respekt_heft_22_2015

8 9 respekt | bundesverband! respekt | bundesverband! D as Bundesverfassungsgericht hat mit sei- ner Entscheidung vom 22.10.2014 (2 BvR 661/12) zum Arbeitsrecht der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen seine fast dreißig Jahre alte Rechtsprechung bestätigt, dass die Arbeitsgerichte die Vorgaben der katholischen Kirche ungeprüft übernehmen müssen. Dieses Urteil ist völlig unverständlich. Viele Menschen werden damit in Geiselhaft der katholischen Morallehre genommen, denn kirchliche Träger haben vieleror ts praktisch ein Monopol bei Einrichtungen im Sozial-, Gesundheits- und Erziehungswesen. Lesben und Schwulen, die bei katholischen Trägern arbeiten, wird praktisch abverlangt, dass sie sich so tarnen und verste- cken wie in früheren Zeiten staatlicher Verfolgung. Sonst droht die Kündigung. Das ist einer demokra- tischen Gesellschaft unwürdig. Der LSVD kämpft dafür, dass zumindest der Gesetzgeber endlich die gesellschaftlichen Realitäten anerkennt und der unhaltbaren und unmenschlichen Praxis der Katholischen Kirche einen Riegel vorschiebt. Dieser Kampf für eine grundlegende Ver­ änderung im kirchlichen Arbeitsrecht braucht langen Atem. Wir sehen uns daher auch in der Verantwortung, denjenigen ehrlich mit Rat zur Seite zu stehen, die im Hier und Jetzt bei katho- lischen Trägern beschäftigt sind, auch wenn uns der Inhalt der Ratschläge in keiner Weise gefallen kann. Auch nach der nicht nachvollziehbaren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die Situation von Lebenspar tnerinnen und Lebenspartnern, die bei Einrichtungen der katho- lischen Kirche tätig sind, nicht ganz aussichtslos. So ist eine Kündigung nicht möglich, wenn die verpartnerten Beschäftigten der katholischen Kirche zwar mit einem gleichgeschlechtlichen Par tner zusammenleben, aber geheim halten, dass sie sich verpartnert haben. Die katholische Kirche meint zwar in ihrem Weltkatechismus (Nr. 2359), „Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen.“ Aber es gibt bisher keine offizielle Verlautbarung der deutschen katholischen Bischöfe, dass das unver- par tner te Zusammenleben von Beschäftigten mit einem gleichgeschlechtlichen Partner einen „Loyalitätsverstoß“ darstellt, der zur Kündigung berechtigt. Das ist aber nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts notwendig, damit sich die Beschäftigten darauf einstellen können. Davon abgesehen können die Partner behaup- ten, dass sie nur als Freundinnen bzw. Freunde zusammenleben und keinen Sex miteinander haben. Auf die Möglichkeit, sich „mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft“ zu stützen, wer- den die Homosexuellen auch im katholischen Weltkatechismus hingewiesen (Rn. 2359). Wenn die Partner Dritten nichts über ihr „Sexleben“ erzählten, kann ihre Behauptung, sie lebten nur „platonisch“ zusammen, nicht widerlegt werden. Eine Kündigung ist dann nicht möglich. Wenn verpar tner te Beschäftigte der Katho­ lischen Kirche ihre Verpartnerung so geheim hal- ten, dass diese erst durch die Kündigung oder den Kündigungsschutzprozess bekannt wird, haben die Lebenspartner auch im Kündigungsschutzprozess gute Karten. Da die katholische Kirche das unver- bindliche Zusammenleben von gleichgeschlecht- lichen Partnern nicht als Loyalitätsverstoß wer- tet, beeinträchtigt das heimliche Eingehen einer Lebenspar tnerschaft, von der niemand etwas weiß, die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung nicht. Was verpar tner te Beschäftigte der katho- lischen Kirche unternehmen sollten, damit ihre Verpartnerung nicht bekannt wird, haben wir aus- führlich in unserem Ratgeber dargelegt. Wenn der katholische Arbeitgeber von der Verpartnerung erfährt und eine Kündigung androht oder ausspricht, sollte man nicht gleich aufgeben. Wenn man richtig taktiert, kann man zumindest eine Abfindung durchsetzen. Auch dazu finden sich in unserem Ratgeber ausführliche Hinweise. Manfred Bruns Neuer Ratgeber text für verpar tner te Beschäftigte der katholischen Kirche Zwang zur Geheimhaltung Die deutsche Bischofskonferenz hat kürzlich eine neue Grundordnung für die Beschäftigen beschlossen, die es den einzelnen Bischöfen überlässt, wie sie mit verpartnerten Beschäftigten um- gehen. Wir raten vorerst zur Vorsicht. Ratgeber: www.lsvd.de/recht/kurzratgeber-muster/ kuendigung-durch-katholische-kirche. html Kündigungsschutzprozess nicht chancenlos Foto: Caro Kadatz 6. März 2015: Die „Saarbrücker Zeitung“ berichtet von einer Hetzjagd. Drei Neonazis hatten in der Stadt Merzig ein schwules Paar beim Einkauf in einem Supermarkt lautstark als „widernatürlich“ beschimpft, verfolgt und massiv bedroht. Vom Personal des Supermarkts griff offenbar niemand ein. Einer von vielen Fällen, in denen sich hasserfüllte Homo- oder Transphobie in Beleidigungen, Bedrohungen, Schlägen oder Tritten austobt. 19. März 2015: Der Bundestag beschließt ein Gesetz zur stärkeren Ahndung von Hasskriminalität. Auf den Weg gebracht und politisch verantwortet hatte es Bundesjustizminister Heiko Maas, der auch SPD-Vorsitzender im Saarland ist. Durch eine Änderung im Strafrecht soll erreicht werden, dass Hasskriminalität bei der Strafzumessung stärker gewichtet wird und dass die Staatsanwaltschaft menschen- verachtende Motive der Täter bei ihren Ermittlungen schon frühzeitig und besser aufklärt. Benannt werden „rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ Ziele der Täter. Von homophob oder transphob motivierten Gewalttaten findet sich im Gesetzestext kein Sterbenswörtchen. Sehr weit hinten in der Begründung findet man dann den Hinweis, dass unter der Sonstiges-Rubrik auch die „sexuelle Orientierung“ eines Opfers verstanden werden könne. Diese Ungleichbehandlung, dieses Abschieben ins „Sonstige“ ist für die Opfer ein Tritt in die Kniekehle. Denn alle Erfahrung zeigt: Wenn homo- und transphobe Hasskriminalität nicht ausdrücklich im Gesetz benannt ist, finden diese Beweggründe in der Praxis der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen kaum Beachtung. Wer macht sich schon die Mühe, im Bundestagsarchiv nachzuforschen, was da mal in der Begründung stand? Auch für die eminent wichtige Aus- und Fortbildung von Polizeikräften und Justizpersonal muss man vorhersa- gen: Was nicht im Gesetz steht, findet dort nicht statt. Wir haben hier ein klassisches Beispiel kalter struktureller Exklusion. Dabei hieß es noch im Koalitionsvertrag für die derzei- tige Bundesregierung so schön: „Wir verurteilen Homophobie und Transphobie und werden entschieden dagegen vorgehen.“ Schon bei der ersten Gelegenheit, das in konkrete Politik umzusetzen, hat die Koalition ihr Versprechen gebrochen. Und sie wussten, was sie taten. Der LSVD hatte in einer eindringlichen Stellungnahme Alarm geschla- gen, auch in der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages gab es massive Kritik am selektiven Vorgehen. Gefruchtet hat es nichts. Die Bundesregierung hat alle Einwände der Fachleute ignoriert und sich auf keinerlei Diskussion eingelassen. Im Bundestag betonten zwar einige Redebeiträge, homophobe Gewalt sei schon mitgemeint. Ein Argument, warum sie dann nicht mitgenannt wird, war aber nicht zu hören. Es ist unfassbar: Ende des 19. Jahrhunderts hatte Oscar Wilde den Satz geprägt, Homosexualität sei eine „Liebe, die in diesem Jahrhundert ihren Namen nicht nen- nen darf“. Jetzt im 21. Jahrhundert ist Homophobie eine Form der Hasskriminalität, die im deutschen Strafrecht immer noch nicht genannt werden darf. Nun muss der LSVD wieder einmal viel Energie aufwenden, ein schlechtes Gesetz nachzubessern. Denn auch symbolische Gesetzgebung ist gefährlich, wenn sie falsche Signale sendet. Und das geschieht hier, indem Homo- und Transphobie unter „ferner liefen“ verbucht werden. In anderen westlichen Ländern, die sich ernsthaft um eine Erfassung und Sichtbarmachung des Problems der Hasskriminalität bemühen, zeigen die Statistiken: Angriffe wegen der sexuellen Orientierung bilden mit über 20 Prozent nach rassistischen Gewalttaten die zweitgrößte Gruppe der Hassdelikte – so z.B. die letzten Zahlen aus den USA. In Deutschland herrscht dagegen bei homo- und transphober Gewalt ein skandalöses „Under-reporting“. Das neue Gesetz sorgt dafür, dass das so bleibt. Das kann nicht das letzte Wort sein. Günter Dworek Schweigen über Homo- und Transphobie Ein Hass, den man nicht beimNamen nennen will Nachbesserung erforderlich Foto: Burghard Mannhöfer

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