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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

"Vielfalt leben – Bundesweiten Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auflegen"

Stellungnahme des LSVD zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen (BT-Drucksache 19/10224)

Seit vielen Jahren fordert der LSVD einen wirksamen und auf die Zukunft gerichteten Nationalen Aktionsplan gegen LSBTI-Feindlichkeit. Daher unterstützen wir den Antrag „Vielfalt leben – Bundesweiten Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auflegen“ der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

Sehr geehrte Mitglieder des Ausschusses Familie, Senioren, Frauen und Jugend,

vielen Dank, dass Sie uns die Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Seit vielen Jahren fordert der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) einen wirksamen und auf die Zukunft gerichteten Nationalen Aktionsplan gegen LSBTI-Feindlichkeit. Daher unterstützen wir den Antrag „Vielfalt leben – Bundesweiten Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auflegen“ der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

Lesben und Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) in Deutschland haben viel an persönlicher und gesellschaftlicher Freiheit erkämpft. Immer mehr LSBTI leben selbstbewusst, offen und akzeptiert. Die Ehe für alle ist ein Meilenstein in der Geschichte der Bürgerrechte in Deutschland und macht unsere Gesellschaft ebenso gerechter wie das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Dritten Geschlechtseintrag.

Obgleich LSBTI in den letzten Jahrzehnten viel an Akzeptanz erkämpft und gewonnen, werden sie dennoch viel zu oft im Alltag als Menschen zweiter Klasse behandelt, verleugnet, beleidigt, verbal oder gar physisch bedroht und angegriffen. Laut Bundesinnenministerium wurden im ersten Halbjahr 2019 bereits 245 Fälle von Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung erfasst, davon 54 Gewaltdelikte.[1] Jeden Tag mindestens einer. Und das ist die nur Spitze des Eisbergs. Selbst bei Polizeibehörden geht man von einer Dunkelziffer von 80 - 90% aus.

LSBTI-Feindlichkeit ist eine Ideologie der Ungleichwertigkeit, die Heterosexualität, Zweigeschlechtlichkeit und binäre Männlich- und Weiblichkeitsvorstellungen als alleinige Normen definiert, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt dagegen tabuisiert, abwertet und ausgrenzt. LSBTI-feindliche Beleidigungen und Herabwürdigungen, Diskriminierungen und Benachteiligungen, Anfeindungen und Übergriffe bis hin zur offenen Gewalt gehören weiterhin zum Alltag in Deutschland. Wenn Menschen sich deshalb nicht unbefangen im öffentlichen Raum bewegen können, ist das ein massiver Angriff auf die Freiheit. Schließlich stehen der vollen gesellschaftlichen Teilhabe von LSBTI und der umfassenden Verwirklichung ihrer Menschenrechte aber auch weiterhin strukturelle und institutionelle Barrieren im Weg.

LSBTI-feindliche Stimmen sind sogar in jüngster Zeit wieder deutlich lautstärker geworden. Menschenverachtende Ideologien der Ungleichheit befeuern Ressentiments. Religiös-fundamentalistische, rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte kämpfen voller Hass darum, LSBTI gleiche Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten zu beschneiden und sie wieder aus dem öffentlichen Leben zu drängen. So laufen sie Sturm gegen eine Pädagogik der Vielfalt oder diffamieren das Bemühen um mehr Geschlechtergerechtigkeit. LSBTI werden die gleiche Rechten und die gleichen Menschenwürde abgesprochen. Sie gelten als weniger Wert. Uns wird derzeit vor Augen geführt, wie fragil und gefährdet Normen des respektvollen und gewaltfreien Umgangs sind. Unabhängig davon, dass sie im Alltag oft nicht eingelöst werden, plötzlich gelten sie nicht mal mehr als allgemein menschliche Werte, sondern als abzulehnende „Umerziehung“. Ein aggressives und menschenfeindliches Klima ist wieder salonfähig.

Vorurteile und LSBTI-feindliche Einstellungen finden sich beileibe nicht nur in extremen Milieus, sondern auch in der so genannten Mitte der Gesellschaft. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat 2017 die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung über Einstellungen in Deutschland gegenüber Lesben und Schwulen veröffentlicht.[2] Sie kommt zu dem Schluss, dass es auf der einen Seite sehr hohe Zustimmung zu Diskriminierungsschutz, Eheöffnung und Aufklärung über Homosexualität im Schulunterricht gibt, auf der anderen Seite die Akzeptanzwerte aber deutlich sinken, je näher Lesben und Schwule im eigenen Alltag vorkommen. Laut der repräsentativen Befragung stimmten

  • 10% „voll und ganz“ oder „eher“ der Aussage zu, dass Homosexualität „unmoralisch“ sei
  • 18% „voll und ganz“ oder „eher“ der Aussage zu, dass Homosexualität „unnatürlich“ sei
  • 45% „voll und ganz“ oder „eher“ der Aussage zu, dass Lesben und Schwule nicht so viel Wirbel um ihre Sexualität machen sollten
  • 26% „voll und ganz“ oder „eher“ der Aussage zu, dass Homosexualität zu viel in den Medien vorkomme
  • 26% „voll und ganz“ oder „eher“ der Aussage zu, möglichst wenig mit dem Thema „Homosexualität“ in Berührung zu kommen zu wollen

Darüber hinaus fanden

  • 12% eine lesbische Kollegin „sehr“ oder „eher“ unangenehm
  • 13% einen schwulen Kollege „sehr“ oder „eher“ unangenehm
  • 20% eine lesbische Kitabetreuerin „sehr“ oder „eher“ unangenehm
  • 24% einen schwulen Kitabetreuer „sehr“ oder „eher“ unangenehm
  • 40% eine lesbische Tochter „sehr“ oder „eher“ unangenehm
  • 41% einen schwulen Sohn „sehr“ oder „eher“ unangenehm
  • 38% es „sehr“ bzw. „eher“ unangenehm, wenn zwei Männer sich küssen
  • 27,5% es „sehr“ oder „eher“ unangenehm, wenn zwei Frauen sich küssen.

In ihrem Themenjahr „Gleiches Recht für jede Liebe“ hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017 auch die Studie „Diskriminierungserfahrungen in Deutschland anhand der sexuellen Identität“ veröffentlicht.[3]

  • 53% erlebten herabwürdigende Darstellungen von Lesben und Schwulen
  • 40% wurden beleidigt oder beschimpft
  • 39% wurden Rechte, die andere Personen haben, nicht zugestanden
  • 33% erlebten unerwünschte sexualisierte Kommentare
  • 30% erlebten abwertende Witze über die eigene Person
  • 24% wurden ausgegrenzt

Diese Ergebnisse bezüglich Erfahrungen von LSBTI werden auch in weiteren Studien bestätigt.[4] Zusätzlich ist zu betonen, dass LSBTI selbst in sich vielfältig sind. Ihre Erfahrungen, Identitäten und Teilhabechancen sind neben ihrer sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität auch abhängig von vielen anderen Faktoren wie etwa Geschlecht, Hautfarbe, Staatsbürgerschaft, Einkommen, Religion oder Wohnort oder ob sie sich mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren oder nicht, aus ihrem Herkunftsland geflüchtet sind oder nicht. Daher können sie nicht nur LSBTI-feindlich motivierte Diskriminierung, sondern auch aufgrund weiterer Zuschreibungen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie beispielsweise Rassismus erleben.

Auf Bundesebene fehlt bislang eine ernsthaft umgesetzte und kohärente Strategie für gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt. Im Koalitionsvertrag für die jetzige Bundesregierung heißt es: „Wir respektieren geschlechtliche Vielfalt. Alle Menschen sollen unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben können – mit gleichen Rechten und Pflichten. Homosexuellen- und Transfeindlichkeit verurteilen wir und wirken jeder Diskriminierung entgegen.“ Wie die Bundesregierung dieses Ziel aber genau erreichen will, wird im Vertrag nicht weiter ausgeführt.

Bereits die letzte Bundesregierung hat die Chance auf einen nachhaltigen Aktionsplan gegen LSBTI-Feindlichkeit vergeben. In Zusammenarbeit mit dem Netz gegen Rassismus und der Bundesvereinigung Trans* (BVT*) hat der LSVD in dem gemeinsamen Papier „Menschenrechte schützen, Diskriminierungen beseitigen“[5] deutlich gemacht, was für diskriminierungsfreies Zusammenleben notwendig wäre und zu einem effektiven Abbau von Benachteiligungen und einer präventiven Begegnung von Ideologien der Ungleichwertigkeit führen würde. Diese zivilgesellschaftlichen Anforderungen an einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, Homophobie und Transfeindlichkeit wurden von der Bundesregierung zwar als Anlage an ein Regierungsdokument veröffentlicht[6], aber in der Praxis wurde bislang kaum etwas davon aufgegriffen. Von daher ist es sehr zu begrüßen, dass die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen nun das Vorhaben eines Aktionsplanes in die parlamentarische Beratung trägt.

Für den LSVD sind dabei folgende grundsätzlichen Anforderungen an einen Nationalen Aktionsplan von Bedeutung:

  • eindeutige Zielvereinbarungen und belastbare Selbstverpflichtungen
  • klare Zeit- und Arbeitspläne zur Umsetzung der Maßnahmen
  • Erarbeitung und Umsetzung sollte interdisziplinär von allen zuständigen Ministerien im engen Dialog mit der Zivilgesellschaft und den Communities erfolgen. Alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte, Vereine und Verbände, Gewerkschaften und Unternehmen, Medien, Wissenschaft, Kultur und Sport, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sollten zudem eingeladen werden, sich an einer nationalen Strategie gegen LSBTI-Feindlichkeit zu beteiligen.
  • Im Zusammenhang mit dem Nationalen Aktionsplan müssen angemessene Haushaltsmittel zur Umsetzung der Maßnahmen bereitgestellt werden. Dies umfasst auch die für eine nachhaltige Durchführung des Aktionsplans notwendige strukturelle Ausstattung der einbezogenen zivilgesellschaftlichen Organisationen.
  • Die Steuerung und Implementierung der Maßnahmen des Aktionsplans sollte ebenfalls in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft erfolgen, z.B. über einen Beirat. In gewissen Abständen sollten darüber hinaus die einzelnen Schritte des Aktionsplans evaluiert, Strategien und Maßnahmen reflektiert und diese anhand der gemachten Erfahrungen weiterentwickelt werden.
  • Wichtig ist zudem, dass Maßnahmen zur Bekämpfung von LSBTI-Feindlichkeit nicht isoliert, sondern im Sachzusammenhang mit der Prävention und Bekämpfung anderer Erscheinungsformen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit angegangen werden. Das eröffnet eine intersektionale Perspektive, die der Vielfalt von LSBTI Rechnung trägt und auch Mehrfachdiskriminierungen in den Blick nimmt.

Eine freie Gesellschaft muss allen Menschen garantieren, jederzeit, an jedem Ort, ohne Angst und Anfeindung verschieden zu sein. Ein wirksamer Nationaler Aktionsplan wäre ein staatliches Bekenntnis, dass LSBTI als gleichwertiger Teil zu Deutschland gehören und ein Recht darauf haben, angst- und diskriminierungsfrei zu leben.

In Orientierung an die im vorliegenden Antrag „Vielfalt leben – Bundesweiten Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auflegen“ vorgeschlagenen Bereiche möchten wir insbesondere folgende Ziele und Maßnahmen für einen wirkungsvollen Aktionsplan betonen.

1. Teilhabe

Fundamentale Normen des Zusammenlebens wie das Diskriminierungsverbot müssen in der Verfassung für alle Menschen sichtbar sein. Es braucht eine Ergänzung des Gleichbehandlungsartikels. In einem erweiterten Art. 3 Abs. 3 GG soll es in Zukunft auch heißen: Niemand darf wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden. Der Gleichheitsartikel ist die Antwort auf die nationalsozialistische Selektions- und Verfolgungspolitik. Er ist geprägt von der Erkenntnis, dass die Menschlichkeit insgesamt gefährdet ist und Barbarei droht, wenn auch nur einer Gruppe von Menschen die gleichen Grund- und Menschenrechte streitig gemacht werden. Dennoch hatte man 1949 zwei Gruppen ausgespart: Menschen mit Behinderungen und Homosexuelle. Das Grundgesetz hat Homosexuelle damit jahrzehntelang nicht einmal vor schweren Menschenrechtsverletzungen wie der Strafverfolgung nach § 175 StGB geschützt. Menschen mit Behinderungen wurden im Rahmen der Verfassungsreform nach der deutschen Einheit 1994 endlich aufgenommen. Die Rechtsprechung hat mittlerweile das verfassungsrechtliche Verständnis von Geschlecht erweitert und trans- und intergeschlechtliche Menschen in das entsprechende Diskriminierungsverbot einbezogen. Ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot wegen der sexuellen Identität fehlt in der Verfassung weiterhin. Das wirkt sich bis heute negativ auf die Lebenssituation von Lesben, Schwulen und auch Bisexuellen aus.

Die heutige Vielfalt unserer Gesellschaft muss sich endlich auch in den Rundfunk- und Fernsehräten abbilden. Alle Staatsverträge und gesetzlichen Grundlagen zu öffentlich-rechtlichen Medien müssen auf den Prüfstand, ob die jeweiligen Rundfunk-und Fernsehgremien diese Anforderung erfüllen. LSBTI müssen in diesen Gremien überall angemessen vertreten sein.

Diskriminierungen bis hin zu Mobbing aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität sind auch am Arbeitsplatz immer noch anzutreffen. Der Bund als Arbeitgeber und Dienstleister muss als positives Beispiel dienen, indem er sich zu einer konsequenten Diversity-Strategie verpflichtet, die LSBTI ausdrücklich einschließt und sich in einem Leitbild zur Akzeptanz und Wertschätzung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sowohl der Arbeitnehmenden als auch der Bürger*innen bekennt. Seine Bediensteten, insbesondere die Dienststellen, das Führungspersonal sowie Beauftragte und Personalrät*innen, sollten in Aus-, Fort-und Weiterbildung spezifisch für Vielfalt und LSBTI-Belange sensibilisiert werden. Dies betrifft insbesondere: die Bundesministerien, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Bundespolizei, die Bundeswehr und die Bundesagentur für Arbeit.

Ein weiterer Wirkungskreis ist der Sport. Der Sport muss allen offen stehen. Im Breiten- wie im Spitzensport brauchen wir eine Kultur des Respekts. In die Ausbildung von Trainer*innen sowie von Jugendleiter*innen muss die Befähigung, Vielfalt zu fördern sowie Diskriminierungen zu erkennen und ihnen entgegenzutreten, verpflichtend integriert werden. In der Sportpolitik soll die Antidiskriminierungsarbeit sowie die Prävention von Rassismus, Sexismus, LSBTI-Feindlichkeit stärker gefördert werden.

Sowohl die Angebote der offenen Altenhilfe als auch die ambulanten und stationären Angebote der Altenpflege sind zumeist nicht für die besonderen Bedürfnisse und Lebenslagen älterer LSBTI ausgerichtet. Demoskopische Erhebungen legen nahe, dass in der heute älteren Generation Vorurteile gegen LSBTIQ stärker verbreitet sind als in der Gesamtgesellschaft. Der Gefahr von Ausgrenzung, Anfeindung und Diskriminierung von LSBTI muss in allen Bereichen der Altenhilfe und Senior*innenarbeit entgegengewirkt werden. Zugangsbarrieren aufgrund der Lebensgeschichte und Lebenslage müssen abgebaut, ehrenamtliche und professionelle Strukturen ausgebaut, Verantwortliche und Mitarbeitende in Verwaltung und bei den Trägern von Angeboten sensibilisiert werden. Es bedarf einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse auch von älteren LSBTIQ* in allen Bereichen der Senior*innenpolitik und der Altenhilfe.

2. Sicherheit

Massivste Ausdrucksform von Homophobie und Transfeindlichkeit ist Hasskriminalität. Die wenigen vorliegenden Untersuchungen zum Thema legen nahe, dass LSBTI ein deutlich höheres Risiko haben, Opfer von gewalttätigen Attacken zu werden als der Bevölkerungsdurchschnitt. In Deutschland bestehen eklatante Forschungslücken im Hinblick auf LSBTI-feindliche Hasskriminalität. Es müssen Untersuchungen in Auftrag gegeben werden, um empirische Daten über Ausmaß, Erscheinungsformen und Hintergründe sowie belastbare Erkenntnisse über den Umgang von Polizei und Justiz mit diesen Ausprägungen von Hasskriminalität zu erlangen. Erforderlich ist ein Bund-Länder-Programm gegen LSBTI-feindliche Gewalt, das neben kriminologischer Forschung und Rechtstatsachenforschung auch die Entwicklung zielgenauer Konzepte zu Prävention, zur Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz sowie zur ausreichenden Unterstützung von Opferhilfe-Einrichtungen zum Gegenstand hat.

In den Bestimmungen zur Hasskriminalität, die 2015 in das Strafgesetzbuch eingeführt wurden, müssen ausdrücklich auch LSBTI-feindliche Motive benannt werden. Denn alle Erfahrung zeigt: Wenn homophobe und transfeindliche Hasskriminalität nicht ausdrücklich im Gesetz benannt ist, werden diese Motive in der Praxis der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen und damit auch bei der Strafzumessung kaum Beachtung finden. Nur ein Bruchteil LSBTI-feindlicher Hasskriminalität wird angemessen registriert und klassifiziert. Notwendig ist daher eine Reform der polizeilichen Erfassungssysteme, damit LSBTI-feindliche Hasskriminalität in ihren realen Ausmaßen gesellschaftlich sichtbar wird.

Hasspropaganda schürt ein Klima der Gewalt. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Sie gilt auch für Meinungen, die wir klar ablehnen. Aber niemand darf sich sicher dabei fühlen, wenn er andere menschenverachtend beleidigt, zur Gewalt aufruft und Menschen bedroht. Geltendes Recht muss konsequent gegen strafbare Inhalte im Internet angewandt werden. Wir fordern hierfür mehr staatliches Engagement durch gute Ausstattung von Polizei und Justiz. Auch müssen die Anbieter stärker in die Pflicht genommen werden hinsichtlich zeitnaher Löschung rechtswidriger Inhalte und verbesserter Auskunftspflichten gegenüber den Behörden. Feindlichkeit gegen LSBTI darf dabei nicht ignoriert oder verharmlost werden. So sind in der Theorie auch LSBTI gesetzlich vor Volksverhetzung geschützt. Die Praxis sieht aber anders aus. Im einschlägigen Straftatbestand (§ 130 StGB) werden als mögliche Ziele von Volksverhetzung nur „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe(n)“ ausdrücklich hervorgehoben, LSBTI aber nicht genannt. Das führt mit dazu, dass es trotz massiver Hetze in diesem Bereich kaum ernsthafte Ermittlungen und nur sehr wenige Verurteilungen wegen Volksverhetzung gibt. Hier ist eine ergänzende Klarstellung im Gesetz erforderlich.

3. Aufklärung

LSBTI-Feindlichkeit ist kein hinzunehmendes Übel, sondern Ausdruck antidemokratischen Denkens. Engagement, Aufklärung und Dialog sind wirksame Gegenmittel. Denn Respekt setzt Wissen vom Anderen und über Verschiedenheit voraus. Der Kampf gegen LSBTI-Feindlichkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen sind aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Bundesprogramme zur Demokratieförderung und zur Prävention von menschenfeindlichen Ideologien wie Rechtsextremismus oder Islamismus müssen die Bekämpfung von LSBTI-Feindlichkeit und das Empowerment von LSBTI als Regelthema ausdrücklich ausweisen. Demokratieförderung und zivilgesellschaftliche Arbeit gegen menschenfeindliche Ideologien muss auf eine solide gesetzliche und finanzielle Grundlage gestellt werden.

Ein Nationaler Aktionsplan für Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt muss auch die Bereiche Aus-, Fort- und Weiterbildung adressieren, weil insbesondere die Lernorte Kita, Hort und Schule tragende Einrichtungen der Prävention von Diskriminierung und der Förderung von Akzeptanz sind. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Bereich „Schule und Bildung“ im Rahmen der föderalen Ordnung im Wesentlichen in der Zuständigkeit der Länder liegt. Auch auf Bundesebene muss darauf hingewirkt werden, dass in den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen eine angemessene Thematisierung unterschiedlicher sexueller Orientierungen, geschlechtlicher Identitäten und Familienformen stattfindet, damit LSBTI und Kinder aus Regenbogenfamilien die Erfahrung einer frühen Ausgrenzung und Diskriminierung erspart bleibt. Die Bundesregierung sollte Programme der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung zur Aufklärung gegen LSBTI-Feindlichkeit auflegen und intensivieren.

Gemeinsam mit den Bundesländern ist auch auf eine Sensibilisierung der Jugendarbeit und Jugendhilfe durch die fachgerechte Ausbildung sowie Schulung und Fortbildung von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe sowie von Jugendleiter*innen ist hinzuwirken. Krisenwohnmöglichkeiten für LSBTI-Jugendliche sollten eingerichtet werden. Jugendhilfe und Jugendarbeit müssen sich dem Problem LSBTI-Feindlichkeit noch viel intensiver stellen, gerade in der Aus- und Fortbildung. LSBTI-Jugendarbeit muss stärker anerkannt und unter Einbeziehung der Jugendlichen weiterentwickelt werden. Das darf nicht nur in Großstädten geschehen. Auch Jugendliche, die außerhalb der Ballungsräume leben, brauchen Zugang zu informierter und vorurteilsfreier Beratung und Unterstützung sowie diskriminierungsfreien Freizeitangeboten. Notwendig sind zielgruppenspezifische Programme. Dies gilt auch für junge LSBTI mit Migrationshintergrund. Eine Sensibilisierung von allgemeinen Freizeiteinrichtungen und Freizeitangeboten erscheint ebenso notwendig wie die Förderung eigener Freizeiteinrichtungen und Freizeitangebote für LSBTI-Jugendliche und junge Erwachsene.

Bei den Integrationskursen für Migrant*innen sollen auch Informationen über die rechtliche und gesellschaftliche Situation von LSBTI verbindlich im Lehrplan verankert werden. Entsprechende Konzepte einer Pädagogik der Vielfalt müssen sowohl in Orientierungs- als auch in Sprachkursen zur Geltung kommen.

Es gibt zwar inzwischen vermehrt Forschung über die Lebenssituation von LSBTI in Deutschland, ebenso zu Diskriminierung und LSBTI-Feindlichkeit. Dennoch sind noch viele sozialwissenschaftliche Forschungen heteronormativ angelegt. In ihnen bleiben LSBTI als Teil der Bevölkerung häufig unberücksichtigt. In den Hochschulen, in Forschung und vor allem in der Lehre muss die Lebenssituation von LSBTI endlich angemessen berücksichtigt werden. Dabei ist auch die bislang nur marginal staatlich unterstützte Forschung über Ausmaß, Erscheinungsformen und Ursachen von LSBTI*-Feindlichkeit zu fördern, um unter Hinzuziehung der Zivilgesellschaft Gegenstrategien optimieren zu können. Der Bund kann hierzu Modellprogramme und Forschungsprojekte initiieren.

4. Gesundheit

Das Verhältnis der Medizin zu LSBTI ist historisch durch Pathologisierung und Paternalismus auf der einen, sowie leidvolle Erfahrung und Misstrauen auf der anderen Seite geprägt. Psychologie und Medizin sowie alle im Gesundheitswesen tätigen Menschen, Organisationen und Institutionen sollten LSBTI vorurteilsfrei gegenüberzutreten. Wenn diese bei einem Praxisbesuch negative Reaktionen oder gar medizinische Gewalt befürchten müssen, dann beeinträchtigt das die gesundheitliche Versorgung massiv.

Sogenannte „Umpolungs- und Konversionstherapien“, die vor allem von religiös-fundamentalistischen Organisationen angeboten werden, zielen ausgehend von einer Abwertung von Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit auf eine Änderung von Sexualverhalten, sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität ab und sind insbesondere für Jugendliche sehr belastend. Neben einem Verbot muss in der Öffentlichkeit breit über die Gefährlichkeit sogenannter Konversionsangebote aufgeklärt werden sowie Maßnahmen für eine gesellschaftliche Ächtung dieser Angebote ergriffen werden.

Intergeschlechtliche Menschen erleben das Gesundheitswesen oft als Ort der Gewalt. Ärzt*innen in Deutschland unternehmen bis heute unnötige Genitaloperationen an Kindern. Statt die Annahme natürlicher Zweigeschlechtlichkeit zu hinterfragen, werden Menschen „passend“ gemacht. Diese Operationen sind keine Heileingriffe, sondern verletzen das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde von intergeschlechtlichen Menschen und verstoßen gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Nicht lebensnotwendige medizinische Behandlungen von Intergeschlechtliche Personen müssen ohne ihre vorherige freie und vollständig informierte Einwilligung verboten werden. Eine gesundheitliche Versorgung, die auf die tatsächlichen gesundheitlichen Bedürfnisse von Intergeschlechtliche Menschen eingeht und deren Selbstbestimmung achtet, muss gewährleistet werden.

Transgeschlechtlichen Personen wird eine bestmögliche physische und seelische Gesundheit oftmals unmöglich gemacht. Die Psychopathologisierung von Transidentitäten und entwürdigende Zwangsbegutachtungen gehören abgeschafft. Transgeschlechtlichen Personen müssen das Recht haben, über ihren Körper selbst zu bestimmen. Die oft langwierigen Verfahren bei den Krankenkassen zur Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Maßnahmen und Operationen müssen durch entsprechende Richtlinien vereinfacht, beschleunigt und vereinheitlicht werden. Eine flächendeckende Versorgungsstruktur sowie ausreichende Fachkenntnisse und Sensibilität für Trans* und Inter* auf Seiten der Gesundheitsdienstleistenden – einschließlich Hebammen, Beschäftigte in Krankenkassen, Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen und Pflegepersonal muss gewährleistet werden.

In Deutschland können die meisten Menschen mit einer HIV-Infektion dank der medizinischen Fortschritte und Versorgung inzwischen ein gutes und selbstbestimmtes Leben führen. HIV-Medikamente verhindern auch eine HIV-Übertragung. Selbstbewusst, offen und ohne Angst vor Ausgrenzung leben zu können, ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Prävention und Therapie.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Gleichberechtigung und volle gesellschaftliche Teilhabe. Mit dem 2009 in Kraft getretenen UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist dafür eine wichtige menschenrechtliche Grundlage geschaffen. Auch für LSBTI mit Behinderungen muss diese UN-Konvention volle Geltung im Alltag erlangen. Sie haben Anspruch auf Achtung ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität sowie das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und die frei gewählte Lebensweise. Voller Diskriminierungsschutz muss in allen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen gelten. Für LSBTI mit Behinderungen ist es daher wichtig, dass beides für sie ermöglicht wird: die Chance, in den eigenen vier Wänden oder in anderen selbstbestimmten Wohnformen wohnen können und dafür im Bedarfsfall ausreichende Unterstützung erhalten, aber ebenso die Gewissheit, in Einrichtungen der Behindertenhilfe offen und diskriminierungsfrei leben zu können. Träger und Verbände müssen entsprechend sensibilisiert werden und Fachkräfte dafür geschult sein.

Studien und Forschung über das Gesundheitsverhalten und die Gesundheitsversorgung von LSBTI fehlen nach wie vor. Die Erstellung eines gruppenspezifischen Berichts zur gesundheitlichen Lage von LSBTI in Deutschland als konkrete Handlungsanleitung für zielgruppensensible Gesundheitsförderung unter Berücksichtigung intersektionaler Perspektiven ist notwendig. Die Aufklärungsarbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung muss LSBTI inklusiv gestaltet werden.

Die Aufarbeitung der Pathologisierungsgeschichte von Homosexualität, Inter- und Transgeschlechtlichkeit sowie die gesellschaftliche Rehabilitierung und finanzielle Entschädigung der Opfer von (Psycho-)Pathologisierung und medizinischer Gewalt sollte vorangetrieben werden.

5. Gleichberechtigung

Die Ehe für alle hat unsere Gesellschaft gerechter, offener und demokratischer gemacht. Doch nach wie vor gibt es gesetzlichen Regelungsbedarf. Regenbogenfamilien in ihren diversen Konstellationen müssen endlich rechtlich anerkannt und abgesichert werden. Kein Kind darf bezüglich seiner Familienform benachteiligt werden. Das Abstammungs- und Familienrecht muss an die gelebte Familienvielfalt angepasst werden.

Die Ehefrau der leiblichen Mutter erlangt ihre rechtliche Elternstellung bislang nicht mit der Geburt des Kindes, sondern erst durch das langwierige und oft entwürdigende Verfahren der Stiefkindadoption. Das Abstammungsrecht muss hier analog zur bestehenden Regelung für heterosexuelle Ehepaare ausgestaltet werden: Wenn ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft geboren wird, müssen beide Mütter von Geburt an automatisch gleichberechtigte Eltern ihres Kindes sein können. Eine notwendige Reform des Abstammungs- und Familienrechts muss dabei zudem auch die gesamte gelebte Familienvielfalt rechtlich anerkennen. Gerade im Interesse des Kindeswohls muss die Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung in allen Familienformen vom Recht besser anerkannt und unterstützt werden. Dazu gehören etwa die Möglichkeit verbindlicher Elternschaftsvereinbarungen vor der Zeugung, die Verteilung von elterlicher Verantwortung auf mehr als zwei Personen und ein selbstbestimmter Eintrag von trans- und intergeschlechtlichen Eltern in der Geburtsurkunde. Zudem braucht es eine bundesgesetzliche Regelung, die klargestellt, dass die assistierte Reproduktion allen Menschen unabhängig von Familienstand und sexueller Orientierung bzw. geschlechtlicher Identität offensteht.

Für die Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt und Selbstbestimmung braucht es eine menschenrechtsorientierte Reform des Transsexuellenrechts. Vornamens- und Personenstandsänderung sollten mit einer Erklärung beim Standesamt ermöglicht werden. Das Offenbarungsverbot hinsichtlich des früheren Vornamens oder Personenstandes muss gestärkt und Verstöße sollten wirksam sanktioniert werden. Es braucht einen gesetzlichen Anspruch auf Neuausstellung von Zeugnissen und Arbeitsdokumenten bei Namens- bzw. Personenstandsänderung.

Intergeschlechtlichen Menschen, die ohne ihre Einwilligung als Minderjährige geschlechtsverändernd operiert worden sind, müssen eine Entschädigung erhalten. Das gleiche gilt für transgeschlechtliche Menschen, die sich bis zum 11.01.2011 gemäß § 8 des Transsexuellengesetzes einem die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterziehen sowie sterilisieren lassen mussten, um personenstandsrechtlich im empfundenen und gelebten Geschlecht Anerkennung zu finden und/oder eine Ehe bzw. eingetragene Partnerschaft eingehen zu können.

Das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) weist noch Lücken auf. Eine Novellierung sollte das AGG zudem stärken insbesondere hinsichtlich einer Prozessstandschaft und eines Verbandsklagerechtes, der Verlängerung von Klagefristen, Sanktionsregelungen und der Streichung ungerechtfertigter Ausnahmeregelungen etwa für Religionsgemeinschaften und ihren Einrichtungen, einer Erweiterung der Diskriminierungsgründe einschließlich der dezidierten Benennung des Diskriminierungsgrundes „Geschlechtsausdruck“. Eine AGG-Novellierung muss zudem staatliches Handeln in den Diskriminierungsschutz einbeziehen. Ein bedarfsgerechter Ausbau der Struktur und der Ausstattung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ist unabdingbar.

Zudem blockiert Deutschland auf EU-Ebene seit Jahren eine Gleichbehandlung im Antidiskriminierungsrecht. Das geht nicht zuletzt zu Lasten der Rechte von LSBTI, die ihn einer Reihe von EU-Mitgliedsstaaten noch erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Hier sollte die Bundesregierung ihre bisherige Haltung und ändern und die kommende EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands dafür nutzen, den Diskriminierungsschutz in Europa zu stärken.

6. International

In über 70 Staaten wird Homosexualität noch strafrechtlich verfolgt, in einigen Ländern sogar mit der Todesstrafe bedroht. Vielerorts sind staatliche Behörden an der Unterdrückung von LSBTI beteiligt, verweigern ihnen jeglichen Schutz vor Anfeindungen und Gewalt. In vielen Fällen schüren religiöse und politische Führer ein Klima des Hasses. LSBTI sollen eingeschüchtert und in die Unsichtbarkeit gedrängt werden. Verfolgung und Ausgrenzung, oft auch durch die eigene Familie, führt häufig zu bitterer Armut und einem Leben am Rand der Gesellschaft. Homophobe und transfeindliche Gewalttaten bleiben vielerorts ungeahndet, Polizei und andere Staatsorgane verweigern oftmals jede Hilfe oder sind selbst an der Hetze, Erpressung und Gewalt beteiligt.

Auch in Europa schlägt LSBTI Menschen Hass entgegen. In einigen Staaten wurden Gesetze gegen angebliche „Propaganda von Homosexualität“ erlassen, die LSBTI in die gesellschaftliche Unsichtbarkeit zwingen wollen und ihnen das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie auf freie Entfaltung der Persönlichkeit absprechen. Deutschland hat aus seiner Geschichte heraus eine besondere Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen an LSBTI entschieden entgegenzutreten. Es ist höchste Zeit, dass es für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit und Außenpolitik ein verbindliches LSBTI-Inklusionskonzept gibt.

Die Achtung der Rechte von LSBTI muss ein Kriterium für die Mittelvergabe in der Entwicklungszusammenarbeit werden, insbesondere bei den globalen Budgethilfen für einzelne Staaten. Auch das Instrument der Rechtsstaatsdialoge mit anderen Ländern muss für die Verbesserung der Situation von LSBTI genutzt werden. Zukünftig muss ein klar definierter Anteil der Mittel für Armutsbekämpfung, Gesundheitsförderung, Bildung und Ausbildung, Good Governance, Konfliktlösung, Polizeifortbildung und Menschenrechtsarbeit für die Unterstützung von LSBTI verwendet werden. Die Deutschen Botschaften, die Goethe-Institute und die Deutsche Welle sollten hierbei eine aktive Rolle einnehmen, die Situation von LSBTI in anderen Ländern zu verbessern.

Einige LSBTI fliehen aus den Verfolgerstaaten nach Deutschland. Noch immer gibt es dabei beträchtliche Hürden für verfolgte LSBTI, in Deutschland anerkannt zu werden. Für LSBTI müssen faire und qualifizierte Asylverfahren tatsächlich gewährleistet sein. Oft wird die Verfolgungssituation im Herkunftsland vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verharmlost, Antragstellende werden vorschnell als unglaubwürdig eingestuft bzw. wird gegen EU-Rechtsprechung verstoßen, um ihre Anträge abzulehnen. In Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen müssen die im BAMF Beschäftigten noch stärker für den Umgang mit Asylsuchenden, die wegen drohender Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität in Deutschland Schutz suchen, sensibilisiert werden und über die rechtliche und gesellschaftliche Lage in den Herkunftsländern informiert werden. In diese Schulungen sollten nicht nur die Entscheider*innen, sondern auch die Dolmetscher*innen, die bei Verfahren hinzugezogen werden, einbezogen werden. Es braucht das Recht auf eine unabhängige Rechtsberatung sowie verbindliche und wirksame Schutzkonzepte für LSBTI-in Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete. Residenzpflichten wie Wohnsitzauflagen können gerade für vulnerable Gruppen wie LSBTI-Geflüchtete eine Bedrohung darstellen. Hier bedarf es gesetzlicher Änderungen. Zudem muss ausgeschlossen werden, dass Staaten als „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft werden, wenn dort beispielsweise homosexuelle Handlungen strafrechtlich verboten sind.

Anmerkungen

[1] https://www.documentcloud.org/documents/6428996-Hasskriminalita-T-Lsbtiq-Achelwilm-Linksfraktion.html#document/p19

[2] Vgl. Einstellungen gegenüber Lesben, Schwulen und Bisexuellen in Deutschland. Ergebnisse einer  bevölkerungsrepräsentativen Umfrage (2017)

[3] Diskriminierungserfahrungen in Deutschland anhand der sexuellen Identität. Ergebnisse einer quantitativen Betroffenenbefragung und qualitativer Interviews (2017)

[4] Vgl. etwa Krell, C. / Oldemeier, K. (2015): Coming-out - und dann ...?! Coming-out-Verläufe und Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland. München: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.); Krell / Kerstin Oldemeier (2018): Queere Freizeit. Inklusions- und Exklusionserfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und *diversen Jugendlichen in Freizeit und Sport. München: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.); Frohn, D., Meinhold, F. und Schmidt, C. (2017).„Out im Office?!“ Sexuelle Identität und Geschlechtsidentität, (Anti-)Diskriminierung und Diversity am Arbeitsplatz. Köln: IDA | Institut für Diversity- &Antidiskriminierungsforschung (Hrsg.).

[5] Menschenrechte schützen, Diskriminierungen beseitigen. Zivilgesellschaftliche Anforderungen an den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, Homophobie und Transfeindlichkeit der Bundesregierung

[6] Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus. Positionen und Maßnahmen zum Umgang mit Ideologien der Ungleichwertigkeit und den darauf bezogenen Diskriminierungen, S. 88 ff.

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