respekt_heft_02_07_2005

politik ! auch 2005 wieder verbieten. Kaczynski wörtlich: „Ich bin Befürworter der Toleranz, aber Gegner der Unterstützung schwulorientieren Verhaltens. Hier bleibt alles beim alten. Ich sage ab.“ Ein Schlag ins Gesicht der Organisatoren der Parade, die mit Kaczynskis persönlichem Referenten wochenlang verhandelt und sich über die Demo-Route und – Auflagen geeinigt hatten. Am Vortag, dem Internationalen Tag gegen Homophobie, hatten sie das Ergebnis der Verhandlungen auf einer Pressekonferenz präsentiert. Ein Schlag ins Gesicht aller Demokraten! Kaczynski ist offenbar der Ansicht, er könne über demokratische Grundrechte wie die Versamm- lungsfreiheit nach Gutsherrenart verfügen. Doch die Organisatoren kennen das Spiel inzwischen. Und sie haben dazugelernt. Auf der juristischen Ebene werden alle Hebel in Bewegung gesetzt. Schnell wird auch internationale Unterstützung mobilisiert. Auch der Lesben- und Schwulenverband, der nach dem CSD-Verbot 2004 bereits die Spenden- Aktion „Gay Solidarnosc” initiiert hatte, wendet sich mit einem Appell an Präsident und Regierung Polens. In dem Aufruf heißt es, die Menschen- rechte seien unteilbar. Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender hätten das Recht, „mit Demonstrationen auf ihre Probleme und ihre politi- schen Forderungen aufmerksam zu machen". Innerhalb weniger Tage werden 48 Bundestags- abgeordnete als Unterstützer gewonnen. Auch international findet der Aufruf breite Resonanz. Über 3000 Organisationen und Einzelpersonen unterzeichnen ihn. Zwei Tage vor dem Termin der Parade sind die Organisatoren optimistisch, Kaczynski diesmal in die Schranken weisen zu können. Mit prominenter Unterstützung, so hofft Tomasz Baczkowski, werde die Demonstration wie geplant durchgeführt. Zu einer gleichzeitig stattfindenden Konferenz gegen Homophobie hatten die Organisatoren vorsorglich prominente Referenten eingeladen, u.a. die ehema- lige Menschenrechtsbeauftragte der Bundes- regierung, Claudia Roth, und den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen- Bundestagsfraktion, Volker Beck. Als Schirmherrin der Konferenz konnte die stellvertretende polnische Premierministerin Izabela Jaruga-Nowacka gewon- nen werden. 11. Juni, 12 Uhr: mehrere tausend Lesben, Schwule und Sympathisanten versammeln sich vor dem polnischen Parlament „Sejm“. Sie lassen sich weder von einem Großaufgebot Polizei noch von rechtsradikalen Gegendemonstranten davon abhalten, ihr Recht einzufordern. In einem langen Marsch ziehen sie durch Warschaus Innenstadt zum Kulturpalast. Ein Sieg für Polens Lesben und Schwule. Ein Sieg für die Demokratie! Alexander Zinn 9 02/05 Respekt: Warum hat die Kampagne gegen Homophobie den Krakauer CSD nach dem Tod von Johannes Paul II. abgesagt.? Baczkowski: In Polen war eine Massenhysterie ausgebrochen. Alle liebten den Papst, auch wenn keiner auf ihn hörte. Den CSD in dieser Situation durchzuziehen, hätte uns mehr geschadet, als genützt. Respekt: Keiner hörte auf den Papst? Ist er nicht mitschuldig an der verbreiteten Homo-sexuellen- feindlichkeit? Natürlich war der Papst ein Teil des Problems, vor allem, weil man ihn nicht kritisieren durfte. Die pol- nische Homophobie hat aber auch mit sechzig Jahren Kommunismus zu tun: Homosexualität wurde vollkommen tabuisiert. Sie wurde nicht ein- mal bestraft, es gab sie in der öffentlichen Wahrnehmung gar nicht. Bis heute trauen sich bekannte Schauspieler und Politiker nicht, sich zu ihrer Homosexualität zu bekennen. Wie war deine Reaktion, als der Papst gestorben ist? Mir war klar, dass das kein gutes Zeichen ist für den Krakauer CSD. Etwas verwundert war ich, dass mich viele deutsche Freunde anriefen, um mir ihr Beileid auszusprechen. Als Ratzinger gewählt wurde, habe ich sie dann alle zurückgerufen und gratuliert. Wird sich die Lage für Lesben und Schwule in Polen jetzt verbessern? Es dauert vielleicht noch ein Jahr. Aber nach einer Zwischenphase, glaube ich, wird es einfacher wer- den für unsere Arbeit. In Deutschland haben viele Angst, dass uns nach der Wahl Ratzingers zum Papst nun „polnische Verhältnisse” blühen. Das glaube ich nicht. In Deutschland hat es doch sofort nach der Wahl auch heftige Kritik an Ratzinger gegeben – so etwas wäre in Polen nicht möglich gewesen. Aber es kann natürlich schon sein, dass sich eine neue konservativ-religiöse Front formiert. Als ich Stoiber nach Ratzingers Wahl im Fernsehen gesehen habe, wie er seinen Kopf unterwürfig zur Seite legte, das erinnerte mich doch sehr an einige rechtskonservative Politiker in Polen. Interview: Alexander Zinn Massenhysterie nach Papst-Tod Tomasz Baczkowski zur Situation in Polen Tomasz Baczkowski engagiert sich in der „Kampania Przeciw Homofoblii“. Die polnische Organisation kämpft gegen Homophobie und organisiert die CSD`s in Krakau uns Warschau Foto: Baczkowski RE_02_05+ 14.06.2005 12:29 Uhr Seite 9

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