respekt_heft_02_07_2005

politik ! 10 02/05 Ohne Begründung abgelehnt Vielen schwulen Männern werden Versicherungen verweigert. Im Respekt-Gespräch streiten Experten, ob diese Praxis diskriminierend ist. Das Antidiskriminierungsgesetz soll auch Lesben und Schwule vor Benachteiligungen schützen. Zum Beispiel schwule Männer, denen der Abschluss von Lebens- und Krankenversicherungen oft wg. eines angeblich höheren HIV-Risikos verweigert wird. Respekt sprach darüber mit Christian Brandt, Vermittler von Versicherungen für Lesben und Schwule, Peter Schwark, Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Manfred Bruns, LSVD-Bundesvorstand. Respekt: Herr Brandt, Sie vermitteln Versicherungsverträge speziell für Lesben und Schwule. In welcher Form kommt es hier zu Diskriminierungen? Brandt: Es gibt eine ganze Reihe von Diskriminierungen. Zu den eklatantesten gehört es, wenn schwulen Männern Lebens-, Berufsunfähig- keits- oder Krankenversicherungen verweigert wer- den, obwohl die Gesundheitsfragen risikotechnisch einwandfrei beantwortet wurden. Diskriminierend sind auch Risikozuschläge, obwohl sich aus den Antworten auf die Gesundheitsfragen kein erhöhtes Risiko ableiten lässt. Auch aufschiebende Regelungen (voller Versicherungsschutz nach Ablauf des dritten Jahres) und HIV-Tests, obwohl die Annahmerichtlinien keine Untersuchungen vor- sehen, sind eindeutig diskriminierend. Und nicht zu vergessen der Klassiker bei den Lebens- versicherungen, wenn der Versicherungsagent dem Kunden sagt, er möge zunächst eine Frau (z.B. seine Mutter) als Bezugsberechtigte eintragen, damit seine Homosexualität bei der Prüfung nicht bemerkt wird. Wie verbreitet sind solche Benachteiligungen? Brandt: Nach unseren Schätzungen kommt es bei den Berufsunfähigkeits- und Krankenversicher- ungen bei jeweils ca. 25 Prozent der Anträge zu Diskriminierungen. Bei Lebensversicherungen liegt die Rate bei ca. 80-90 Prozent, wenn der Partner als Bezugsberechtigter eingesetzt wurde. Herr Schwark, der GDV hat demgegenüber erklärt, "die meisten Lebensversicherer" wür- den Schwule sehr wohl versichern. Worauf stüt- zen Sie diese Behauptung? Schwark: Die Frage müsste umgekehrt gestellt werden: Die anlässlich der Anhörung im Bundestag erhobene und in den Medien verschiedentlich wiederholte Behauptung des LSVD, dass 90 Prozent der Lebens- und Krankenversicherer Schwule grundsätzlich nicht versichern würden, wurde vom LSVD in der Süddeutschen Zeitung bereits als "unkorrekt" zurückgenommen. Ich bedauere, dass zu Lasten der Versicherer mit der- artigen Zahlen Politik gemacht wird. Nach einer Verbandsumfrage bieten fast alle Lebensver- sicherer auch Schwulen Lebensversicherungs- schutz an. Bruns: Die Anträge auf Lebensversicherungen, in denen der Partner als Begünstigter eingesetzt wird, werden nach unseren Erfahrungen tatsächlich zu 80 bis 90 Prozent pauschal und ohne Begründung abgelehnt. Aber wir müssen uns hier nicht um Zahlen streiten: Jeder Diskriminierungsfall ist einer zu viel. Und da interessiert es mich schon, wie Sie darauf kommen, dass schwule Männer nicht diskri- miniert werden. Respekt: Der GDV gesteht immerhin zu, dass „ein Teil der Versicherer” von schwulen Männern eine Risikoprüfung bzw. einen Risikoaufschlag verlangt. Ist das keine Diskriminierung? Schwark: Die Statistik des Robert-Koch-Instituts lässt ein 50 bis 100fach erhöhtes HIV-Risiko für Schwule im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung erkennen. Wie bereits der LSVD in seiner Stellungnahme zum ADG anerkennt, ist die Risikoprüfung ggf. mit HIV-Test oder einem Risikozuschlag, der ein derart erhöhtes Risiko aus- gleicht, keine Diskriminierung. Die risikoadäquate Kalkulation dient letztlich der Gleichbehandlung aller Versicherten, damit Menschen mit gleichen Risiken die gleiche Prämie zahlen, bei ungleichen Risiken aber durch eine entsprechend höhere oder niedri- gere Prämie ein für alle Versicherten vergleichbares Preis-Leistungsverhältnis hergestellt wird. Bruns: Zunächst zur Klarstellung: Die Tatsache, dass nach der Statistik des Robert-Koch-Instituts knapp 50 Prozent der HIV-Infizierten schwule Männer sind, bedeutet nicht, dass die Gesamtheit der schwulen Männer ein um 50 bis 100fach erhöhtes HIV-Risiko trägt. Im Übrigen: Versicherungen haben selbst- verständlich das Recht, vor Abschluss eines Versicherungsvertrages das Risiko zu prüfen und notfalls von Antragstellern auch einen HIV- Antikörpertest zu verlangen, wenn sich aus der Beantwortung der Fragen ergibt, dass in dieser Hinsicht ein beson- deres Risiko gege- ben ist, weil z.B. der Manfred Bruns: Bundesvorstand des LSVD. RE_02_05+ 14.06.2005 12:29 Uhr Seite 10

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