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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Menschenrechte von Intersexuellen schützen

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist schockiert über die Berichte über Menschenrechtsverletzungen, die in der Bundesrepublik Deutschland an zwischengeschlechtlichen, also mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen geborene Menschen, begangen wurden, die man als intersexuelle oder zwischengeschechtliche Menschen, Hermaphroditen sowie Zwitter bezeichnet. Wir danken dem Verein Intersexuelle Menschen e. V./ XY-Frauen, die diese Fakten im Rahmen des CEDAW-Alternativberichtes aufgearbeitet und veröffentlich haben.

Was ist Intersexualität?

Bei intersexuellen Menschen finden sich sowohl weibliche als auch männliche körperlichgeschlechtliche Merkmale. Trotz der Varianz ihrer geschlechtlichen Anlagen sind bei der Mehrheit dieser Menschen keine medizinischen Interventionen notwendig. Dennoch werden die meisten von ihnen in Deutschland sowie auch in zahlreichen anderen Ländern meistens schon von frühstem Kindesalter an irreversiblen medikamentösen und chirurgischen Eingriffen unterzogen.

Ohne ihre Einwilligung werden Babys und Kleinkinder an ihren zwischengeschlechtlichen Genitalien operiert und einem normierten Geschlecht zugeordnet. In der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle wird mit medizinischen Mitteln versucht, intersexuelle Kinder, optisch und psychisch, dem jeweiligen kulturellen Kontext von „weiblich“ anzupassen. Eine medizinische Indikation sowie eine Qualitätskontrolle fehlen hierzu völlig.

Dabei wird in Kauf genommen, dass ihr sexuelles Empfinden vermindert oder gänzlich zerstört wird. Häufig werden ihnen zudem die gesunden, Hormone produzierenden inneren Geschlechtsorgane entfernt, was eine lebenslange Substitution mit körperfremden Hormonen zur Folge hat, die oft zu gravierenden gesundheitlichen Problemen führt. Die meisten Opfer dieser Praxis tragen massive psychische und physische Schäden davon, unter denen sie ein Leben lang leiden. Diesen Menschen wird die selbstbestimmte Entwicklung unmöglich gemacht. Eine große Zahl dieser Menschen wird in ein Geschlecht gedrängt, dass ihnen nichtentspricht.

Die Deutsche Rechtsordnung kennt nur weibliche oder männliche Menschen

Menschen sind in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland entweder männlich oder weiblich. Alle Neugeborenen werden binnen kurzer Zeit nach der Geburt im Geburtsregister des Standesamtes mit Nennung desGeschlechtseintrages eingetragen. Nach dem neuen Personenstandsgesetz § 59 Abs. 2 PStG können nun zwar Geburtsurkunden ohne Geschlechtseintrag ausgestellt werden, aber registriert wird das Geschlecht im Geburtsregister nach wie vor.

Es gibt keine rechtliche Möglichkeit, sich gemäß der Geburtskonstitution als Intersexuelle eintragen zu lassen, ein entsprechender Versuch wurde vom Amtsgericht München, mit Beschluss vom 13.9.2001, in zwei Instanzen abschlägig beschieden. Intersexuelle Menschen werden rechtlich gezwungen ihre Identität zuverleugnen.

Zwischen- und Mischformen der Geschlechter sind rechtlich nicht zulässig, gesellschaftlich nicht gewollt, sie werden politisch und sozial unsichtbar gemacht. Als "abnormal" klassifiziert, werden ihre gesunden Körper zum medizinischen Problem erklärt.

Menschenrechte von Intersexuellen schützen

Die Yogyakarta-Prinzipien, die erste systematische Gesamtschau zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität, fordern mit Prinzip 18 (Das Recht auf Schutz vor medizinischer Willkür):

"Niemand darf aufgrund seiner sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität gezwungen werden, sich irgendeiner Form von medizinischer oder psychologischer Behandlung, Untersuchung oder Maßnahme zu unterziehen, oder in eine medizinische Einrichtung eingewiesen werden. Entgegen anders lautender Beurteilungen sind die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität eines Menschen an und für sich keine Erkrankung und sollen daher nicht behandelt, geheilt oder unterdrückt werden."

Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung haben alsgleichberechtigte Bürger ein Recht auf freie Entfaltung und Entwicklung. Die an ihnen begangenen Zwangsbehandlungen stellen einen erheblichen Verstoß gegen ihr Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde dar. Die Zwangsanpassungen an die rechtlich geforderte Zweiteilung der Geschlechter ist eine schwerwiegende Form der Diskriminierung.

Um künftige Opfer dieser menschenrechtswidrigen Praxis zu verhindern und die bestehenden Opfer soweit als möglich zu entschädigen bzw. zu rehabilitieren und nicht zuletzt, um der Tabuisierung von Intersexualität entgegen zu wirken, fordert der LSVD:

  • Chirurgische und/ oder medikamentöse/ hormonelle Eingriffe dürfen ausschließlich aufgrund der informierten Einwilligung der betroffenen intersexuellen Menschen erfolgen.
  • Schaffung verbindlicher "Standards of Care" unter Einbezug der betroffenen Menschen und von Antidiskriminierungsverbänden.
  • Information der Eltern, der Öffentlichkeit und Aufnahme des Themas Intersexualität in die Lehrpläne der Schulen und Ausbildung medizinischer und sozialer Berufe.
  • Entschädigung und angemessene gesundheitliche Versorgung für die geschädigten Betroffenen.
  • Einarbeitung des Begriffes "Intersexualität" in die Rechtsordnung.

(beschlossen auf dem 21. LSVD Verbandstag am 05.04.2009 in Berlin)