respekt_heft_25_2018

14 15 respekt | bundesverband! respekt | starke projekte! S eit Sommer 2015 setzt sich der LSVD mit dem Modellprojekt „Beratungskompetenz zu Regenbogenfamilien“ dafür ein, dass Regenbogenfamilien in Zeiten familiärer Herausforderungen und Belastungen leichter eine fachkundige Begleitung und Unter­ stützung in wohnortnahen Beratungsstellen finden können. In der Vergangenheit scheuten sich lesbische Mütter, schwule Väter und transgeschlechtliche Eltern häufig, eine solche Unter­ stützung zu nutzen, aus der Sorge, Berater*innen könnten zu wenig über ihre Familienform wissen und ihnen möglicherweise mit Vorbehalten begegnen. In unserem Modellprojekt, das bis Sommer 2018 vom Bundes­ ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird, geben wir Fachkräften in Beratungseinrichtungen bundesweit in Fortbildungen Gelegenheit, sich mit den Herausforderungen und Potenzialen von Regenbogenfamilien vertraut zu machen. Diese Angebote finden großen Anklang, so dass wir bis zum Ende der Förderperiode in elf Bundesländern in über 50 Ver­ anstaltungen gut 1.000 Berater*innen sensibilisieren und in ihrer Regenbogenkompetenz fördern konnten. Hiermit liegen wir weit über unseren im Antrag formulierten Erwartungen. Um professionell und möglichst diskriminierungsfrei mit den Themen der sexuellen und geschlechtlichen Identität und der Vielfalt von Familienformen in der Beratung umgehen zu können, ist es über einen reinen Wissenserwerb hinaus unerlässlich, auch den eigenen Gefühlen, Vorurteilen und Werten in Bezug auf diese junge Familienform nachzuspüren im Wissen um die Relativität eigener Vor­ stellungen und Wertmaßstäbe. In den Schulungen hat sich gezeigt, dass eigene Geschlechtsrollenkonzepte und die damit verbundenen Vorstellungen von Elternrollen hier ebenso wesentlich sind. Ebenso zentral ist die bewusste Wahrnehmung der Vielfältigkeit reprodukti­ onsmedizinischer Einflüsse auf unsere gesamte Familienlandschaft und die Suche nach eigenen Positionen. Im Mai 2017 haben wir in der Fachtagung „Regen­ bogenfamilien bewegen! Beratung zukunftsträchtig gestal­ ten“ einige dieser Themen intensiver beleuchtet. Die Online- Dokumentation der Tagung auf der Projekthomepage www.regenbogenkompetenz.de vermittelt durch vielfältige Text- und Videobeiträge einen lebendigen Einblick in die Vorträge, Foren und Diskussionen. Ergänzend wird im Juni 2018 ein Trainingsmanual erschei­ nen, in dem wir die projekteigenen Methoden, Erkenntnisse und Empfehlungen einer breiteren Fachöffentlichkeit zugänglich machen. Lesbische Mütter, schwule Väter, transgeschlechtliche Eltern, ihre Kinder und LSBTI* in der Familienplanung, die eine fachkundige Begleitung und Beratung nutzen wollen, finden regenbogenkompe­ tente Beratungsstellen auf der Projekthomepage im Menü „Beratung finden“. Sie können auch Ausschau halten nach unseren Postern, Post­ karten und Flyern, mit denen Beratungsstellen Regenbogenfamilien ausdrücklich willkommen heißen und zeigen, dass sie sich mit der Familienform vertraut gemacht haben. Interessier te Beratungsstellen können unsere Materialien mit Signalwirkung weiterhin über unsere Projekthomepage bestellen (Menü „Das Material“). Durch die Fortbildungen, die im Rahmen des Förderzeitraumes durchgeführt werden, können wir naturgemäß nur einen begrenz­ ten Teil von Fachkräften und Institutionen erreichen. So freuen wir uns, dass wir unsere Fortbildungen „Beratungskompetenz zu Regenbogenfamilien“ auf Honorarbasis auch nach Sommer 2018 anbieten können. Interessierte Beratungsstellen und Institutionen können sich gerne wenden an Dr. Elke Jansen (elke.jansen@lsvd.de , Tel. 0221-925 961 15). Dr. Elke Jansen & Kornelia Jansen Projekt „Beratungskompetenz zu Regenbogenfamilien“ www.regenbogenkompetenz.de Ein Projekt TO GO Beratungskompetenz zu Regenbogenfamilien Wie Medien über Lesben, Schwule, Bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen (nicht) berichten M igrant*innen mit Kopftuch, Men­ schen, die an Rollstühle „gefesselt“ sind und Artikel über „Geschlechts­ umwandlungen“ und „Schwulenparaden“. Der Berichterstattung über sogenannte „Randgruppen“ gingen der LSVD, die Leid­ medien und die Neuen Deutschen Medien­ macher*innen in der gemeinsamen Ver­ anstaltungsreihe „Die Salonfähigen“ nach. Zusammen mit der Bundesvereinigung Trans* (BVT*) gestalteten wir den Abend über Transgeschlechtlichkeit und Homo- bzw. Bisexualität. Caroline Ausserer (BVT*) wies zu Beginn auf die oftmals reißerischen Artikel über transgeschlechtliche Menschen hin. Die Nennung der alten Namen („dead names“), die Abbildung früherer Fotos, eine über­ griffige Reduzierung auf Genitalien und die Verwendung falscher Personalpronomen prägen die medialen Narrative. Trans­ geschlechtlichkeit wird mit sexueller Orientierung durcheinander gebracht. Nicht- binäre Menschen kommen so gut wie nie vor. Die Transition von Menschen wird als „Umwandlung“ beschrieben oder jemand wird „plötzlich zur Frau bzw. Mann“. Dabei erleben transgeschlechtliche Menschen ihr Coming-out und ihre Transition viel eher als Angleichung an ihre vielleicht lange Zeit verheimlichte Geschlechtsidentität. Ar tikel über Transgeschlechtlichkeit wären vielmehr eine gute Gelegenheit, um über normieren­ de Vorstellungen von Geschlecht bzw. von Weiblichkeit und Männlichkeit nachzuden­ ken oder die Diagnose einer psychischen Störung als bis heute notwendiges Kriterium für eine Anerkennung der Geschlechtsiden­ tität zu skandalisieren. Wünschenswer t wäre es auch, über die Forderungen der Community oder anhaltende Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen zu berichten. Anschließend stellte LSVD-Pressesprecher Markus Ulrich Beobachtungen zur Dar­ stellung von Homosexualität vor. Er ver­ wies auf die von der MaLisaStiftung initiierte Studie „Audiovisuelle Diversität? Geschlech­ terdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland” der Universität Rostock von 2017, die zu dem Ergebnis kam, dass offen homosexuelle oder bisexuelle Akteur*innen fast nie vorkamen. Zudem werden über alle Fernseh-Programme hinweg zu 2/3 Männer gezeigt. Wenn Frauen vorkommen, dann als junge Frauen. Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund werden nur halb so häufig im Fernsehen gezeigt, wie sie in der Bevölkerung vertreten sind. Diese Ungleichheiten aufgrund anderer Kategorien sozialer Differenz bilden sich dann auch in der Berichterstattung über Lesben und Schwule ab. Gibt man Homosexualität in die Bildersuchprogramme ein, erscheinen als erste Ergebnisse beinah ausschließlich weiße Männerpaare, eher jüngeren Alters und ohne sichtbare Behinderung. Die Unter­ schiedlichkeit innerhalb der Community wird nicht abgebildet. Bisexualität fällt eben­ falls oft unter den Tisch. Ulrich verwies auch auf Formulierungen wie „schrille Paraden“, „bekennende Homosexuelle“ oder „Homosexuellenmilieu“. Diese zeugen eher von einer verkrampften statt selbstverständ­ lichen Berichterstattung. Jüngst machten reißerische Artikel eine angebliche „Sex-Broschüre“ für Kita-Kinder zum Skandal. Der rechtspopulistische Kampfbegriff der „Frühsexualisierung“ durfte da natürlich nicht fehlen. Sonst regelmäßig um die Meinungsfreiheit „besorgte Bürger“ forderten ein Verbot der Broschüre, dem sich die CDU in Berlin vorsichtshalber gleich anschloss. Der Skandal basierte auf Lügen: Die Handreichung war ausdrücklich nur für Erzieher*innen bestimmt. Sexuelle Praktiken waren überhaupt kein Thema, sondern eine Sensibilisierung für geschlechtliche und fami­ liäre Vielfalt. Die Berichterstattung war ein Paradebeispiel, wie der Kampf um Akzeptanz im politischen Feld der Bildungspolitik und Repräsentation ausgetragen wird. Ausführlicher Bericht unter www.lsvd-blog.de/?p=16689 Die „Salonfähigen“ Für den LSVD begrüßte Henny Engels (LSVD- Bundesvorstand, 2. Bild), für den BVT* Mari Günther (3. Bild) Fotos: Andi Weiland / Gesellschaftsbilder.de

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