Respekt Heft 26

35 respekt | länder! S eit Beginn der rot-rot-grünen Koalition in Berlin arbeitet der LSVD Berlin-Brandenburg mit Hochdruck daran, dass die im Koalitionsvertrag versprochene Krisenwohnung für von Zwangsverheiratung betroffene homosexuelle, bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen geschaffen wird. Über 13 Jahre Lobbyarbeit bei Verwaltungen, Parteien und Regierungen waren dem voraus gegangen. Als Träger dieser Einrichtung konnte die Arbeiterwohlfahrt Spree-Wuhle (AWO) gewonnen werden, die trotz des schwierigen Berliner Mietmarktes eine geeignete Wohnung akquirierte und von Frühjahr 2018 bis Frühjahr 2019 aus eigenen Mitteln finanzierte. Gemeinsam mit dem AWO Landesverband Berlin, dem AWO Kreisverband Spreewuhle und dem Berliner Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung erarbeiteten wir ein Projektkonzept für die Krisenwohnung. Im März 2019 waren endlich alle politischen und bürokratischen Hürden genommen. Die bislang leerstehen- de Wohnung darf seit April 2019 eingerichtet und anschließend genutzt werden. Für Hilfesuchende, denen Gefahr für Leib und Leben droht, ein wichtiger Ort. Eine Umfrage des Berliner Arbeitskreises gegen Zwangs­ verheiratung erfasste 570 Fälle von drohender oder bereits durchgeführter Zwangsverheiratung in Berlin in 2017. Bei der Hälfte von Zwangsverheiratung bedrohten oder betroffenen Männern war deren Homosexualität bekannt. Die Umfrage belegt die besondere Betroffenheit von LSBTI* Personen. Zwangsverheiratungen, aber auch sog. Gewalt im Namen der Ehre sowie häusliche Gewalt an LSBTI*, richten sich gegen die sexuelle und geschlechtliche Identität der Personen. Zwangsverheiratung wird hierbei oftmals als Instrument einer „erhofften Korrektur“ der Identität verwendet, um LSBTI* Personen in ihrer Identität um ihre Selbstbestimmung zu beschneiden und in eine heterosexuelle Beziehung zu zwängen. Da das Verlassen des gewaltvollen sozialen bzw. familiären Umfelds oft die einzige Möglichkeit ist, der Gewalt zu entgehen und nicht selten mit riskanten Bedingungen zusammenhängt, bedarf es akuter Schutzmaßnahmen für die Einzelpersonen. Die Bedarfe reichen von einer im Vordergrund stehenden sicheren und anonymen Unterkunft mit Kriseninterventionsmöglich­ keiten, bis hin zum Wiederaufbau eines selbstständigen Lebens. Besondere Bedarfe bei der Unterbringung gibt es bei homosexuellen cisgeschlechtlichen Männern und trans* Per­ sonen. Diese können derzeit nicht in sichere und anonyme Krisenunterkünfte vermittelt werden, da diese Schutzform größtenteils ausschließlich cisgeschlechtlichen Frauen vorbe- halten ist. So finden auch trans* Frauen oftmals keinen Zugang zu Frauenhäusern, da die Aufnahme am Status der Transition festgemacht wird. Darüber hinaus sind sie Diskriminierungen ausgesetzt und finden keine adäquate und sensibilisier te Betreuung. Lesbische cisgeschlechtliche Frauen finden weni- ger Hürden bei der Aufnahme in Hilfsstrukturen bei akuten Bedrohungsszenarien, sehen sich jedoch oftmals auch mit fehlender Sensibilisierung konfrontiert. Mit der Krisenwohnung für LSBTI* der AWO und des LSVD Berlin-Brandenburg soll diesem gefährlichen Vakuum in der Versorgung bedrohter LSBTI* nun Abhilfe geschaffen und allen von Zwangsverheiratung und Gewalt bedrohten LSBTI* ein inklusiver Schutz gewährleistet werden. Kontakt: Aileen Kakavand, LSVD Berlin-Brandenburg Aileen.Kakavand@lsvd.de Krisenwohnung in Berlin Foto: MILES Büroräume von MILES Für von Zwangsverheiratung betroffene LSBTI*

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