respekt_heft_02_07_2005

politik ! 8 02/05 E s scheint so, als habe Johannes Paul II. den polnischen Lesben und Schwulen noch im Tod eins auswischen wollen. Am 22. April sollte in Krakau der Christopher Street Day stattfin- den. Doch nach dem Tod des Papstes brach in Polen eine „Massenhysterie“ aus, so Tomasz Baczkowski von der polnischen „Fundacja Równosci“ (Stiftung für Gleichberechtigung) und „Kampagne gegen Homophobie“ (KPH). Die Ereignisse des letzten Jahres, als der CSD von katholischen Jugendgruppen und Neonazis mit Eiern und Steinen angegriffen wurde, drohten sich zu wiederholen. Und so traf man die bittere Ent- scheidung, die geplante Demonstration abzusagen. Kaum besser die Situation in Warschau: Hier ver- suchte Bürgermeister Lech Kaczynski, die für den 11. Juni geplante „Gleichberechtigungsparade“ (Parada Równosci) zu verbieten. Ein Jahr zuvor, im Juni 2004, war ihm dies noch gelungen. Die Begründung damals: die Parade sei „sexuell obszön“, eine „Gefahr für die öffentliche Moral” und verletze die religiösen Gefühle Dritter. Doch in die- sem Jahr gaben sich die Organisatoren von der Stiftung für Gleichberechtigung, einem Bündnis aus KPH, Lambda Warschau und ILGCN Polen nicht so schnell geschlagen. Kaczynski will polnischer Präsident werden und im Herbst sind Wahlen. Mit offen homosexuellen- feindlicher Politik, so glaubt er zumindest, kann er die Wähler hinter sich scharen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass Kaczynski damit auf das richtige Pferd setzt. Denn Homosexuellenfeindlich- keit ist in Polen weit verbreitet. Und das liegt nicht nur am polnischen „Nationalhelden” Johannes Paul II., der bekanntlich wenig übrig hatte für Lesben und Schwule. Der Katholizismus spielt sicherlich eine wichtige Rolle, doch die Homophobie der Polen lässt sich nicht allein damit erklären. „Sechzig Jahre lang war Homosexualität kein Thema bei uns“, erklärt Tomasz Baczkowski. „Das ist für die meisten etwas Fremdes, die Menschen haben einfach Angst.“ Und mit Angst vor dem Fremden lässt sich gut Politik machen: Als der EU-Beitritt auf der Tagesordnung stand, warnten rechtspopulistische Europa-Gegner davor, die internationale Seuche der Homo- sexualität werde das Land heimsuchen. In- zwischen, so meint Baczkowski, sei Homophobie weiter verbreitet als der Antisemitismus, ein weite- res großes Problem in Polen. In einer Umfrage, wen man auf keinen Fall zum Nachbarn haben wolle, rangieren Schwule auf Platz zwei hinter Zigeunern. Kaczynski nutzt dieses Klima für seinen homo- sexuellenfeindlichen Populismus. Am 18. Mai ver- kündet er, er werde die Gleichberechtigungsparade CSD 2005 in Warschau. Von links: Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck, Tomasz Baczkowski (KPH), sowie die LSVD-Vorstände Günter Dworek (hinten) und JacquesTeyssier. Foto: A. Zinn „Die Menschen haben einfach Angst“ Wie Lesben und Schwule in Polen gegen Homophobie kämpfen RE_02_05+ 14.06.2005 12:29 Uhr Seite 8

RkJQdWJsaXNoZXIy MjY0Njc=