Respekt Heft 26
12 respekt | bundesverband! I m letzten Jahr hat sich im Bereich Asyl viel getan. Vieles davon geht auf den Einsatz von unzähligen LSBTI-Organisationen und Aktivist*innen in ganz Deutschland zurück. Mit dem Projekt „Queer Refugees Deutschland“ trägt der LSVD hierbei bundesweit zur Vernetzung und zur Qualifizierung bei. Aber: Noch immer erhalten LSBTI-Geflüchtete aus Verfolgerstaaten regelmäßig vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) negative Asylbescheide. Oder sie finden nicht den Mut, sich wenige Tage nach Antragsstellung in den Anhörungen überhaupt zu outen. Dies liegt neben einer lebenslang angelernten Angst und Scham auch daran, dass Deutschland seinen EU-rechtlichen Verpflichtungen nicht nach- kommt. So ist in der EU-Verfahrensrichtlinie festgelegt, dass Deutschland im Asylverfahren Maßnahmen ergreifen muss, um besondere Verfahrens garantien für die Personengruppen sicherzustellen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage sind, ihre Verfolgungsgründe vorzubringen. Die bisher getroffenen Maßnahmen greifen da zu kurz. So werden Geflüchtete weder systematisch darüber informiert, dass ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität von entscheidender Bedeutung sein kann, noch dass man in Deutschland darüber sprechen kann! Auch die Sprachmittelnden werden nicht systematisch geschult, so dass uns viele LSBTI-Geflüchtete negative Erfahrungen berichten. Gleichzeitig schult jedoch das BAMF seit einigen Monaten systematisch alle Anhörenden und Entscheidenden zu Diversity-Themen. So gibt es eine interessante Zusammenarbeit zwischen unserem Projekt und dem BAMF für die neu eingesetzten BAMF-Beratenden. Diese zumeist ehemaligen Anhören den informieren und beraten Geflüchtete - vor allem aber nicht nur in den ANKER-Zentren – in Bezug auf das Asylverfahren. Dies ist nicht unumstritten. Denn: Das darf keinesfalls die unabhängige Asylberatung durch die freien Träger ersetzen! Jedoch bietet es auch Chancen: So schult das LSVD-Projekt diese Beratenden, wie sie in der Erstinformation und den Beratungs gesprächen systematisch zeigen können, dass es möglich und asylrechtlich relevant ist, im Verfahren die eigene Orientierung oder Identität offenzulegen. Auch beim Gewaltschutz in Sammelunterkünften ist noch viel zu tun, da Deutschland auch die EU-Aufnahmerichtlinie nicht umsetzt. Eine spannende Kooperation hat sich hier mit der Bundesinitiative zum Schutz geflüchteter Menschen in Flüchtlingsunterkünften ergeben. Geplant ist, die neu eingesetz- ten Gewaltschutzmultiplikator*innen dahingehend zu schulen, wie sie in den Sammelunterkünften in ihren jeweiligen Regionen Maßnahmen zum Schutz von LSBTI-Geflüchteten ergreifen können. Dazu bietet das LSVD-Projekt eine Reihe von Materialien - von Beratungsflyern, über Poster bis hin zu Aufklebern, die auf der Projektseite www.queer-refugees.de heruntergeladen werden können. Auch die Broschüre zum Thema Gleichberechtigung wurde neu aufgelegt. Sie wurde vom Arbeiter-Samariter-Bund zusammen mit dem Paritätischen und dem LSVD entwickelt und erklärt in nunmehr 13 Sprachen kurz und knapp die rechtliche Situation von Frauen und Männern bzw. von Menschen verschiedener sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität in Deutschland. Seit Dezember 2017 hat das Projekt zudem fünf Workshops mit geflüch- teten LSBTI-Aktivist*innen durchgeführt. Ziel dieser Workshops ist es, sie darauf vorzubereiten, einen bundesweiten Verein zu gründen und so ihre Stimme zu erheben. In den bisherigen fünf Workshops trafen sich insgesamt 27 Personen aus elf Bundesländern und dreizehn Herkunftsländern. Das Projekt wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Integration, Migration und Flüchtlinge bis Ende 2020 gefördert. Patrick Dörr und Lilith Raza LSVD-Projekt „Queer Refugees Deutschland“ Projekt „Queer Refugees Deutschland“ LSBTI-Geflüchteten zu ihrem Recht verhelfen Lilith Raza und Patrick Dörr leiten das Projekt Queer Refugees Deutschland Foto: Caro Kadatz
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