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MEINUNG MEINUNG ! E igentlich könnte es längst selbstverständlich sein: Diskriminierung jeder Art – ganz gleich wie begründet – ist verboten. Artikel 3 unseres Grundgesetzes regelt die Gleichheit vor dem Gesetz und den Schutz aller Menschen vor Diskriminierungen. Dennoch bedarf es der klaren gesetzlichen Regelungen für diese Grundforderungen. Das geplante Antidiskriminierungsgesetz ist in der Bundesrepublik längst überfällig, sagen die einen. Selbst die Gegner und Gegnerinnen müssen zuge- ben, dass zumindest die EU-Richtlinien bereits hätten umgesetzt werden müssen. Das bedeutet zumindest, dass Benachteiligungen im Bereich Beschäftigung und Beruf hinsichtlich aller Diskriminierungsmerkmale (Rasse, ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht) verboten sind. Nun geht der Entwurf der Bundesregierung darüber hinaus und regelt auch – zumindest weitgehend – den zivil- und sozialrechtlichen Bereich. Das ist nur konsequent, denn Menschen werden in allen Lebensbereichen diskriminiert. Verhindern kann dieses Gesetz Diskriminierung natürlich nicht grundsätzlich, so wie kein Gesetz Straftaten verhindert. Aber es bildet den rechtlichen Rahmen für eine entsprechende Kultur der Antidiskriminierung. Wo diese bereits gelebt wird, wird das Gesetz nicht groß beachtet werden – und wird schon daher nicht die befürchtete Prozessflut auslösen. Wo allerdings Menschen diskriminiert werden, weil sie schwul oder lesbisch, schwarz oder behindert, Frau oder Muslima sind, bedarf es eben dieser gesetzlichen Rege- lungen, die Sanktionsmöglichkeiten einschließen. Nur wenige Menschen in unserer Gesellschaft haben dieses Gesetz gewünscht. Viele lehnen es ab, und viele wird es nicht interessieren. Wenn es wirklich greifen soll, braucht es einen langen Prozess der Bewusstseinsbildung. Verbände wie der LSVD aber auch gerade der Deutsche Frauenrat mit seinem breiten Spektrum von Mitgliedsorganisationen sind dazu aufgefordert, diesen mitzugestalten. Respekt ist gefragt – und Ihr „Respekt“ wird hoffentlich auch gefragt sein. Ich sehe ein hoffnungsvolles Zeichen darin, dass diese neue Zeitschrift zu einer Zeit startet, in der das Antidiskriminierungsgesetz beraten und hoffentlich bald verab- schiedet wird. Der Publikation wünsche ich Er- folg. Den Mitgliedern des LSVD und allen Menschen, die u.a. wegen ihrer sexuellen Iden- tität diskriminiert werden, wünsche ich ein Ende dieser Diskriminierungen und eben „Respekt“. Brunhilde Raiser , 51, Germanistin und Theologin, ist Vorsitzende des Deutschen Frauenrates. 17 1/2005 F amilienpolitik war für die Union schon immer ein besonders wichtiges Kompetenz-Thema. Da wusste man, wovon man spricht: Mann und Frau, später Kinder. Und alles steht unter dem Schutz des Grundgesetzes. Das war so, ist so, und bleibt so. Und auf einmal – spätestens seit dem Start der rot-grünen Regierung 1998 – brechen alle Dämme. Auf einmal soll „Ehe“ auch die Verbindung Frau und Frau oder Mann und Mann sein? Da stürzen konser- vative Weltbilder ein! Kein Wunder, dass die Union zunächst mit einem katego- rischen „Nein“ reagierte. Dieses kompromisslose „Nein“ bestimmte seither die Politik der Union. Doch spätestens nachdem das höchste deutsche Gericht entschieden hatte, dass Ehe und Familie durch die Lebenspartnerschaft nicht angegriffen werden, hätte man sich mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Das ist nicht geschehen und so manövrierte man sich in die Situation, für das eigene Kompetenz-Thema kein Konzept zu haben. Steigende Scheidungsraten, zunehmend (gewollt) kin- derlose Ehen, Zusammenleben ohne Trauschein, alleinerziehende Mütter/Väter und – last but not least – gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften; auf all` diese Lebensentwürfe kann man nicht nur mit dem Satz „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes“ reagieren. Inzwischen sind sich CDU und CSU dieses Dilemmas bewusst. Auch wenn es öffentlich nicht ausgesprochen wird. Aber es ist eine neue Tonlage, wenn der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber auf dem politischen Aschermittwoch 2005 in Passau vor 8000 treuesten Anhängern sagt: „Natürlich muss die Diskriminierung Homosexueller endgültig der Vergangenheit angehören. Deshalb ist es in Ordnung, dass Lebenspartner in Bereichen wie Namens- recht und Unterhalt, die allein ihre Rechtsstellung als Erwachsene berühren, rechtlichen Schutz genießen...“ Auch die Äußerungen der bayerischen Justizministerin Beate Merk im Respekt-Interview lassen auf einen langsamen Sinneswandel schließen. Wenn Merk erklärt, Lebenspartnerschaften müssten „rechtlich gestärkt“ werden, ist das schon eine bemerkenswerte Äußerung für eine CSU-Politikerin. Doch dieser Wandel kommt spät – und zu langsam in Gang. Es ist schon verwunderlich, dass Merk im selben Interview ankündigt, Bayern werde im Bundesrat gegen eine steuerliche Gleichbehandlung von Lebenspartnern stim- men. Und schlimmer noch: der Freistaat plant bereits den nächsten Gang nach Karlsruhe, diesmal gegen die Stiefkindadoption. Auch wenn sich Bayern dort wahrscheinlich wieder ein blaues Auge holen wird: eine neue Klage gegen die Lebenspartnerschaft ist einfach das falsche Signal. So jedenfalls wird die „neue Offenheit“ der Union bei Lesben und Schwulen nicht ankommen. Statt juristischer Streitereien brauchen wir einen kritischen Dialog. Die Union steht vor einer Richtungsentscheidung: jetzt mitgestalten oder sich verweigern, um dann später zu akzeptieren. Namhafte CDU-Politiker haben sich inzwischen öffentlich für steuerliche Verbesserungen für Lebenspartner ausge- sprochen. Ob das für das für eine Mehrheit im Bundesrat reicht? Ein reines „Abnicken“ ist illusorisch. Um ein Vermittlungsverfahren wird man nicht herum kommen, und das wird die Union nicht schei- tern lassen können. Ein Jahr vor der Bundestagswahl wäre das ein familienpoliti- scher Offenbarungseid. Axel Hochrein, 41, Dipl. Betriebswirt (FH) ist Bundessprecher des LSVD und stellvertretender Bundesvorsitzender der LSU (Lesben und Schwule in der Union). Für eine Kultur des Respekts Gastkommentar zum Antidiskriminierungsgesetz VON BRUNHILDE RAISER Kompetenz-Thema ohne Konzept Lebenspartnerschaft: Union vor Richtungsentscheidung VON AXEL HOCHREIN

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