Heft 3 (September 2005)
news ! 5 03/05 Skandal um „Rosa Listen“ Nachdem bekannt wurde, dass die Polizei Homosexuelle in Bayern, Thüringen und Nordrhein-Westfalen in so genannten „Rosa Listen“ speichert, hat der Lesben- und Schwulenverband die Innenminister der betroffenen Länder in einem Schreiben aufgefordert, die beschriebene Praxis sofort zu unterbinden. Die Datenschutzbeauftragten aller Länder wurden aufgefordert, die jeweilige Polizeipraxis und die verwendeten Computerprogramme im Hinblick auf den bekannt gewordenen Skandal zu überprüfen. LSVD-Sprecher Manfred Bruns erklärte, es sei „unfassbar, dass derartiges im Jahr 2005 in Deutschland noch möglich ist“. Die „Rosa Listen“ erinnerten an die dunklen Kapitel der deutschen Geschichte, als Homosexuelle staatlich geächtet und verfolgt wurden. In den Computersystemen „IGVP“ und „PVP“ kann die Polizei in Bayern, Thüringen und Nordrhein-Westfalen ihre Ermittlungsergebnisse und die betei- ligten Personen der Kategorie „homosexuell“ zuordnen. Mit dem Kürzel *omosex* ist es den Ermittlern möglich, sämtliche entsprechenden Datensätze abzurufen, einschließlich der Personalien der gespeicherten Personen. Bei der beschriebenen Praxis geht es nicht etwa um die Aufklärung von homosexuel- lenfeindlichen Gewalt- und Straftaten. Vielmehr werden Personen aufgrund von dubiosen Kriterien wie dem „Aufenthaltsort von Homosexuellen“ gespeichert. CDU verbietet Handbuch zu Homosexualität Kaum im Amt, zog die neue Düsseldorfer Schulministerin Barbara Sommer (CDU) Ende Juli ein Handbuch zum Thema Homosexualität aus dem Verkehr. Das Buch soll Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit dem Thema Homosexualität unterstützen und für Toleranz werben. Es war mit EU-Förder- mitteln und in Kooperation mit mehreren anderen EU-Ländern entwickelt worden. Ministeriumssprecher Oliver Mohr erklärte, die Broschüre sei nicht tragbar: „Wir wollen nicht für homosexuelle Lebensformen werben“, so Mohr. Der LSVD Nordrhein-Westfalen protestierte umgehend gegen die Zensur der neuen Ministerin. In einem Schreiben wurde Sommer aufgefordert, ihre Entscheidung zurückzunehmen. „Die Akzeptanz homosexueller Lebensweisen in unserer Gesellschaft steht und fällt mit der Aufklärung in der Schule“, erklärte LSVD-Sprecher Arnulf Sensenbrenner. Noch immer sei „schwule Sau“ eines der häufigsten Schimpfworte auf Schulhöfen. Das Schulministerium zeigte sich unbeeindruckt von der Kritik. Im Gegenteil: wenige Tage später wurde auch die Internetseite, auf der die mehrsprachige Broschüre bis dahin dokumentiert war, abgeschaltet. Proteste der europäi- schen Partnerländer änderten daran nichts. Der LSVD hat die Broschüre aber rechtzeitig gesichert: Unter www.lsvd.de kann sie heruntergeladen werden. Plakate beschädigt – und neu geklebt Die Kampagne des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg „Cigdem ist lesbisch – Vera auch“ sorgt für Wirbel: einige der Großplakatflächen wurden bereits kurz nach dem Start der Kampagne Mitte Juni beschädigt. So auch diese Fläche an der Karl-Marx-Straße 50 in Berlin-Neukölln. Der LSVD nahm die Bekundung der Intoleranz zum Anlass, die Fläche gemeinsam mit Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) neu zu bekleben. „Wir können Intoleranz und Diskriminierung gegenüber Lesben und Schwulen nicht dulden“, erklärte Buschkowsky dazu. „Einen Tag vor dem Christopher Street Day setzen wir mit dieser spontanen Aktion ein Zeichen für Respekt und Gleichberechtigung. Alle Bürger sind aufgefordert, Homosexuellenfeindlichkeit entschlossen entgegenzutreten.“ Hintergrund der Kampagne sind verbreitete Vorurteile, Hass und Gewalt gegenüber Lesben und Schwulen. Besonders in einigen Migrationscommunitys gibt es noch große Toleranzprobleme. Hier setzt die Kampagne an, um für Respekt und Anerkennung zu werben. Neuköllns Bürgermeister beim Plakate-Kleben. Foto: Alexander Zinn Abschiebung von Asylbewerber verhindert Der Protest des Lesben- und Schwulenverbandes und vieler Einzelpersonen hatte Erfolg: Ende Juli konnte die Abschiebung des iranischen Asylbewerbers Andre Aragoli verhindert werden. Aragoli war kurz vor seiner Hochzeit auf einem Frankfurter Standesamt verhaftet und in Abschiebehaft genommen wor- den. In seiner Heimat droht ihm wegen seiner Homosexualität die Todesstrafe. Sein Asylantrag war im Oktober 2004 mit der Begründung abgewiesen worden, Aragoli müsse sich im Iran ja nicht homosexuell betätigen. Der LSVD Landesverband Hessen und der Bundesverband hatten daraufhin bei Behörden und Politikern protestiert. Beim Frankfurter Christopher Street Day wurde auch Bundesjustizminsterin Brigitte Zypries (SPD) auf den Fall angespro- chen. Aufgrund der Proteste wurde Aragoli schließlich aus der Abschiebehaft entlassen. Wenige Tage später konnte er seinen Freund in Frankfurt heiraten. Podiumsdiskussionen zur Bundestagswahl Anlässlich der Bundestagswahl lädt der LSVD zu zwei Podiumsdiskussionen mit Parteienvertretern ein. Thema sind die Perspektiven der Lesben- und Schwulenpolitik. In Köln findet die Podiumsdiskussion am Freitag dem 2. September um 20 Uhr statt. Eingeladen wurden Dr. Lale Akgün (SPD), Ursula Heinen (CDU), Volker Beck (Bü 90/Die Grünen), Michael Kauch (FDP) und ein Vertreter/eine Vertreterin der Linkspartei.PDS. Die Veranstaltung findet im Großen Saal der Ev. Antoniterkirche in der Antoniterstr. 14-16 statt. In Berlin findet die Podiumsdiskussion am Donnerstag dem 8. September um 19 Uhr statt. Eingeladen wurden Wolfgang Thierse (SPD), Prof. Monika Grütters (CDU), Markus Löning (FDP), Wolfgang Wieland (Bü 90/Die Grünen) und Petra Pau (Linkspartei.PDS). Veranstaltungsort ist das Rathaus Schöneberg, Saal 195, John-F.-Kennedy-Platz.
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