln sich im Leipziger „Kulturhaus der Nationalen Front“, um den Schwu- lenverband aus der Taufe zu heben. Eduard Stapel hat ein elfseitiges Programm geschrieben – Surrogat von acht Jahren Diskussion in den Arbeitskreisen. Schon damals ent- halten: die revolutionäre Forderung nach „Gleichstellung bei vorhande- nem Wunsch mit der Ehe“. Am 11. April wird der Verband mit der Eintragung in das Vereinigungsregister des Kreisgerichts Leipzig staatlich anerkannt. Schon beim nächsten Verbandstag im Juni 1990 wird der SVD in „Schwulenverband in Deutschland“ umbenannt. Bald schließen sich dem Verband auch westdeutsche Schwule an – in wenigen Jahren entwickelt er sich zur größten politischen Schwulenorganisation in Deutschland. Zunächst noch ohne Frauenpower. Doch bald wird klar, dass Schwule und Lesben an einem Strang ziehen müssen, um ihre Interessen wirksam zu vertreten. Und so wird 1999 aus dem SVD der LSVD. Wenn man so will, hat der LSVD also schon 23 Jahre auf dem Buckel. Eine Erfolgsstory aus dem Osten der Republik! POLITIK ! 14 1/2005 Erfolgsstory aus dem Osten Über die Wurzeln des LSVD VON ALEXANDER ZINN Aufruf zur Gründung des ersten „Arbeitskreises Homosexualität“.
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