Heft 3 (September 2005)
projekte ! 24 03/05 H allo, ich bin Nick. Und lebe mit meiner Schwester Nellie bei unseren beiden Müttern. Die sind lesbisch und wir eine Regenbogenfamilie. Ich find‘s cool. Und Du? Ist Dein Vater schwul, Deine Mutter lesbisch? Dann komm zu uns in den Chat.“ So werden Sie begrüßt, wenn Sie – oder noch besser Ihre Kinder – auf die LSVD-Internetseiten für Kinder und Jugendliche aus Regenbogenfamilien stoßen. Mit einer lesbischen Mutter oder einem schwulen Vater in Deutschland aufzuwachsen, ist noch lange nicht selbstverständlich. Kontakt zu Gleichaltrigen zu finden, die diesen familiären Hintergrund teilen, ergibt sich nicht zwangsläufig in Schulen, Sportvereinen oder in der Nachbarschaft. Oder, wie es Rebecka in einem Interview im fluter, dem Onlinemagazin der Bundeszentrale für politische Bildung, im April 2003 sagte: „Meine Mütter kennen zwar mittlerweile einige Frauen- und Männerpaare mit Kindern, die sind jedoch meist wesentlich jünger als ich. Ein Chatroom oder Anlaufstellen bei der Jugendhilfe wären super!“ Diesem Bedarf kommt das Projekt „Regenbogenfamilien“ des LSVD seit Anfang Juli nach. Unter www.kids.lsvd.de führen Nick und Nelli Kinder und Eltern durch verschiedene Informationen zum Thema und laden die Kids jeden Mittwoch zwischen 17 und 19 Uhr zum Chatten ein. Kids, die mitmachen wollen, sind eingeladen, über eine persönliche Registrierung die eigenen Zugangsdaten zu erhalten. In den ersten drei Wochen machten bereits 15 Jugendliche von Neubrandenburg bis Köln und von Hamburg bis Nürnberg davon Gebrauch. Seid herzlich willkom- men! Elke Jansen Dr. Elke Jansen leitet das Projekt Regenbogen- familien des Lesben- und Schwulenverbandes. Das Projekt wird ermöglicht durch die Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. „Ich finds cool“ Chat für Kinder aus Regenbogenfamilien Z wei Jahre war es still um ERMIS Stuttgart. Doch pünktlich zum CSD hat sich die Gruppe zurückgemeldet. Pantelis Botsas, der schon beim ersten Gründungsversuch dabei war, beginnt den Neuaufbau in enger Zusammenarbeit mit dem LSVD Baden-Württemberg und der bereits seit sie- ben Jahren erfolgreich in Köln aufgestellten ERMIS-Gruppe. ERMIS Stuttgart soll in erster Linie als Anlaufstelle für (nicht nur) griechische Frauen und Männer jeden Alters dienen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Menschen schwul, lesbisch oder bisexuell sind. Warum aber brauchen sie eine eigene Gruppe? Die religiösen Riten und moralischen Vorstellungen der grie- chisch-orthodoxen Kirche sind nicht nur in Griechenland überall präsent. Und die Kirche wird nicht müde, Homosexualität zu verteufeln. Eine freie Entfaltung der eigenen Sexualität ist durch diese moralischen Richtlinien und durch die feste Verbundenheit zur Familie geradezu unmöglich. Durch die Zusammenarbeit von ERMIS in Deutschland mit dem Lesben- und Schwulenverband „OLKE“ in Griechenland wurde in den letzten Jahren eine schwierige Aufgabe bewältigt. In der griechischen Öffentlichkeit hat ein wichti- ger Prozess begonnen, der unabdingbar ist für die Integration in die Europäische Union: Es wird über Homosexualität diskutiert. Ein Tabu ist gebrochen. Doch diese Diskussion soll nicht nur allein auf Griechenland beschränkt bleiben, denn auch hier leben genügend Frauen und Männer in einem inne- ren Zwiespalt zwischen dem, was sie fühlen, und dem, was sie leben. Hier in Deutschland ist diese Arbeit besonders schwer, weil die Migranten mit den Regeln groß werden, die im Ursprungsland vor 40 Jahren gegolten haben. Durch die jahrelange Trennung vom Heimatland und die schleppende Integration in Deutschland kam der gesellschaftliche Fortschritt, der im Heimatland stattgefunden hat, hier nicht an. Und diese Lücke will ERMIS Stuttgart mit seiner Arbeit versuchen zu schließen. Durch die regionale Präsenz soll die Aufklärungsarbeit in dem Bundesland vorangetrieben werden, in dem die meisten Griechen in der Bundesrepublik leben. So wird ERMIS Stuttgart auf jeden Fall am erfolgreichen Konzept der Greek- und Oriental-Gay-Party weiterarbeiten und hoffentlich bald genug Leute zusammen haben, die so ein Fest wieder zu einem Erlebnis machen. Auch wenn es für viele unmöglich scheint, werden wir diesmal mehr in die Öffentlichkeit gehen und so auf die Problematik von Schwulen und Lesben aus Migrantenfamilien aufmerksam machen. Diesen Schritt scheuen verständli- cherweise viele. Aber er ist notwendig, um etwas zu erreichen. Doch soll auch klar sein, dass niemand gegen seinen Willen geoutet wird. Jeder ist so öffentlich oder anonym, wie er es für sich selbst entscheidet. Für die Zukunft der Gruppe wünscht sich Pantelis, dass sich Menschen finden werden, die diese Gruppe auch organisatorisch mittragen, so dass unabhängig von den regelmäßigen Gruppentreffen auch gemeinsame Veranstaltungen geplant werden können. ERMIS trifft sich ab sofort jeden Mittwoch um 20 Uhr in der Weißenburg. Dieser Termin wird sich sicherlich im Laufe der nächsten Monate verändern. Deshalb werden alle Interessenten gebeten, sich auf der ERMIS-Internetseite www.ermis.de die aktuellen Termine herauszusuchen oder sich direkt mit Pantelis in Verbindung zu setzen. Die Kontaktdaten befinden sich auch am Ende dieses Heftes (Seite 26). Harald Immer Ein Leben im Zwiespalt Griechische Lesben und Schwule gründen ERMIS Stuttgart neu
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