Heft 3 (September 2005)

Respekt: Herr van Essen, die FDP hat auf ihrem Parteitag im Mai beschlossen, die ver- bleibenden Benachteiligungen eingetragener Lebenspartnerschaften beseitigen zu wollen. Bezieht sich das auch auf das Steuerrecht? Van Essen: Selbstverständlich. Der Parteitag hat hier eine klare Aussage getroffen, das hat mir sehr gut gefallen. Unser Wahlprogramm hat diese Forderung auch aufgenommen. Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte haben. Das Ehegattensplitting wollte die FDP Lebenspartnern im vergangenen Jahr noch nicht zugestehen. Ehrlich gesagt geht es uns um eine Neujustierung des Steuerrechts. Das Realsplitting erscheint uns da wesentlich gerechter. Aber eines ist ganz klar: so lange es das Ehegattensplitting gibt, muss es auch für schwule und lesbische Paare gelten. Ungleichbehandlungen kann man allenfalls in einer überschaubaren Übergangsphase hinnehmen. Wäre es nicht am konsequentesten, die Ehe für Lesben und Schwule zu öffnen wie in Spanien? Damit ließen sich die Benachteiligungen von Lebenspartnern auf einen Schlag beseitigen. Das wird möglicherweise irgendwann kommen. Dass die Lebenspartnerschaft einfacher umzu- setzen war, ist aber nicht zu übersehen. Wenn man jetzt Radikallösungen fordert, bilden sich neue Widerstände. Wer Erfolg haben will, muss die Gesellschaft mitnehmen. Bislang ist das gut gelungen. Höre ich da ein leises Lob für die rot-grüne Bundesregierung? Aber nein! Die Koalition ist beim Adoptionsrecht auf halber Strecke stehen geblieben. Das hätte man ohne die Zustimmung des Bundesrates umsetzen können. Aber die SPD hat gemauert und die Grünen haben sich da flach gemacht wie eine Flunder. Bei den Grünen gab es ja sogar offenen Widerstand: ich erinnere nur an Antje Vollmer. Es gab die Befürchtung, das Adoptionsrecht sei nicht vermittelbar... Schauen Sie sich die Diskussion um die Stiefkindadoption an. Hat es da einen Aufstand gegeben? Nein, die Bevölkerung ist weit genug dafür. Die FDP fordert das Adoptionsrecht auch noch nicht so lange... Das Adoptionsrecht ist ohne Zweifel der Kumulationspunkt für Vorbehalte. Auch bei der FDP hat es eine intensive Diskussion gegeben. Einige Kollegen hatten große Bedenken. Wir haben uns in zwei Fraktionssitzungen ausschließlich mit der Adoption beschäf- tigt, auch mit den ganzen Studien zu dem Thema. Bei der Abstimmung hat es schließlich nur eine Gegenstimme gege- ben. Das zeigt sehr deutlich, dass man bei diesem Thema auch überzeugen kann. Was sagen Sie zu der bayerischen Klage gegen die Stiefkindadoption? Ich habe da eine klare Meinung: null Chance! Da geht es um das Absichern der eigenen konserva- tiven Klientel. Mehr nicht. Während die FDP in den meisten Fragen für die volle Gleichstellung eintritt, will sie Lesben und Schwulen beim Antidiskriminierungsge- setz keinen zivilrechtlichen Schutz zugestehen. Warum? Die FDP tritt entschieden für den Abbau von Diskriminierung und Intoleranz ein. Dazu brauchen wir in Europa gemeinsame Standards und verbind- liche Antidiskriminierungsregeln. Die FDP ist aber auch der Überzeugung, dass es der falsche Weg ist, zu glauben, der Abbau von Diskriminierungen lasse sich nur per Gesetz verordnen. Was wir brauchen, ist eine Veränderung des Bewusstseins. Der Ausbau des geltenden Lebenspartnerschafts- politik ! 14 02/05 „Die Bevölkerung ist weit genug“ Jörg van Essen zur künftigen Gleichstellungspolitik der FDP Jörg van Essen ist Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestags- fraktion. Foto: Alexander Zinn

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