Respekt Heft 26

16 respekt | bundesverband! Der 31. LSVD-Verbandstag Coming-out für Europa U nter dem Motto „Coming-out für Europa. Vielfalt verteidigen, Respekt wählen“ fand in Berlin Ende März 2019 der 31. LSVD-Ver­ bandstag statt. Ein Schwerpunkt: Das internationale Engagement für Men­ schenrechte, Vielfalt und Respekt. Denn über 70 Länder kriminalisieren Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen. Das Recht auf körperliche Unversehrt­ heit, auf Privatsphäre, auf Meinungs-, Presse-, Vereinigungs- und Versamm­ lungsfreiheit ist in einer Vielzahl von Ländern nicht einmal ansatzweise gewährleistet. In vielen Fällen schü- ren religiöse und politische Führer ein Klima des Hasses. Polizei und andere Staatsorgane verweigern oft- mals jede Hilfe oder sind selbst an der Hetze, Erpressung und Gewalt beteiligt. Was kann Deutschland tun? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, bekräftigte im Gespräch mit Gulya Sultanova aus Russland, Ramy Khouili aus Tunesien sowie Sarah Kohrt von der Hirschfeld-Eddy-Stiftung sei- nen Einsatz für die Menschenrechte von LSBTI. Diese seien keine Sonderrechte, vielmehr ginge es um gleiches Recht für alle. Khouili empfahl vor allem das Berichtsverfahren im UN-Menschenrechts­ rat, während Sultanova, die Wichtigkeit der deutschen Vertretungen in Ländern wie Russland unterstrich. Sie könnten ihre Räume für LSBTI öffnen und würden mit dem Besuch von Veranstaltungen auch die Sicherheit der Aktivist*innen erhöhen. Kohrt verwies auf das notwendige und von der Regierung bereits versprochene Inklusionskonzept für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Auswärtige Politik. Damit würde Deutschland seiner historischen Verpflichtung für die unteilbaren und universellen Menschenrechte gerecht werden, engagierte LSBTI-Menschen­ rechtsverteidiger*innen in aller Welt unterstützen und den Akteur*­ innen der auswärtigen Politik und Entwicklungszusammenarbeit konkrete Zielsetzungen und Richtlinien liefern. Der LSVD fordert mit einer Resolution die baldige Verabschiedung des LSBTI- Inklusionskonzepts. Wie geht es weiter mit Europa? In Europa haben Austausch und Kooperation zwischen den EU-­ Mitgliedsstaaten viel Positives bewirkt. So war das EU-Parlament in den letzten Jahrzehnten immer Motor für Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung. Deutschland hätte ohne die EU nicht den Schutz vor Diskriminierung, den wir heute dank der EU-Richtlinien haben. Dragana Todorovic von unserem Projektpartner ERA (Equal Rights Association) aus Belgrad beschrieb, wie auch der West­ balkan dank der EU eine der dyna- mischsten Regionen für LSBTI und die Gesetzgebung zu Gleichstellung und Nichtdiskriminierung war. Mit Hilfe des Aufnahmeprozesses muss nun die Lücke zwischen der rechtlichen Situation und der gesellschaftlichen Wirklichkeit überbrückt werden. Doch auch das Ergebnis der Europawahlen hat inzwischen leider gezeigt, dass Fortschritte bei der rechtlichen und poli­ tischen Situation von LSBTI keineswegs selbstverständlich sind. Die erstarkten rechtspopulistischen, nationalistischen, und min- derheitenfeindlichen Parteien sind eine Gefahr für Europa und europäische Werte wie Gleichberechtigung, Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit. Das hat auch die Auswertung unserer Wahlprüfsteine gezeigt. So negiert etwa die AfD die bestehen- de EU-Kompetenz und gemeinsame Vertragsgrundlage für die Bekämpfung von Homophobie und Transfeindlichkeit, behauptet die Wirkungslosigkeit von EU-Mechanismen oder instrumentalisiert Themen für ihre rassistische Agenda. Bei Minderheitenrechten und Menschenrechten wird weiter starker Gegenwind wehen. Diskriminierungsverbot ins Grundgesetz Daher braucht es die Ergänzung des Gleichbehandlungsartikels Artikel 3, Absatz 3 um das Merkmal der sexuellen Identität. In ihrem Vortrag erläuterte Prof. Ulrike Lembke über den (fehlenden) verfassungsrechtlichen Schutz von sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität und beschrieb die Entwicklung der ent- sprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. In seiner 70jährigen Geschichte hat das Grundgesetz LSBTI lange Zeit nicht einmal vor schweren Menschenrechtsverletzungen geschützt. Mit den Urteilen aus Karlsruhe hat sich jedoch inzwi- schen eine Rechtsprechung herausgebildet, die das Verständnis von Geschlecht erweitert und die sexuelle Identität im Wesentlichen den Persönlichkeitsmerkmalen gleichstellt, die im speziellen Gleich­ heitssatz in Art. 3, Abs. 3 GG ausdrücklich genannt sind. Das sind große Fortschritte. Dass Karlsruhe aber immer wieder korrigierend Grußwort von Dr. Dirk Behrendt (Berliner Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung) Stefanie Schmidt (LSVD-Bundesvorstand)

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