Heft 3 (September 2005)
politik ! 7 03/05 1. Schutz vor Diskriminierung Trotz erfreulicher Fortschritte im gesellschaftlichen Klima gegenüberLesbenundSchwulen kommt es immer wieder zu Diskriminierungen. Viele Lesben und Schwule fürchten Nachteile imBeruf, wenn ihre Lebensweise bekannt wird. Schwulen Männern werden oft Lebens- und Krankenversicherungen pauschal verweigert. Ein umfas- sendes Antidiskriminierungs- gesetz ist längst überfällig. 2. Lebenspartnerschaften Das Gesetz zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft ist ein großer gesellschaftspoli- tischer Fortschritt. Gleiche Rechte bringt es aber noch nicht. Im Sozialrecht werden Lebenspartner beispielsweise voll in die Pflicht genommen, im Steuerrecht dagegen wie Fremde behandelt. Das ist unsinnig und ungerecht. Unsere Vision bleibt die Öffnung der Ehe, wie in Spanien. Unser konkretes Ziel ist die volle Gleichstellung der Lebenspartnerschaft. 3. Regenbogenfamilien Viele Lesben und Schwule leben mit Kindern, tragen Verantwortung für deren Erziehung und Wohlergehen. Die Benachteiligung gleich- geschlechtlicher Familien muss beendet werden. Sie müssen steuer- und sozial- rechtlich gleichgestellt wer- den. Es gibt keinen sachlichen Grund, gleichgeschlecht- lichen Lebensgemeinschaften die Familiengründung durch Adoption, Pflegschaft oder Insemination zu verwehren. 4. „Transsexuellengesetz“ Das Transsexuellengesetz von 1981 entspricht nicht mehr dem heutigen Kenntnisstand. Es ent- hält zahlreiche Regelungen, die mit der Würde des Menschen unvereinbar sind. Transgender müssen das Recht haben, ihre Lebensweise selbst zu bestim- men – bei der Ausgestaltung ihrer Geschlechtsidentitätwie bei ihrer Partnerwahl. Das faktische Ehe- bzw. Partnerschaftsverbot für Menschen, die ihren Vornamen geändert haben, muss aufgeho- ben werden. 5. Denkmal für NS-Opfer In der Vergangenheit wur- den die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus in der Gedenkkultur fast vollständig übergangen. Am 12. Dezember 2003 hat der Deutsche Bundestag die Errichtung eines Denkmals für die homosexuellen NS-Opfer beschlossen. Es soll die Erinnerung an das Unrecht wach halten und ein bestän- diges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen. Der künstle- rische Wettbewerb und der Bau des Denkmals müssen zügig umgesetzt werden. 6. Hassverbrechen Lesben, Schwule und Transgender werden häufig beleidigt, angepöbelt und kör- perlich angegriffen. Oftmals handelt es sich um gezielte anti- homosexuelle Angriffe. Diese Hassverbrechen gehen oft von organisierten Jugendgangs aus, aber auch von Rechtsradikalen und anderen ideologisch moti- vierten Tätern. Hier gilt es, gezieltePräventionsmaßnahmen zu entwickeln und dauerhaft zu fördern. Programme zur Bekämpfung rechtsextremer und minderheitenfeindlicher Gewalt müssen alle Gruppen, gegen die sich Hassverbrechen richten, einbeziehen. Das gilt auch für Maßnahmen zur Opferhilfe. 7. Migration und Integration Viele Zuwanderinnen und Zuwanderer in Deutschland stammen aus traditionell orien- tierten Kulturen, die geprägt sind von patriarchalen Rollen- erwartungen und der Tabui- sierung und Kriminalisierung von Homosexualität. Die Folgen sind mangelnde Toleranz und Diskrimi-nierung von Lesben und Schwulen. Integrations- maßnahmen müssen die Le- benssituation von Lesben und Schwulen, sowie Werte der Zivilgesellschaft wie Gleich- berechtigung und Nichtdiskrimi- nierung vermitteln. 8. Menschenrechte Die Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität stellt eine schwere Verletzung der universellen Menschenrechte dar. In rund 70 Staaten ist gleichgeschlecht- liche Liebe strafbar. In minde- stens sieben Staaten droht die Todesstrafe. Deutschland muss das Thema Menschenrechte und sexuelle Identität weiter- hin offensiv innerhalb der UNO vertreten und darauf hinwir- ken, dass schwullesbische Organisationen einen offiziellen Status bei den UN erhalten. 9. Bürgerrechte in Europa Auch in Europa ist es um die Bürgerrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern mancherorts noch schlecht bestellt. Die Europäische Union war bisher ein Motor für den Abbau von Diskriminierungen. Das muss so bleiben – weitere Antidiskri minierungsregelungen wie das 12. Protokoll zur EMRK müssen von Deutschland ratifiziert und zügig umgesetzt werden. Auch die europaweite Anerkennung von Lebenspartnerschaften ist längst überfällig. Wahlprüfsteine des LSVD Bürgerrechte für Lesben und Schwule schaft: Grüne, FDP und Linkspartei wollen hier die volle Gleichberechtigung auch im Steuerrecht. Die SPD will diesen Punkt noch „prüfen“. Die CDU winkt dagegen ab, weil der „verfassungs- rechtliche Spielraum für eine Gleichstellung mit der Ehe bereits ausgefüllt“ sei. Eine erstaunliche Interpretation, hatte das Bundesverfassungsgericht demgegenüber doch 2001 festgestellt, dass die Lebenspartnerschaft mit den gleichen Rechten wie die Ehe ausgestattet werden dürfe. Deutliche Unterschiede zeigen sich auch beim Antidiskriminierungsgesetz: Während SPD, Grüne und Linkspartei Lesben und Schwule auch im Zivilrecht schützen wollen, lehnen dies Union und FDP unter Verweis auf die „Vertragsfreiheit“ ab. Bei der Anerkennung von Regenbogenfamilien zeigen sich ebenfalls klare Differenzen: Grüne, FDP und Linkspartei befürworten ein gemeinsames Adoptionsrecht für schwule und lesbische Paare, während die SPD hier zunächst die weitere gesell- schaftliche Entwicklung abwarten will. Beim Recht auf künstliche Befruchtung sind die Unterschiede noch deutlicher: Während Grüne und Linkspartei auch hier Ja sagen, will die FDP erstmal „prüfen“. Die SPD äußert sich zu diesem Punkt gar nicht. CDU und CSU lehnen jede rechtliche Verbes- serung für Regenbogenfamilien unter Verweis auf ein „von der Natur vorgegebenes Grundprinzip, dass jedes Kind eine Mutter und einen Vater hat“, ab. Unklar bleibt, ob die Union die von Rot-Grün eingeführte Stiefkindadoption, gegen die Bayern erneut vor dem Verfassungsgericht klagt, wieder abschaffen will. Der CDU-Rechtsexperte Jürgen Gehb versichert im Respekt-Interview zwar, dass man „am beste- henden Lebenspartnerschaftsgesetz nicht rütteln“ wolle. Auch wünscht er sich ein „ausgewogenes Verhältnis“ von Rechten und Pflichten. Ob das Verbesserungen im Steuerrecht einschließt, bleibt aber ebenso unklar wie die Frage, wer sich bei der Union nach einer gewonnenen Wahl durchsetzt. Aufgeschlossenen Politikern wie Gehb stehen dort knallharte Gegner der Homo-Ehe wie Paul Kirchhof und Edmund Stoiber gegenüber. Neben den programmatischen Aussagen zu den LSVD-Wahlprüfsteinen sind aber auch stra- tegische Fragen interessant. Zum Beispiel die, was vom FDP-Programm übrig bleibt, wenn die Liberalen mit der Union koalieren. Wäre es mehr als die Bewahrung des Status quo beim Lebens- partnerschaftsgesetz? Solche Fragen müssen sich aber auch SPD, Grüne und Linkspartei gefallen lassen. Nach aktuellen Umfragen hätten sie allen- falls zusammen eine Mehrheit, doch zusammen- arbeiten wollen sie nicht. Bliebe also nur eine große Koalition. Doch was würde die SPD in einer solchen Konstellation für Lesben und Schwule durchsetzen? Und nicht zu vergessen: welchen Einfluss hätte die jeweilige Opposition?
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