Heft 3 (September 2005)

3 03/05 editorial ! D eutschland vor der Wahl: Insbesondere bei Lesben und Schwulen ist die Verunsicherung groß, wie es künftig weitergeht. Droht uns ein Rollback in der Lesben- und Schwulenpolitik, wenn Angela Merkel tatsächlich die nächste Bundeskanzlerin wird? Ein Rückfall in die 50er Jahre, wie manch einer befürchtet? Oder haben sich CDU und CSU homopolitisch inzwischen so weit bewegt, dass es unter einer konservativen Regierung sogar zu kleinen Fortschritten kommen könnte? Zum Beispiel zu steuerlichen Verbesserungen für Lebenspartner, wie andere glauben? Die aktuelle Respekt versucht Antworten zu geben. Um die Parteien auf ihr lesben- und schwulen- politisches Profil abzuklopfen, hat der LSVD neun Wahlprüfsteine verschickt. Die Antworten sind auf unseren Sonderseiten zur Wahl dokumentiert (ab Seite 6). Weil Theorie und Praxis auch in der Lesben- und Schwulenpolitik oft auseinanderklaffen, haben wir darüber hinaus führende Politiker zu den realpolitischen Perspektiven der Parteiprogramme befragt. Vom CDU-Rechtsexperten Jürgen Gehb sind da zum Beispiel bemerkenswerte Töne zu hören: „Für mich ist lesbisch oder schwul sein einfach Normalität in unserer heutigen Zeit. Ich empfinde es als gut und richtig, wenn dies auch in der Schule seinen Niederschlag finden würde.“ (Seite 11) Zur Politik seiner Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen will das allerdings gar nicht passen: Kaum im Amt, hatte die neue Schulministerin Barbara Sommer (CDU) dort nichts besseres zu tun, als die Verteilung einer Aufklärungsbroschüre über Homosexualität zu stoppen. Die Broschüre für Lehrer sollte helfen, im Unterricht für mehr Toleranz zu werben. Das Schulministerium sah darin jedoch Werbung für Homosexualität und ließ auch gleich noch die zugehörige Internetseite sperren (Seite 5). Auch Politiker der anderen Parteien haben wir zur Rede gestellt. Den ehemaligen SPD-Generalsekretär Olaf Scholz befragten wir, warum die Sozialdemokraten bei vielen schwul-lesbischen Reformprojekten so zögerlich vorgehen (Seite 8). Von Grünen-Chefin Claudia Roth wollten wir unter anderem wissen, was die Grünen gegen homosexuellenfeindliche Vorurteile unter Einwanderern unter- nehmen (Seite 12). Im Interview mit Jörg van Essen, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, versuchten wir zur klären, was von den liberalen Forderungen nach Gleichstellung in einer Koalition mit CDU und CSU übrig bliebe (Seite 14). Und Lothar Bisky, Chef der Linkspartei.PDS, befragten wir zu den Differenzen zwischen Theorie und Praxis der sozialistischen Gleichstellungspolitik (Seite 16). Der LSVD gibt keine Wahlempfehlung zugunsten einer bestimmten Partei. Wir raten aber dazu, nur solchen Parteien die Stimme zu geben, die sich für die volle rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen einsetzen. Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung! Lesen Sie die Antworten auf die LSVD-Wahlprüfsteine. Und kommen Sie auf eine der LSVD-Podiumsdiskussionen zur Wahl: am 2. September in Köln oder am 8. September in Berlin (Seite 5). Theorie und Praxis Alexander Zinn Pressesprecher des LSVD Alexander Zinn

RkJQdWJsaXNoZXIy MjY0Njc=