respekt_heft_02_07_2005

länder ! 20 02/05 S eit Monaten tobt in Berlin ein erbitterter Streit um den Religionsunterricht und die Ver- mittlung von Werten. Hintergrund ist die Entscheidung der Berliner SPD-PDS-Regierung, zum Schuljahr 2006/2007 ein staatliches und nicht abwählbares Unterrichtsfach „Wertekunde“ in den Klassen 7 bis 10 schrittweise einzuführen. Der LSVD unterstützt diese Pläne: Angesichts zuneh- menden rechtsextremen, fundamentalistischen und Frauen sowie Lesben und Schwule diskriminieren- den Denkens bei Jugendlichen gibt es keine Alternative zum verpflichtenden Werteunterricht! Religion ist in Berlin kein ordentliches Lehrfach, sondern ein freiwilliges Angebot, das bisher weit- gehend in Eigenverantwortung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (evangelische und katholische Kirche, Islamische Föderation, Humanistischer Verband) angeboten wird. Ein gemeinsamer Werteunterricht ist gerade deshalb für Berlin so wichtig, weil hier, anders als in allen anderen Bundesländern, der Religionsunterricht von den Religionsgemeinschaften in eigener Verantwortung angeboten wird, so dass es keinen staatlichen Einfluss auf den Unterricht gibt. So erstritt sich z.B. die Islamische Föderation 2000 das Recht, islamischen Religionsunterricht in Berliner Schulen anzubieten. Die Zeugen Jehovas denken über einen eigenen Unterricht nach. Dr. Felicitas Tesch, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, meint dazu: „Auch durch ein Wertefach mit Abwahl- möglichkeit ist es uns nicht möglich, unliebsame Gruppen aus der Berliner Schule zu verdrängen. Daher setzt die Koalition auf einen gemeinsamen Werteunterricht für alle Schülerinnen und Schüler, um deren Verständnis für Toleranz, Demokratie, Freiheit und Menschenrechte zu schärfen.“ Der LSVD begrüßt die entschlossene wie moder- ne Haltung der rot-roten Koalition, an der geplanten staatlichen Werteerziehung festzuhalten. Die zum Teil hitzige Debatte über Ehrenmorde, die durch die Berichterstattung über die vom LSVD Berlin- Brandenburg organisierte Mahnwache anlässlich der Ermordung der türkeistämmigen Hatun Sürücü sowie durch die kompromisslose Haltung der türkei- stämmigen Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates für die Rechte von Mädchen und Frauen entfacht wurde, hat die enorme Bedeutung der Wertevermittlung erneut unterstrichen. Auch die AG homosexuelle Lehrer in der GEW spricht sich ganz klar für das geplante integrative Senatskonzept aus und hat dem LSVD Unter- stützung zugesagt: „Wir schließen uns der Meinung des LSVD an, dass nur eine gemeisname Auseinandersetzung mit Fragen der Welt- anschauungen und Lebensauffassung für unsere Schülerinnen und Schüler sinnvoll sein kann. Wir plädieren dafür, dass die AG homosexueller Lehrer und der LSVD der Rahmenplankommission gemein- sam zur Seite stehen.“ Eine Alternative „Werteunterricht oder Eisdiele?“ darf es nicht geben. Jörg Litwinschuh, geb. 1968, leitet das Aufklärungsprojekt „Berlin steht zusammen“ des LSVD Berlin-Brandenburg. Schwänzen verboten Werte müssen durchgesetzt werden VON JÖRG LITWINSCHUH Toleranz gegenüber Lesben und Schwulen muss an der Schule vermittelt werden. RE_02_05+ 14.06.2005 12:29 Uhr Seite 20

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