Respekt Heft 26

43 NACH UMWANDLUNG EINER LEBENSPARTNERSCHAFT IN EINE EHE Lebenspartner*innen, die ihre Partnerschaft in eine Ehe umwandeln, müssen nach Art. 3 Abs. 2 des Eheöffnungsgesetzes so behandelt werden, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Der Gesetzgeber wollte durch diese Regelung die letzten Unterschiede zwischen Ehegatt*innen und Lebenspartner*innen rückwirkend besei- tigen. Zu diesem Zweck sollten bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden. Die Steuerverwaltung befürchtete hohe Rück­ forderungen und behauptete deshalb, eine rück- wirkende Aufhebung schon bestandskräftiger Bescheide sei vom Gesetzgeber nicht gewollt. Sie hat deshalb die Finanzämter angewiesen, alle Anträge auf rückwirkende Neuveranlagung abzuweisen. Dagegen haben wir mit Briefen und in Gesprächen immer wieder protestiert. Das hatte schließlich Erfolg. Der Bundestag hat am 08.11.2018 mit dem Jahressteuergesetz beschlossen, dass gleichgeschlechtliche Ehegatt*innen rückwir- kend im Einkommensteuerrecht gleichgestellt werden, wenn sie ihre Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 in eine Ehe umwan- deln und bis zum 31.12.2020 die Aufhebung der Steuerbescheide beantragen, die nach der Gleichstellung im Jahre 2013 nicht mehr geän- dert werden konnten, weil sie bereits bestands- kräftig waren oder weil die Festsetzungsfrist abgelaufen war. Die klare Regelung ist zugleich eine gesetzliche Interpretation des Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG, die auch für die rückwirkende Gleichstellung bei der Grunderwerbsteuer und beim Familienzuschlag Klarheit gebracht hat. REFORM DES PERSONENSTANDSRECHTS Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Oktober 2017 verkündet hat, dass der Gesetzgeber im Personenstandsrecht (PStG) neben männlich und weiblich einen weiteren positiven Geschlechtseintrag zulassen muss, hat der LSVD 2018 den Gesetzgebungsprozess zur Umsetzung des Ur teils intensiv mit Stellungnahmen, Pressearbeit und Gesprächen mit Politiker*innen begleitet. Im Dezember 2018 wurde das „Gesetz zur Änderung der im Geburtenregister einzutragenden Angaben“ vom Bundestag verabschiedet und ist seit Jahresbeginn in Kraft. Zusammen mit anderen Organisationen ist es dabei gelungen, dass die Bezeichnung für die neu eingeführte Geschlechtskategorie „divers“ lautet und nicht „weiteres“, wie ursprünglich vom Innenministerium geplant. Außerdem müs- sen Eltern ihr intergeschlechtliches Kind nicht als „divers“ eintragen lassen bzw. können den Geschlechtseintrag offenlassen. Sie kön- nen ihr Kind auch als weiblich oder männlich eintragen lassen, um die Intersexualität bzw. Intergeschlechtlichkeit ihres Kindes nicht zu offenbaren, was einem Zwangsouting gleich- gekommen wäre. Auch das war im Entwurf der Bundesregierung noch nicht vorgesehen. Zudem hatten wir kein Verständnis dafür, dass das Verbot von Zwangsoperationen und -behandlungen an intergeschlechtlichen Kindern nach wie vor aussteht. Durch das Gesetz ist ein neuer § 45b in das PStG eingefügt worden. Danach können Menschen mit „Varianten der Geschlechts­ entwicklung“ beim Standesamt beantragen, dass ihr rechtliches Geschlecht und ihre Vor­ namen geändert werden. Sie müssen dafür eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, aus der hervorgeht, dass bei ihnen eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt. Der Begriff „Variante der Geschlechts­ entwicklung“ hat keine feststehende Bedeutung. Man kann ihn deshalb mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungs- konform so auslegen, dass er auch transge- schlechtliche Menschen umfasst. respekt | bundesverband!

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