Heft 3 (September 2005)
landesverbän- 23 03/05 A uch 15 Jahre nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten DDR und BRD fällt es vielen schwer, die deutsche Geschichte zwischen 1945 und 1990 sozusagen doppelt zu denken. Zwar mussten sich die Ostdeutschen notgedrungen schnell und gründlich auf das westdeutsche System einstellen. Westdeutschen hingegen blieb es weitgehend selbst überlassen, den „Ost-Teil“ der jüngeren deutschen Vergangenheit in ihr Geschichtsbild aufzunehmen. Das gilt auch im Blick auf die Lesben und Schwulen in der DDR, auf ihr Alltagsleben und auf ihre Bemühungen, aus ihren Verstecken herauszukommen und Partei(en), Staat und Gesellschaft ihre Rechte abzutrotzen. Vorhandene Wissenslücken können bei der Tagung „Lesben und Schwule in der DDR“ geschlossen werden, die der LSVD Sachsen-Anhalt in Kooperation mit dem Caritasverband der Stadt Magdeburg veranstaltet. Sie findet am 22. und 23. Oktober in Magdeburg statt. In sieben Vorträgen, drei Seminaren und einer Podiumsdiskussion soll die Geschichte der Lesben und Schwulen in der DDR in allen ihren Facetten beleuchtet werden. Themen sind u.a. der Alltag von Lesben und Schwulen, die politisch-ideologische Haltung von Parteien und Staatsführung zur Homosexualität, die Entstehung und Entwicklung der Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR und die Versuche der Stasi, diese auszuspähen und zu behindern. Zwar ging die heute größte und sicher auch wichtigste und erfolgreichste Lesben- und Schwulen-Vereinigung in Deutschland, nämlich der LSVD, aus den oppositionellen BürgerInnenrechts-Bewegungen der Lesben und Schwulen in der DDR hervor und hat mit seinem Programm und mit seiner Organisationsform den entsprechenden westdeutschen Verband überflüssig gemacht. Aber wie es gerade zu dieser Art schwul-lesbischer BürgerInnenrechts-Arbeit kam und warum sie nicht nur in der DDR, sondern nun auch im vereinten Deutschland mit Blick auf immer mehr Gleichberechtigung von Homo- mit Heterosexuellen so nötig und so erfolg- reich ist, ist bislang wenig bekannt und wird kaum diskutiert. Auch die vor- handene Literatur hat daran bisher fast nichts geändert. Die geplante Tagung wird hier sicher einige Abhilfe schaffen können, zumal fast alle Referate von ProtagonistInnen dieser Bewegung(en) gehalten werden: Als Referenten konnten u.a. Prof. Dr. Kurt Starke, Chris Schenk, Dr. Uschi Sillge und Dr. Bert Thinius gewonnen werden. Was haben sie seinerzeit getan – und warum? Wie bewerten sie ihr damaliges Engagement heute? Wo stehen sie jetzt? Und weil auch in Ostdeutschland inzwischen fast eine ganze Generation nachgewachsen ist, kann die Tagung auch ihr und nicht nur älteren und jüngeren Westdeutschen hinsichtlich der eng verwandten Antihomosexualitäten in Ost und West eine einerseits recht fremde, andererseits aber auch sehr bekannte Welt aufschließen und Wissenslücken füllen. Allerdings führt der Tagungstitel ein wenig in die Irre: Der Blick richtet sich nämlich nicht auf alle 40 DDR-Jahre, sondern erfasst im Wesentlichen das dritte und vor allem das vierte Jahrzehnt der DDR. Dafür ist die Tagung um so breiter angelegt: thematisch, politisch, personell. Das verspricht nicht nur eine Bestandsaufnahme, sondern auch viel Diskussion und hoffentlich auch neuen Schwung. Aus dem Blick zurück in die DDR könnte so der Blick nach vorn in die Zukunft der Lesben- und Schwulenbewegung in Deutschland-Ost wie Deutschland-West werden. Weitere Informationen auf der Internetseite des LSVD unter: www.lsvd.de Geschichte doppelt denken Tagung über Lesben und Schwule in der DDR VON EDUARD STAPEL Der LSVD enstand aus der Bürgerrechtsbewegung in der DDR N achdem sich beim diesjährigen Verbandstag des LSVD-Landesverban- des Niedersachsen-Bremen ein neuer Vorstand gebildet hatte, gestal- teten wir, das alte und neue Dreiergespann, zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen. Den Auftakt bildete der Infostand „Flammende Herzen“ auf dem CSD Hannover im Mai 2005. Zahlreiche Kontakte zu Gruppen und Verbänden und ein Interview des Pressesprechers bei RadioFlora trugen zu einer größeren Bekanntheit im Lande bei. Auf dem CSD in Oldenburg präsentierten wir uns mit einem vielfältig aus- gestatteten Stand, der auf ein großes Interesse stieß, auch durch die neu prä- sentierte Chronik des LSVD (kann beim Landesverband angefordert werden). Viele Gespräche mit diskussionsfreudigen Lesben und Schwulen, aber auch mit sonstigen Bürgern der Stadt, machten das Interesse an der aktuellen poli- tischen Situation und den von Rot-Grün noch geplanten Gesetzesänderungen und -ergänzungen, z.B. zum ADG, deutlich. Eine weitere Aktivität des Landesverbandes bestand in einem Schreiben an die Fraktionen des niedersächsischen Landtages und den Ministerpräsidenten Christian Wulff, in dem besonders noch einmal auf die „Aktion 1:1“ (www. aktion-1zu1.de ) des LSVD verwiesen und entsprechendes Material zur Ver- fügung gestellt wurde. Bisher sind die Reaktionen hierauf ziemlich mager. Wichtig ist und bleibt aber nicht nur die Diskussion mit den Politikern, sondern auch die Information und das Gespräch mit den Betroffenen als Multiplikatoren für die Anliegen, auch zum Beispiel der Regenbogenfamilien, die nicht zuletzt eine Vielfalt von Herausforderungen zu bewältigen haben. Aus diesem Grunde veranstaltet der Landesverband am 24. November in Osnabrück einen Vortrag zu diesem Thema mit der Referentin des LSVD- Regenbogenprojekts, Dr. Elke Jansen. Weiterhin ist eine Podiumsdiskussion in Bremen geplant, voraussichtlich ebenfalls im November, zu den Rechten und Pflichten von Lesben und Schwulen. Neben LSVD-Vertretern sollen dazu Wissenschaftler und Politiker eingeladen werden. Mike Leibner „Flammende Herzen“ LSVD Niedersachsen-Bremen zeigt Präsenz
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