respekt_heft_02_07_2005
MEINUNG meinung ! W ir sind Papst, titelte die Bildzeitung. Wir alle? Mit Benedikt XVI. steht ein Mann an Spitze der Katholischen Kirche, der homo- sexuellen Menschen auch im weltlichen Bereich unversöhnlich das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit abspricht. Der neue Papst hat als Chef der „Glaubenskongregation“ in den letzten zwei Jahrzehnten bei allen homosexuellenfeindlichen Ausfällen des Vatikans die Feder geführt. Mit einer extrem aggressiven Sprache hat er staatliche Gesetze zum Abbau von Diskriminierung Homosexueller als „Legalisierung des Bösen“ diffamiert. Ähnliche Äußerungen brächten islamischen Imamen schnell das Etikett „Hassprediger“ ein. Der jetzige Papst hat erheblich dazu beigetragen, dass Schwule und Lesben in vielen Teilen dieser Welt weiter mit Hass und Gewalt verfolgt werden. Nun ist nie ausgeschlossen, dass sich Menschen auch mit 78 Jahren noch ändern, dass auch ein Papst sich vom Saulus zum Paulus entwickeln kann. Viel Hoffnungsenergie sollte man aber wohl nicht investieren. Stellen wir uns eher darauf ein, dass der Vatikan weiter Regierungen und Parlamente in aller Welt drängen wird, die Rechte homosexueller Menschen zu beschneiden. Jetzt, wo „wir“ Papst sind, wird der Vatikan in Deutschland mehr gehört werden. Ob man ihm auch folgt, ist freilich eine andere Frage. Als Ratzinger 2003 direkte Weisungsrechte gegenüber dem Gewissen katholischer Parlamentarier beanspruchte, haben das auch prominente christdemokrati- sche Politiker entschieden zurückgewiesen. Nur einige notorische Figuren wie der weitgehend in der Versenkung verschwundene Norbert Geis hatten sich freudig erregt und kreuzzugsbereit hinter dem Vatikan-Banner versammelt. Heute spricht die stellvertretende CDU-Vorsitzende Annette Schavan davon, dass Papst Benedikt XVI. die Unionsparteien bei der programmati- schen Profilierung unterstützen könne. Wir werden sehen, wie weit das reicht. Es sei aber die Prognose gewagt: Nicht sehr weit. Auch mit dem ersten bay- erischen Papst seit Poppo von Brixen (1048 als Papst Damasus II. inthroni- siert) werden so schnell keine ultramontanen Verhältnisse ausbrechen. Aber Rom denkt in Jahrhunderten und blickt nicht nur auf Europa. Eine ökumenische Achse des Religiösen gegen Frauenrechte, Kondome, Lesben und Schwule ist längst geschmiedet. Konservative Kardinäle, Patriarchen und Ajatollahs verstehen sich auf diesem Feld prächtig. Auch wenn der gesell- schaftspolitische Einfluss des Vatikans in den meisten europäischen Demokratien begrenzt bleibt, so sieht das in den ärmeren Teilen unserer Welt leider ganz anders aus. Und vergessen wir nicht die persönliche Dimension: Man mag die Purpurträger und ihre Rituale belächeln, die Gewissensqualen, die sie gläubigen Lesben und Schwulen und deren Angehörigen zufügen, sind alles andere als zum Schmunzeln. Spaniens Ministerpräsident Zapatero, dem der Vatikan wegen der Öffnung der Ehe gerade die Hölle heiß macht, hat es klar auf den Punkt gebracht: „Ich werde es nie verstehen, wie die, die die Liebe als Fundament des Lebens bezeichnen, so radikal Schutz, Verständnis und Zuneigung zu unseren Nachbarn, Freunden und Verwandten ablehnen können.“ Zapatero hat den Nuntius, den Botschafter des Vatikans, einbestellt und Zurückhaltung eingefor- dert. Ob deutsche Politiker ein derart starkes diplomatisches Signal wagen würden? Die Bundesregierung hat sich in jüngster Vergangenheit auf internationalem Parkett recht deutlich für die Menschenrechte von Lesben und Schwulen stark gemacht. Überall dort, wo der Vatikan in die Welt hineinregieren will, ist er nicht anders zu behandeln als jeder andere Staat auch. Er hat keine höhere Moral gepachtet als demokratische säkulare Staaten. Unsere Forderung an Regierung und Bundestag, in den internationalen Beziehungen antihomosexueller Propaganda und Politik entschieden entgegenzutreten, gilt auch gegenüber der vatikanischen Monarchie. 17 02/05 Antihomosexuelle Achse des Religiösen Was wir von Papst Benedikt XVI. zu erwarten haben VON GÜNTER DWOREK Eric Leis, Rechtsanwalt, ist im Bundesvorstand der AG „Homosexuelle und Kirche“. Günter Dworek, Wissenschaftlicher Referent, ist Bundesvorstand des LSVD. RE_02_05+ 14.06.2005 12:29 Uhr Seite 17
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