respekt_heft_23_2016

hirschfeld-eddy -stiftung! 15 I ch will Euch nicht persönlich angreifen, aber Eure Länder sind in unsere Länder gekommen und haben sich mit Gewalt genommen, was ihnen nicht gehörte. Und sie haben Gesetze gegen Homosexualität hinterlassen.“ Mit diesem Satz brachte die kenianische Anwältin Imani Kimiri die Asymmetrie im Verhältnis zwischen den Ländern des Nordens und des Südens bei einem Treffen mit der Yogyakarta-Allianz auf den Punkt. Der theoretische Hintergrund zu dieser Position heißt postkoloniale Kritik. Diese Theorie sieht im Kolonialismus eine wesentliche Ursache für die globalen Machtverhältnisse und auch für die Verfolgung von Homosexuellen in vielen afrikanischen Staaten. Es geht ihr darum, nicht mehr in den Kategorien zu denken, die für den Kolonialismus typisch waren. Sie ist der Denkrichtung der Dekonstruktion verpflichtet und fundamental machtkritisch. Und sie ist ein Aufruf zur Selbstkritik, zur Reflexion von Privilegien und Machtverhältnissen. Ihr Fokus liegt auf der Repräsentation, betrifft also Fragen der Darstellung, des Umgangs und der Idee vom Anderen. Immer mehr beschäftigt dieser in Universitäten entwickelte, kritische Ansatz auch Aktivist_innen. Was bedeutet er für die politische Praxis? Die postkoloniale Theorie gibt kaum Empfehlungen. Im Gegenteil hält postkolonial informierte Kritik bspw. die Entwicklungszusammenarbeit der deut- schen Regierung für grundsätzlich fragwürdig. Als Fundamentalkritik verstanden vermittelt postkoloniale Kritik gerade auf Menschen, die an Gerechtigkeit orientiert sind, den Eindruck, dass in diesem globalen Kontext ohnehin nur falsch und daher lieber gar nicht gehandelt werden sollte. Besonders unter denjenigen, die sich für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter* im globalen Süden einsetzen, zeigt sich eine große Vorsicht und Verhaltenheit. Wer sich z.B. für LSBTIQ in Kenia engagieren will, hat das Bedürfnis, mit den Partner_innen auf Augenhöhe zu sprechen - gleichzeitig ist das laut postkolonialer Analyse, nicht möglich. Was tun? Dieser Frage widmet sich die Yogyakar ta-Allianz. Die Yogyakar ta-Allianz ist ein postkolonial orientier tes Bündnis. Sie hat sich 2012 als Initiative der Zivilgesellschaft in Berlin gegründet. Benannt ist die Allianz nach den Yogyakar ta-Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität (SOGI) von 2006. Die Yogyakarta-Allianz ist in ihrer Ausrichtung einzigartig. Ihr Arbeitsprinzip lautet „Do no harm – but do something.“ Wir diskutieren aktuelle Themen aus dem internationalen Diskurs immer mit dem Fokus auf Menschenrechte für LSBTIQ. Im transnationalen Austausch mit Aktivist_innen sensibilisieren wir deutsche Politik für die Belange von LSBTIQ aus dem Globalen Süden und Osten. Auch Intersektionalität ist uns wichtig. Deshalb bemühen wir uns, People of Colour und migran- tische Gruppen in unsere Arbeit einzubeziehen und setzen uns mit Rassismus im Nord-Süd-Dialog auseinander. Das Auswärtige Amt und das Bundesministe- rium für wir tschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bitten uns um Stellungnahmen. Wir sind in Kontakt mit Durchführungsorganisationen wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, werden für Workshops angefragt und vernetzen uns international auf Konferenzen. Eine engagierte Kerngruppe der Yogyakarta- Allianz trifft sich regelmäßig in Berlin. Interessierte aus der Entwicklungszusammenarbeit, aus migrantischen Organisationen oder kirchlichen Hilfsorganisationen sind herzlich willkommen. Sarah Kohrt Leitung LGBTI-Plattform Menschenrechte www.hirschfeld-eddy-stiftung.de/ vernetzung/yogyakarta-allianz Yogyakar ta-Allianz: ein postkolonial orientier tes Bündnis Auf Augenhöhe? Yogyakarta-Allianz sucht transnationalen Austausch wie z.B. mit Aktivist_innen des Programms Global Changemates. Foto: Hirschfeld-Eddy-Stiftung Postkoloniale Herausforderung für die Praxis Einzigartige Ausrichtung der Yogyakarta-Allianz

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