respekt_heft_02_07_2005

politik ! 13 02/05 ten von Fachpersonal, dem die Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Familien obliegt. In Deutschland ist bislang das gesellschaftliche und politische Bewusstsein für einen sach- und zeit- gemäßen Umgang mit Regenbogenfamilien nicht vorhanden. Differenzierte Informationen in der Fachwelt über Fragen und Belange von Homosexu- ellen mit Kindern bzw. Kinderwunsch sind wenig verbreitet. Es gibt hier einen großen und breit ge- fächerten Handlungsbedarf, dem sich das LSVD- Projekt „Regenbogenfamilien“ seit 2002 widmet. Seit letztem Jahr bieten wir – mit Unterstützung des Bundesfamilienministeriums – in Köln eine In- formationsreihe an, die durch Vorträge und Diskus- sionen zu ausgewählten Brennpunkten der famili- ären und gesellschaftlichen Wirklichkeit von Regen- bogenfamilien zur Beseitigung von Informations- lücken und Verhaltensunsicherheiten beitragen will. Dr. Martin Ganguly eröffnete die Reihe im Sep- tember 2004 mit seinem Workshop „Regenbogen- familien machen Schule”. Im Oktober lasen Stepha- nie Gerlach und Uli Streib-Brzic aus ihrem neuen „Buchprojekt”, in dem Kinder aus Regenbogenfa- milien über ihren Familienalltag berichten. Prof. Dr. Udo Rauchfleisch informierte im März 2005 über die familiäre Wirklichkeit und Selbstdefinition les- bischer Mütter, schwuler Väter und ihrer Kinder, die „ganz normal anders” sind. Alle Beiträge sind Ende dieses Jahres in Form einer Dokumentation erhält- lich. Medien beeinflussen unsere Vorstellungen von homosexuellen Lebensweisen und familiären Wirk- lichkeiten. Bis heute kommen Regenbogenfamilien in den mehrheitlich geteilten Familienbildern in Ge- sellschaft, Recht und Wissenschaft kaum vor. Aus diesem Grunde widmet sich die Abschluss- veranstaltung unserer Vortragsreihe „Regenbogen- familien – Eine Familie ist eine Familie ist eine Familie” der Frage nach der Präsentation von „Homosexualität und Elternschaft” in den Medien. Am Samstag, dem 2. Juli 2005, diskutieren im Rahmen des Kölner CSDs auf der Politbühne von 17 bis 18 Uhr Print- und TV-Journalist(inn)en über „Regenbogenfamilien im Spiegel der öffentlichen Meinung”. Ihr seid herzlich eingeladen. Dr. Elke Jansen, geb. 1962, ist Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin. Seit September 2002 leitet sie das Projekt „Regenbogenfamilien“ des Lesben- und Schwulenverbandes, das vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. Große Rechtsunsicherheit Stiefkindadoption löst nicht alle Probleme Herr Siegfried, seit dem 1. Januar gibt es die Stiefkind- adoption für schwule und lesbi- sche Lebenspartner. Was sind die Voraussetzungen? Es ist jetzt möglich, das leibliche Kind des Lebenspartners zu adoptieren. Voraussetzung ist, dass die Adoption dem Kindes- wohl dient und dass ihr der ande- re Elternteil zustimmt. Welche praktische Bedeutung hat das? In Deutschland lebten 2003 laut Mikrozensus mindestens 13.000 Kinder bei gleichgeschlecht- lichen Paaren. Oft stammen diese Kinder aus vorangegange- nen heterosexuellen Beziehun- gen. In vielen dieser Fälle kann eine Stiefkindadoption dazu bei- tragen, das Kind rechtlich besser abzusichern. Viele lesbische Paare erfüllen sich ihren Kinderwunsch durch künstliche Befruchtung. Wie ist die rechtliche Situation in diesen Fällen? Bei der Fremdinsemina- tion gibt es noch viele Probleme. Zum einen, weil die rechtliche Situation bei nicht verheirateten oder in Lebenspartnerschaft le- benden Frauen völlig unklar ist. Viele Samen- spender und Ärzte haben deswegen Angst vor mög- lichen Unterhaltsansprü- chen. Zum anderen, weil die Lebenspartnerin der Mutter, anders als der Ehegatte, nach der Geburt nicht automatisch als zweites Elternteil gilt. Das Kind hat gegenüber seiner Co- Mutter deswegen keine Unter- halts- oder Erbansprüche. Das kann nicht im Sinne des Kindeswohls sein. Am besten wäre es deswegen, auch hier zu einer Gleichstellung mit der Ehe zu kommen: wenn eine Lebens- partnerin ein Kind bekommt, sollten beide Lebenspartnerinnen rechtlich als Eltern gelten. Was bringt die Stiefkind- adoption in diesen Fällen? Vor der Zeugung lässt sich damit keine Rechtssicherheit herstel- len, denn die Mutter darf einer Stiefkindadoption frühestens acht Wochen nach der Geburt zustimmen. Bis zu diesem Zeit- punkt ist der Samenspender in jedem Fall auf der unsicheren Seite: Unterhalts- und Erban- sprüche lassen sich vertraglich nicht ausschließen. Sie fallen erst mit der Stiefkindadoption weg. Bayern klagt jetzt gegen die Stiefkindadoption vor dem Bundesverfassungsgericht. Hat eine solche Klage Erfolgs- aussichten? Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil 2002 eindeu- tig festgestellt, dass die Lebenspartnerschaft mit Rech- ten und Pflichten ausgestattet werden kann, „die denen der Ehe gleich oder nahe kommen“. Auch ein Gutachten des Bundes- tages, das der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler beantragt hatte, ist im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass die Stiefkindadoption verfassungs- gemäß ist. Es spricht viel dafür, dass sich Bayern mit der Klage einen Bärendienst erweist. Denn wenn das Bundesverfassungs- gericht nochmals ausdrücklich bestätigt, dass die Stiefkind- adoption verfassungsgemäß ist, könnte dieses Urteil auch der Wegbereiter sein für das gemein- same Adoptionsrecht, das gleich- geschlechtlichen Paaren bislang willkürlich vorenthalten wird. Interview: A. Zinn Die rechtliche Absicherung von Regenbogenfamilien ist nach wie vor völlig unzureichend. Insbesondere bei der Fremdinseminationen bewegen sich Lesben und Schwule mit Kinderwunsch in einer rechtlichen Grauzone. Respekt fragte den Rechtsanwalt und Notar Dirk Siegfried, wo die Probleme liegen. Dirk Siegfried, Rechtsanwalt und Notar in Berlin, engagiert sich seit Jahren für die Gleichstellung lesbischer und schwuler Paare. RE_02_05+ 14.06.2005 12:29 Uhr Seite 13

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