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TITEL ! Es geht dabei aber nicht um Stimmenfang, sondern um die Öffnung gegenüber all den Menschen, die eine wertkonservative Einstellung haben, unabhän- gig von der Lebensform, die sie für sich gewählt haben. Ihr Name wird häufig genannt im Zusammen- hang mit einer Öffnung der CSU gegenüber „anderen Formen des Zusammenlebens“. Als Leiterin der soeben ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe „Großstädte“ befasse ich mich natürlich auch mit den Bedürfnissen und Erwartungen der Menschen, die in anderen Lebensformen als der Ehe leben. Was bedeutet diese neue Strategie konkret für die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren? Es handelt sich nicht um eine neue Strategie, son- dern um die schon immer vorhandene Bereitschaft der CSU, Änderungen in der Gesellschaft aufge- schlossen gegenüberzustehen. Mir geht es um die besondere Situation der immer größer werdenden Gruppe von Menschen in den Großstädten, auf die die Ziele der CSU primär nicht zugeschnitten sind. Dies ist für mich Anlass, intensiv mit Menschen zu diskutieren, die andere Lebensformen bevorzugen. Mir geht es um gegenseitige Offenheit und Verständnis. Ist diese Offenheit überhaupt mehrheitsfähig in der CSU? Die Tatsache, dass die Arbeitsgruppe „Großstädte“ ins Leben gerufen wurde, zeigt die Bereitschaft, der besonderen Lebenssituation in der Großstadt Aufmerksamkeit zu widmen, sich der Bedürfnisse der Menschen dort anzunehmen, aber immer unter Beibehaltung unserer klaren Werteorientierung. Ihre Kabinettskollegin Christa Stewens hat jüngst erklärt, die Bundesregierung solle lieber Familien fördern, statt Lebenspartnerschaften gleichzustellen. Werden da nicht falsche Fronten aufgebaut? Es gibt doch auch viele gleichge- schlechtliche Paare, die Kinder erziehen. Dass eine Familienministerin und Mutter von sechs Kindern in erster Linie die Familie und die Kinder im Auge hat, ist selbstverständlich und wohl wün- schenswert. Ihr Vorgänger im Amt des Justizministers hat im Jahr 2000 gegen die Einführung der Homo-Ehe geklagt. War das, im Rückblick betrachtet, die richtige Entscheidung? Die Entscheidung hat die Staatsregierung getroffen. Als Mitglied der Staatsregierung möchte ich diese nicht kritisieren. Edmund Stoiber hat am Aschermittwoch ange- kündigt, erneut nach Karlsruhe zu ziehen, dies- mal gegen die Stiefkindadoption. Was verspre- chen Sie sich von einem solchen – juristisch ziemlich aussichtslosen – Schritt? Das Bundes- verfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom Juli 2002 doch eindeutig festgestellt, dass es dem Gesetzgeber freisteht, Lebenspartnern die gleichen Rechte einzuräumen wie Eheleuten. Die Staatsregierung hält die Stiefkindadoption für unvereinbar mit dem Kindeswohl, denn die Adop- tion würde einen kompletten Bruch der Beziehungen des Kindes zu einem Elternteil bedeu- ten. Im übrigen hat sich das Bundesverfassungs- gericht in der genannten Entscheidung nicht mit der Frage der Stiefkindadoption auseinandergesetzt. Wie wird sich Bayern zu der Initiative der Bundesregierung verhalten, Lebenspartner- schaften bei der Einkommens- und Erbschafts- steuer besserzustellen? Die Staatsregierung hat diese Vorschläge immer abgelehnt. Ich gehe davon aus, dass sich daran nichts ändern wird. Ihre Prognose: Werden Ehe und Lebenspartner- schaft in zehn Jahren rechtlich gleichgestellt sein? Eine völlige Gleichstellung kann ich mir nicht vor- stellen, weil es zwischen diesen Lebensformen ein- fach Unterschiede gibt. Aber Lebenspartnerschaf- ten werden in jedem Fall rechtlich gestärkt werden. Vorurteile und Hass gegenüber Schwulen und Lesben sind auch heute noch verbreitet. Insbesondere heterosexuelle junge Männer haben große Toleranzprobleme. Müsste nicht gerade an Schulen viel mehr für die Aufklärung über Homosexualität getan werden? Natürlich gibt es eine Menge Vorurteile, leider wohl auch Hassgefühle, was ich für sehr schlimm halte. Denn das ist mit meinem christlichen Weltbild nicht vereinbar. Ich denke, dass sich unsere jungen Menschen intensiv mit dem Thema des Mit- einanders, der gegenseitigen Achtung und Toleranz genauso wie mit Fragen der sexuellen Einstellung befassen sollten. Ob die Schule aber das allein zu leisten vermag bzw. allein leisten sollte, ist zu über- legen. Es handelt sich ja um ein gesamtgesell- schaftliches Thema. Die Erziehung eines jungen Menschen zu Offenheit und Verständnis obliegt in erster Linie den Eltern. Dort wo eine Diskussion innerhalb der Familie nicht möglich ist, sollte die Schule wesentliche Unterstützung leisten. Zum Abschluss eine persönliche Frage. Angenommen, Sie haben einen Sohn, der einen Mann heiraten will: bekäme er Ihren „Segen“? Leider habe ich keinen Sohn. Hätte ich einen, wäre mir das Allerwichtigste, dass er glücklich ist. Des- halb hätte er für eine Partnerschaft, wenn sie Zu- kunft hat und sie ihm das gibt, was er braucht, von Herzen meinen Segen, egal ob Mann oder Frau. Frau Dr. Merk, haben Sie vielen Dank für das Gespräch. Interview: Alexander Zinn Siehe auch Kommentar auf Seite 17. 9 1/2005 … leitet die neue CSU-Arbeitsgruppe „Großstädte“. Foto: H.-R. Schulz

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