respekt_heft_22_2015

10 11 respekt | bundesverband! respekt | bundesverband! V or Verfolgung, vor Gefahr für Leib und Leben fliehen auch Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LSBT) nach Deutschland. Im Prinzip ist die Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität laut der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU ein anerkannter Asylgrund. Auch aufgrund einer generellen, auf Abschottung setzenden und bisweilen zynischen Flüchtlingspolitik sind die Hürden jedoch sehr hoch, um nach Deutschland zu gelangen, um hier asylberechtigt zu sein und um hier Asyl zu erhalten. Denn Asyl kann man nur in Deutschland selbst beantragen. Deutschland hat sich aber mit einem Ring „sicherer Drittstaaten“ umgeben. Wer über Land einreist, wird in die Nachbarländer zurückgescho- ben, über die eingereist wurde. Und ein Flugzeug kann man in der Regel nur mit einem Visum benutzen. In Deutschland müssen Asylbewerbende, die wegen Verfolgung auf- grund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität geflohen sind, glaubhaft machen, dass sie LSBT sind. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind detaillierte Befragungen zu sexuellen Praktiken, psychologische Gutachten und medizinische Tests sowie das Einbeziehen von intimen Fotos unzulässig. Wenn es ein Flüchtling nicht schafft, sich gleich bei der ersten Anhörung zu outen, darf das nicht mehr dazu führen, dass der angegebene Fluchtgrund als „übersteigertes Vorbringen“ abgetan wird. Doch ein subjektives Moment bleibt. Es ist nie auszuschließen, dass sich die Befragenden des Bundesamts für Migration (BAMF) letztlich an den eigenen Stereotypen orientieren, wie LSBT aussehen oder sich verhalten. Hier ist noch viel Aufklärung notwendig. Zum anderen müssen die Antragstellenden glaubhaft vortragen, dass sie in ihrem Herkunftsstaat wegen ihrer LSBT-Identität Verfolgung erlebt haben bzw. dass ihnen Verfolgung droht. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe für gleichgeschlechtliche Sexualität ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine Verfolgungshandlung, wenn sie tatsächlich droht. Der EuGH hat auch der bisherigen Praxis einen Riegel vorgeschoben, das Asylgesuch mit der Begründung abzulehnen, die Asylbewerbenden brauchen keine Verfolgung zu befürchten, wenn sie ihre Sexualität nur privat im Verborgenen praktizie- ren. Aber wenn die Asylbewerbenden sich nicht ausdrücklich auf Angst vor Verfolgung berufen, sondern nur erklären, sie hätten ihre Sexualität nicht praktiziert, um die Familie nicht zu kompromittieren, werden sie mit der Begründung abgelehnt, das könne ihnen weiterhin zugemutet werden. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Asylbewerbenden von Anfang an kompetent beraten werden. Aber wo finden sie kompetente Rechtsberatung? In ihrer Sprache? Was gibt jemand Preis, der gelernt hat, über die eigene Identität zu schweigen, um zu überleben? Woher wissen sie, ob sie gegenüber den dolmetschen- den Landsleuten oder dem BAMF offen sein können? Hier muss in der Behördenpraxis noch viel verändert werden. Der LSVD setzt sich für faire Asylverfahren ein, die kultursensibel geführt werden. Dafür braucht es ein neues Leitbild, das offensiv mit der alt herge- brachten Haltung bricht, LSBT-Flüchtlinge möglichst abzuwehren und ihre Verfolgung herunterzuspielen. Erinnert sei nur daran, dass Deutschland in den 1990er-Jahren mit Ghana und Senegal auch zwei Länder zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt hatte, in denen in der Regel keine Verfolgung drohe, obwohl in beiden Staaten Homosexualität strafrechtlich verboten ist. Diese Einstufung ist bis heute nicht korrigiert. LSBT-Flüchtlinge müssen Thema und Zielgruppe in den Aktionsplänen gegen Homo- und Transphobie werden, sowohl auf nationaler als auch auf Landesebene. Wir machen uns stark für die menschenwürdige Aufnahme, Unterbringung und Unterstützung von Flüchtlingen. Unsere Gesellschaft und ihre Behörden müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit Menschen, die sich hierher geflüchtet haben, in Deutschland keinerlei rassistischen, homo- und/oder transphoben Anfeindungen ausgesetzt sind. Markus Ulrich www.lsvd.de/recht/andere-rechtsgebiete/asylrecht.html LSBT-Flüchtlinge in Deutschland Vom Regen in die Traufe? B inationale Paare haben oft große Probleme, ihren Wunsch nach einem gemeinsamen Leben in Deutschland in die Tat umzusetzen. Unproblematisch ist die Einreise von Aus­ ländern aus EU-Staaten. Sie benötigen für die Einreise kein Visum und für den Aufenthalt in Deutschland keine Aufenthaltserlaubnis. Sie müs- sen sich lediglich binnen drei Monaten nach der Einreise bei der zuständigen Meldebehörde polizeilich anmelden. Bei Ausländern aus Nicht- EU-Staaten (sogenannte Drittstaaten) ist die Rechtslage günstig, wenn sie für Kurzaufenthalte in Deutschland mit bis zu drei Monaten kein Visum brauchen (sogenannte Positivstaater). Eine entsprechende Staatenliste findet man auf der Webseite des Auswärtigen Amtes. Diese Paare können sich zunächst durch gegenseitige Besuche kennenlernen und schließlich während eines Besuchsaufenthalts der ausländischen Partner die Lebenspartnerschaft eingehen. Die Ausländer erhalten dann eine Aufenthaltserlaubnis zur Führung der Lebenspar tnerschaft, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind. Die Aufenthaltserlaubnis ist zugleich eine Arbeitserlaubnis. Wenn dagegen Ausländer aus Drittstaaten auch für Kurzbesuche in Deutschland ein Visum brau- chen (sogenannte Negativstaater), sind Besuche der Ausländer in Deutschland meist nicht mög- lich. Viele deutsche Auslandsvertretungen lehnen Anträge von jungen Leuten auf Besuchsvisa for- melhaft mit der Begründung ab, es sei zu befürch- ten, dass die jungen Menschen endgültig in Deutschland bleiben wollen. Dagegen können die Ausländer zwar klagen, aber die Klagen sind aus- sichtslos, weil es sich bei den Ablehnungen um Ermessensentscheidungen handelt. Als Ausweg bleibt dann nur ein Antrag auf Erteilung eines Visums zur Eingehung der Lebenspartnerschaft mit dem deutschen Partner. Zu diesem Zweck sollten sich die bei- den die notwendigen Papiere besorgen. Der in Deutschland lebende Partner sollte dann beim Standesamt klären, ob die Papiere ausreichen und wann die Trauung stattfinden kann. Das sollte er sich vom Standesamt bescheinigen lassen. Mit dieser Bescheinigung sollte dann der Ausländer bei der deutschen Auslandsvertretung das Visum zur Eingehung der Lebenspartnerschaft mit sei- nem Par tner in Deutschland beantragen. Der in Deutschland lebende Partner sollte mit der Bescheinigung beim Ausländeramt beantragen, dass es der Erteilung des Visums zustimmt. Steht nämlich der Termin für die Eintragung der Partnerschaft fest, muss das Visum erteilt wer- den, wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört der Nachweis, dass sich die Ausländer in einfacher Form in Deutsch verständi- gen können. Das geschieht in der Regel durch das Zertifikat A1 eines Goethe-Instituts. Davon wird in der Regel eine Ausnahme gemacht bei Ausländern, die einen Hoch- oder Fachhochschulabschluss oder eine entsprechende Qualifikation besitzen. Die Erteilung eines Visums für die Eingehung einer Lebenspartnerschaft mit Deutschen darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Deutschland gesichert ist. Anders wenn der in Deutschland lebende Partner ebenfalls Ausländer ist. Dann muss aus- reichender Krankenversicherungsschutz, ausrei- chender Wohnraum und ein so hohes Einkommen nachgewiesen werden, dass keine Leistungen nach SGB II (Arbeitslosengeld II) oder SGB XII (Sozialhilfe) in Anspruch genommen werden müssen. Manfred Bruns Ratgeber für binationale Paare Wie erhält man ein Visum? Thema und Zielgruppe für Aktionspläne Unterschiedliche Paare, unterschiedliche Hindernisse Manfred Bruns, LSVD-Bundesvorstand Weitere Hinweise und Antworten: www.lsvd.de/recht/ratgeber-zum- lpartg/11-auslaender-und-staats- angehoerigkeitsrecht.html www.lsvd.de/recht/kurzratgeber- muster/familiennachzug-von- auslaendern.html Beratungshotline: recht@lsvd.de Foto: LSVD Sie konnten beisammen nicht kommen „Sexuelle Minderheiten als Flüchtlinge“ - Thema einer Veranstaltung des LSVD zusammen mit Quarteera und der jüdischen Flüchtlingsorganisation HIAS Foto: LSVD

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