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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

HIV-Prävention stärken, soziale Situation von Menschen mit HIV und AIDS verbessern

Positionen des LSVD zu HIV und AIDS

In Deutschland können inzwischen die meisten Menschen mit einer HIV-Infektion dank der medizinischen Fortschritte und Versorgung ein selbstbestimmtes Leben führen. Sie sollten auch ein angst- und diskriminierungsfreies Leben führen können. Selbstbewusst, offen und ohne Angst vor Ausgrenzung leben zu können, ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Prävention und Therapie.

In Deutschland können inzwischen die meisten Menschen mit einer HIV-Infektion dank der medizinischen Fortschritte und Versorgung ein selbstbestimmtes Leben führen. Sie sollten auch ein angst- und diskriminierungsfreies Leben führen können. Selbstbewusst, offen und ohne Angst vor Ausgrenzung leben zu können, ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Prävention und Therapie.

Inhaltsverzeichnis

  1. Ausschnitt aus dem LSVD-Programm (2019): Menschenrechte, Vielfalt und Respekt
  2. Positionspapier zur Schwulen Gesundheit (2006): Prävention stärken, Verantwortung wahrnehmen
  3. Stellungnahme des Schwulenverband (SVD) (1998): Aids bekämpfen, die Rechte von AIDS-Erkrankten sichern!
  4. Resolution des Schwulenverband (SVD) (1997): Die Erfolge der Präventionsarbeit nicht gefährden! Prävention statt Repression beim Infektionskrankheitengesetz festschreiben!

Ausschnitt aus dem LSVD-Programm (2019): Menschenrechte, Vielfalt und Respekt

HIV-Prävention stärken und modernisieren

Viele Menschen sind Opfer von AIDS geworden. Auch heute leiden weltweit Millionen an der Immunschwächekrankheit, an mangelnder gesundheitlicher Versorgung, an Ausgrenzung und Verelendung. Vorurteile, religiöse Dogmen und nationalistische Ideologien behindern vielerorts wirksame Prävention. Die Bundesrepublik ist aufgefordert, sich auf sämtlichen Ebenen für den Kampf gegen AIDS und für die Menschenrechte der Betroffenen mit aller Kraft zu engagieren.

In Deutschland können inzwischen die meisten Menschen mit einer HIV-Infektion dank der medizinischen Fortschritte und Versorgung ein selbstbestimmtes Leben führen. Sie sollten auch ein angst- und diskriminierungsfreies Leben führen können. Selbstbewusst, offen und ohne Angst vor Ausgrenzung leben zu können, ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Prävention und Therapie.

Gerade die HIV-Prävention bei schwulen Männern hat große Erfolge gebracht. Präventionsbotschaften und Vermittlungsmethoden müssen ständig auf die veränderte Wahrnehmung von HIV und AIDS überprüft und aktualisiert werden. Die Prävention muss die ganze Vielfalt der Beziehungs- und Lebensformen und sexuellen Begegnungen im Auge haben. Sie muss passgenaue und realistische Wege für verantwortliches Verhalten aufzeigen. Als Safer Sex gelten neben der Verwendung von Kondomen auch die HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) sowie Schutz durch Therapie. PrEP kann bei dauerhafter oder anlassbezogener Anwendung vor Risikosituationen eine HIV-Infektion verhindern. Wir fordern den kostengünstigen Zugang und die Kostenübernahme durch die Solidargemeinschaft. Der LSVD setzt sich für eine Verstärkung und bessere finanzielle Ausstattung der Präventionsarbeit im Bereich von HIV, anderen sexuell übertragbaren Krankheiten und Hepatitis ein. Mittel, die heute in der Prävention gespart werden, müssen morgen, um ein Vielfaches erhöht, für die Patientenversorgung ausgegeben werden. Das gilt auch hinsichtlich PrEP. Private und gesetzliche Krankenkassen sollten in der Finanzierung der HIV-Prävention engagiert mitwirken. Auch die Pharmaindustrie muss sich hier engagieren.

Statt Sexualität zu tabuisieren muss zielgruppengerecht über Übertragungswege und Safer Sex aufgeklärt werden. Jugendschutz darf nicht gegen Prävention ausgespielt werden. Schließlich geht es nicht zuletzt um Jugendliche, die für die Prävention gewonnen werden sollen. Nur diejenigen, die sich über die Risiken beim Sex im Klaren sind, können für sich und ihre Partner Verantwortung übernehmen.

HIV-Prävention heißt auch, Menschen in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, ihre sozialen Aktivitäten zu fördern, ihre rechtliche und gesellschaftliche Gleichberechtigung durchzusetzen. Je selbstbewusster Menschen zu ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität stehen können und je besser sie in Netzwerke integriert sind, desto reflektierter setzen sie sich mit den Präventionsanforderungen auseinander.

Immer noch werden schwule Männer bzw. Männer, die Sex mit Männern haben, in Deutschland beim Zugang zum Blutspenden sachwidrig diskriminiert. Sicherheit lässt sich aber viel besser ohne Diskriminierung gewährleisten. Wir fordern, dass auf das konkrete Verhalten abgestellt wird und nicht auf Gruppenzugehörigkeiten.

Die soziale Situation von Menschen mit HIV und AIDS verbessern

Menschen mit HIV, in besonderem Maße aber an AIDS erkrankte Menschen, haben aufgrund der verbesserten Therapien heute eine deutlich gestiegene Lebenserwartung. Das muss sich auch im Versicherungswesen und im Bereich der Alterssicherung widerspiegeln. Hier stehen HIV-positive Menschen vor dem Problem, dass es ihnen nicht möglich ist, neben der staatlichen Alterssicherung oder der für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konzipierten Riester-Rente eine private Alterssicherung zu erreichen, da private Versicherungen den Abschluss von Verträgen mit HIV-positiven Menschen ablehnen. Die Erwerbsunfähigkeitsrenten sind aber an die gleiche Entwicklungsformel wie Altersrenten gebunden. Damit wird eine Abwärtsspirale in die Verarmung im Alter eingeleitet. Der LSVD fordert eine Sozialpolitik, die den besonderen Lebensumständen der Menschen mit HIV und AIDS gerecht wird und ihnen ausreichende Renten im Alter ermöglicht.

Auch die Sozialhilfe und das ALG II decken den spezifischen Bedarf nur unzureichend ab. Hier setzen wir uns für die Anerkennung anderer Mehrbedarfe ein, um flexibel auf die gesundheitliche Situation von Menschen mit HIV und AIDS reagieren zu können. Auch bei den Kostenträgern von Rehabilitationsleistungen ist angesichts der stark verlängerten Lebenserwartung von Menschen mit HIV/AIDS ein Umdenken erforderlich.

LSVD-Programm "Menschenrechte, Vielfalt und Respekt", beschlossen auf dem 30. LSVD-Verbandstag am 21./22. April 2018 in Köln

Positionspapier zur Schwulen Gesundheit (2006): Prävention stärken, Verantwortung wahrnehmen

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert eine neue Offensive in der AIDS-Prävention. Die AIDS-Prävention unter schwulen Männern hat große Erfolge gebracht und ist auch heute noch erfolgreich. Nach 20 Jahren AIDS ist aber eine gewisse Erosion im Praktizieren von Safer Sex nicht zu übersehen. Diese Situation erfordert neue Anstrengungen in der Prävention, eine Neujustierung von Botschaften und Vermittlungsmethoden. Prävention muss die Vielfalt schwuler Lebensweisen im Blick haben. Es geht darum, realistische Wege aufzuzeigen, Verantwortung für sich und andere zu leben. Das wird umso erfolgreicher gelingen, je offener die Gesellschaft mit Homosexualität umgeht und je weniger Diskriminierung Homosexuelle zu befürchten haben.

Der LSVD beobachtet mit Sorge das derzeitige Ansteigen der Erstdiagnosen von HIV-Infektionen, die verstärkt zu beobachtende Ausbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten (STD) unter Männern, die Sex mit Männern haben  (MSM), sowie die daraus zur Zeit resultierenden Diskussionen sowohl in den Medien und der Politik, als auch in der Community selbst.

Der LSVD will die Gesundheit schwuler Männer in ihren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen betrachten und diskutieren. Schwule Gesundheit sei hier im Folgenden definiert als das physische und psychische Wohlbefinden von Schwulen und MSM.

Prävention ist nicht nur eine Angelegenheit der individuellen Verantwortung. Sicherlich – jeder schwule Mann hat es in der Hand, seinen Beitrag gegen die Weiterverbreitung von HIV/AIDS und STD zu leisten. Eine große Anstrengung in der Prävention kann aber nur gelingen, wenn Akteure aus der Politik und der Wirtschaft mit den Vertretern der lesbisch-schwulen Community zusammen arbeiten.

Derzeitige Situation

Das Robert Koch Institut in Berlin schätzt für das Jahr 2005 den Anteil an HIV-Neuinfektionen, die auf ungeschützten Sex unter Männern zurückzuführen sind auf 70% von insgesamt 2600 Infektionen. Parallel dazu steigt auch die Anzahl von Syphilis und Tripper-Diagnosen unter Männern die Sex mit Männern haben, deutlich an.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig und reichen von dem blinden Vertrauen in die Antiretroviralen Therapien, die verharmlosend mit bunten Anzeigen beworben werden, bis hin zu der Kondommüdigkeit nach 20 Jahren Safer Sex. Es gibt erfreulicherweise eine große Zahl HIV-Positiver Männer, denen es unter einer HAART (HochAktiven AntiRetroviralen Therapie) gut geht. Daraus allerdings  abzuleiten, dass HIV-Positive unter einer HAART generell kaum Nebenwirkungen zu ertragen haben, ist ein fataler Fehler: Viele HIV-Positive vertragen die verabreichten chemischen Substanzen nur schlecht. Es braucht sicherlich auch heute noch eine Menge Mut z.B. mit einer ausgeprägten Lipodistrophie in die Szene zu gehen. Vielen fehlt dieser Mut aufgrund der leider immer noch zu beobachtenden Ausgrenzung. Andere bleiben fern, weil sie sich zu schwach fühlen, oder durch Durchfälle ans Haus gefesselt werden. Sie werden unsichtbar.

So verfestigt sich in der Szene das zu rosige Bild, das die Pharmaindustie zeichnet. Höhere Partnerzahlen sprechen genau wie die gestiegene Bereitschaft mit wechselnden Partnern ungeschützten Verkehr zu haben, für ein Nachlassen der Angst vor einer HIV-Infektion. Die Risikovermeidung wird durch Risikomanagement ersetzt, das allerdings oftmals eher auf irrationalen Hypothesen und Grundlagen basiert.

Vor diesem Hintergrund werden Stimmen laut, die verschärft Restriktionen fordern und relativ einseitige, unreflektierte und wenig hilfreiche Schuldzuschreibungen vornehmen. Derartige Reaktionen sind jedoch bestenfalls dafür geeignet die Eigenverantwortlichkeit eines jeden Einzelnen zu vernebeln, die aber ein zentraler Baustein wirksamer HIV- und STD-Präventionsarbeit ist.

Barebacking

Die Diskussion zum Thema Barebacking bedarf zunächst einer Versachlichung. Das liegt vor allem daran, dass das Wort mittlerweile nicht mehr in seinem ursprünglichen Zusammenhang – dem ungeschützten Sex zwischen positiven Partnern, die sich über ihren eigenen HIV-Serostatus, den ihres Partners und weiteren Faktoren wie Virustyp, Viruslast und Resistenzen im klaren sind – benutzt wird, sondern als trend- und fetischbesetztes Label  für ungeschützten Sex gilt.

Der Unterschied liegt hier ganz klar im Grad der Information der Partner sowie der Bereitschaft, für seine eigene Gesundheit und die des Partners Verantwortung zu tragen:

Der Wegfall der Angst, sich mit HIV infizieren zu können, ist vielleicht der einzige positive Aspekt des Positiv-Seins. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass HIV-positive Männer im Hinblick auf ihre Lebensqualität zu der Entscheidung kommen, untereinander auf das Kondom verzichten zu wollen. Verantwortliche Entscheidungen können jedoch nur gefällt werden, wenn Klarheit über die Infektion sowie andere Risiken wie etwa sexuell übertragbare Krankheiten besteht. In vielen soziosexuellen Situationen ist ein Besprechen der Grenzen und Risiken unwahrscheinlich, insbesondere wenn auch Drogen im Spiel sind. Hier muss jeder sein Risiko selbst einschätzen und seine Grenzen selbst bestimmen und durchsetzen.  Gegenseitige Rücksichtnahme heißt auch, die Grenzen der anderen zu respektieren und nicht zu überschreiten.

Wird hingegen ungeschützter Sex unter dem Deckmantel Barebacking zum Fetisch erklärt – als coolerer oder gar männlicherer Sex – bleibt von dieser Verantwortung nichts übrig. Gegenseitige Annahmen ersetzen das Wissen: „Er würde auf Schutz bestehen, wenn er negativ wäre…“ steht gegen „Er würde schon nichts ungeschütztes machen, wenn er es hätte..“ Kommt es zu solchen Projektionen, wird die Eigenverantwortung dem Partner übertragen, solidarisches Verhalten durch egoistisches ersetzt. Dies gilt für alle Beteiligten in jeder Situation, egal ob sie positiv, negativ oder ungetestet sind. Verantwortung ist nicht teilbar.

Unsafen Sex als fetischbesetztes Barebacking zu verkaufen ist und bleibt unethisch und ist auch nicht damit zu rechtfertigen, dass das Kondom an sich oder das bewusste Einhalten der Safer Sex-Regeln lustmindernde Faktoren darstellen, da ausgerechnet beim Sex der Kopf eingeschaltet bleiben muss. Dies mag als Begründung dafür taugen, dass es in einer konkreten Begegnung zu unsafem Sex kam, es taugt nicht als Begründung zum Vorsatz.

  • Der LSVD wirbt für Safer Sex als eigenverantwortlicher Notwendigkeit. Solidarisches Verhalten gegenüber den Partnern heißt die Grenzen anderer zu respektieren und nicht zu versuchen, sie aktiv zu überschreiten.
  • Der LSVD empfiehlt Männern, die Sex mit wechselnden Partnern haben, sich regelmäßig auf STDs untersuchen zu lassen, selbst wenn sie Safer Sex praktiziert haben.

Die Verantwortung der Community

Die Community beginnt auf die neuen Herausforderungen zu reagieren. Inzwischen gibt es in einigen Städten Erfolg versprechende Konzepte, die mit einem Gütesiegel jene Cruising-Bars und Saunen auszeichnen, die im Rahmen von Selbstverpflichtungen für ihre Gäste kostenlose Kondome und Gleitgel sowie Safer-Sex-Informationen bereithalten und ihre Räumlichkeiten nicht für fälschlicherweise so genannte „Bareback-Parties“ zur Verfügung stellen. Derartige Selbstverpflichtungs-erklärungen sollten auch die Vorbildfunktion des Personals und den Verzicht auf „Unsafe-Sex“-Pornos auf den Monitoren thematisieren. Mancherorts stoßen diese Modelle der Präventionsarbeit aber auf Widerstand unter den Betreibern, die die Mehrausgaben für Kondome und Gleitgel fürchten oder sich einem verstärkten Konkurrenzdruck ausgesetzt sehen.

Es sollte selbstverständlich und ein Ausdruck von Verantwortungsbereitschaft sein, dass Männer auf der Suche nach sexuellen Begegnungen das Nötige zur Risikominimierung bei sich tragen. Sich darauf zu verlassen, dass die Gastronomen oder Saunabesitzer grundsätzlich für die kostenlose Bereitstellung von Kondomen sorgen, stellt wieder eine einseitige Verschiebung der Verantwortung dar. Zu verantwortlichen Verhalten gehört auch, sich bei kostenlos von Wirten und Saunenbetreibern ausgegebenen Präventionsmittel nicht für den Hausgebrauch einzudecken.

In der Community wird die Frage diskutiert, ob „Unsafe-Sex“-Parties verboten werden sollten. Aus den Erfahrungen von über 20 Jahren AIDS-Prävention ist klar ersichtlich, dass ordnungspolizeiliche Maßnahmen kein produktiver Weg sind: Die Grenze zwischen Parties im öffentlichen und privaten Raum sind in den Zeiten des Internets fließend. Es würde schnell eine Verlagerung ins Private stattfinden. Private Parties sind für Präventions-Aktivisten nicht mehr erreichbar, die ansonsten am Eingang zu einer solchen Party im öffentlichen Raum auf die entsprechenden Risiken hinweisen und so den Mythos „Bareback“ mit der Realität kontrastieren könnten.

Umstritten ist im Rahmen der Chat-Portale die Schaffung von technischen Voraussetzungen zur gezielten Suche nach unsafem Sex durch Filterfunktionen oder Gruppenbildung. Ähnlich wie beim diskutierten Verbot organisierter Parties steckt die Prävention auch hier in einem Dilemma, das nicht auflösbar scheint: Der Klarheit in der Aussage „ich will unsafen Sex machen“ kann schließlich jeder User, der das nicht will, durch einfaches weiterklicken begegnen, ebenso wie jeder User frei entscheiden kann ein klares Statement abzugeben, dass er konsequent safe bleiben will.

Entscheidend kann auch hier also nur das Vorhalten von Informationen und Entscheidungshilfen sein, die klar die Risiken von unsafem Sex thematisieren. Dies könnte zum Beispiel durch ein PopUp-Fenster geschehen, das gestartet wird, wenn ein User in seinem Profil die Auswahl Safer Sex „Nach Absprache“ oder „Niemals“ trifft.

Die Betreiber von Internet-Plattformen sollten ihrer Verantwortung gerecht werden, indem sie im Rahmen ihrer Chat-Portale zum einen Informationen zu HIV/AIDS und STDs anbieten und zum anderen Präventionsarbeitern die Möglichkeit geben, Beraterprofile einzurichten, die ein virtuelles Abbild der klassischen Streetworker in der Community darstellen.

Andere viel versprechende Konzepte wie z.B. das „Dark Angel“-Projekt  in Berlin, aber auch virtuell in dem Chatportal Gayromeo, setzen auf die Bereitschaft verantwortungsbewusster schwuler Männer, die Prävention im Rahmen von Peer-Group-Education selbst in die Hand zu nehmen und als Vorbild als Role-Modell zu fungieren.

Die Prävention der AIDS-Hilfen sollte sich an ihre Stärke der 80er Jahre erinnern. Sie waren an den Orten institutionalisierter schwuler Promiskuität präsent. Vieles hat sich heute ins Internet verlagert. Die Provider sollten sich für die AIDS-Hilfen öffnen, der Staat sollte auch personalkommunikative Prävention im Internet unterstützen.

Die Verkaufszahlen von sogenannter „Bareback“-Pornografie sprechen für einen bestehenden Wunsch nach Regellosigkeit zumindest im Bereich der Phantasie. Zumindest hier sollen die Schranken fallen, die sich viele auferlegen. Während dies im heterosexuellen Pornosegment weitgehend unkommentiert bleibt, fokussieren insbesondere die Medien auch diesen Bereich immer wieder scharf.

Darsteller solcher Pornos riskieren ihre Gesundheit. Möglicherweise selbstbestimmtes Handeln kann hier an Grenzen stoßen, wenn finanzielle Abhängigkeit mancher Darsteller bei der Annahme solcher Rollen ins Spiel kommt.

Es muss Darstellern freigestellt werden, safe bleiben zu dürfen. Verträge, die unsafen Sex zum Gegenstand haben, sind als sittenwidrig einzustufen.

Wie schon bei den Chat-Portalen gefordert, sollten auch in Pornographiemedien etwa im Rahmen des Vorspannes klar die Safer-Sex-Regeln erläutert werden und die Eigenverantwortung der Konsumenten für ihre Gesundheit betont werden.

Der LSVD ruft in diesem Zusammenhang alle Beteiligten dazu auf:

  • die Präventionsanstrengungen zu verstärken und neue Konzepte wie zum Beispiel Gütesiegel oder das „Dark Angel“-Projekt zu unterstützen.
  • die Eigenverantwortung als Gäste dabei genauso wahrzunehmen wie die der Betreiber.
  • unsafen Sex nicht als „Barebacking“ zum Fetisch zu machen
  • die Teilnehmer entsprechender Parties klar über die Risiken zu informieren, die sie tragen
  • in Chat-Portalen Infotheken zu HIV und STDs bereitzuhalten und Beraterprofile für Online-Streetworker zu ermöglichen
  • die Verträge von Sexarbeitern in der Pornoindustrie so zu fassen, dass ihnen die Entscheidung für Safer Sex jederzeit ohne finanzielle Einbußen möglich ist.
  • Unsafe-Sex-Pornos mit klaren und deutlichen Warnhinweisen über die gesundheitlichen Gefahren zu versehen.

Die Verantwortung der Medien

Reißerische Berichterstattung in einigen Medien, die positiven Männern einseitig die Verantwortung für den Anstieg der Erstdiagnosen zuschreibt, blendet aus, dass sich unter MSM nach wie vor das Level von Safer-Sex-Verhalten auf einem hohen Niveau befindet, dass weite Teile der heterosexuellen Bevölkerung noch nie erreicht haben. Und sie blendet die Tatsache aus, dass insbesondere die Gruppe der Männer ab 40 dieses Level schon seit über 20 Jahren kontinuierlich hält.

Die unkritische Heranziehung von Infektionsraten anderer STDs als Beweis für die Zunahme unsafen Verhaltens ist untauglich, denn sie ignoriert, dass diese STDs andere Übertragungswege als HIV haben und somit auch mit klassischem Safer-Sex – einer Verhaltensregel zur HIV-Prävention – nicht verhindert werden können. „Raus, bevor es kommt“ taugt nicht zur Syphilis-Prävention.

Der LSVD fordert vor diesem Hintergund:

  • Eine verstärkte Aufklärung in den Medien über sexuell übertragbare Krankheiten.
  • Die klare Unterscheidung der Begriffe „Barebacking“ und „Unsafe Sex“.
  • Eine differenzierte Berichterstattung, die die jeweiligen Gefahren von Barebacking und unsafem Sex beleuchtet, ohne einseitig HIV-Positiven Menschen die Verantwortung aufzulasten.

Die Verantwortung der Pharmaindustrie

Eine besondere Rolle in der Prävention kommt auch der Pharma-Industrie zu. Hier wird aber bisher allzu oft eine Strategie gefahren, die doppelte Botschaften sendet. So beteiligen sich Pharmaunternehmen zwar an der Prävention, in dem sie Spenden an präventiv arbeitende Organisationen leisten – sie sehen offensichtlich aber zugleich gezwungen, Anzeigen in den schwulen Printmedien zu schalten, die ein zu rosiges Bild dessen zeichnen,  was eine HIV-Infektion auch heute noch bedeutet.

Angesichts der immer noch beträchtlichen Nebenwirkungen von Medikamenten zur antiretroviralen Therapie von HIV erscheinen diese Anzeigen wie ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen. Das Versprechen des Erhaltes von Attraktivität und Leistungsfähigkeit wird zwar nicht direkt, aber – durch die Auswahl der durchweg attraktiven Modelle und durch Texte, die suggerieren, eine Wiederaufnahme der Berufstätigkeit, Reisen und andere Ziele seien auch langfristig greifbar – zumindest indirekt gemacht. Es finden sich nirgendwo deutliche Hinweise auf die Nebenwirkungen einer HAART.

Derartige Anzeigen konterkarieren damit deutlich die Präventionsanstrengungen.

Der LSVD fordert deshalb:

  • Selbstverpflichtungserklärungen der Pharmaindustrie zum Verzicht auf Anzeigen, die die Nebenwirkungen der Therapien verharmlosen oder ein geschöntes Bild von den Folgen einer HIV-Infektion vermitteln.

Zusammenarbeit für eine verstärkte Prävention

Noch einmal sei betont, dass eine große Anstrengung in der Prävention nur dann gelingen kann, wenn Akteure aus der Politik und der Wirtschaft mit den Vertretern der lesbisch-schwulen Community zusammen arbeiten.

Hier gibt es Handlungsbedarf. Auch öffentliche Stellen wie Ordnungsämter versuchen teilweise, die kostenlose Ausgabe von Kondomen und Gleitmitteln in Saunen und Bars zu untersagen. Dies unterläuft alle Anstrengungen zur Prävention und ist inakzeptabel.

Der LSVD fordert daher:

  • die Einrichtung eines Runden Tisches „HIV/AIDS – Herausforderungen für die Unternehmensethik“ auf Bundesebene, in der Vertreter  und Vertreterinnen der Wirtschaft, der Politik und der schwul-lesbischen Community tragfähige Lösungen entwickeln.

Deutlichkeit der Prävention

Die Übernahme von Verantwortung setzt Wissen voraus. Nur derjenige, der sich über die Risiken beim Sex im Klaren ist, kann für sich und seinen Partner die Verantwortung übernehmen.

Dies bedeutet, dass angesichts steigender Erstdiagnosen von HIV-Infektionen und anderen STDs die Bemühungen verstärkt werden müssen, MSM über die jeweiligen Übertragungswege und Symptome zu informieren und zwar zielgruppenspezifisch, klar und deutlich.

Konkret: In Infomaterialien oder im Internet muss es möglich sein, explizit über Sexualpraktiken, damit verbundene Risiken und Risikominderungsstrategien zu reden. Der LSVD sieht mit Sorge die Schwierigkeiten, denen die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) als freier Träger der HIV-Prävention für schwule Männer immer wieder ausgesetzt ist.

Es kann nicht angehen, dass beispielsweise die Informationen, die in der Broschüre „Schwuler Sex: Lust und Risiken“ enthalten sind, aus dem Internetauftritt der DAH herausgenommen werden mussten und damit der Jugendschutz gegen sinnvolle HIV-Prävention, die sich ja gerade auch an schwule Jugendliche richten muss, ausgespielt wird.

In der Präventions-Arbeit müssen neue, auf die veränderte Wahrnehmung der HIV-Bedrohung ausgerichtete Konzepte erarbeitet werden. Diese Konzepte müssen als Zielgruppe auch Jene erreichen, die auf der Ebene des fetischbesetzten unsafen Sex trotz Kenntnis des Risikos eine „Jetzt-erst Recht-“ oder „Trotzdem-“ Haltung einnehmen.

Völlig unverständlich sind ferner die fortwährenden Kürzungen im Präventionsbereich auf vielen Ebenen bis hin zu den Kommunen. Mittel, die heute in der Prävention gespart werden, müssen morgen, um ein Vielfaches erhöht, für die Versorgung von HIV-Patienten ausgegeben werden.

Vor diesem Hintergrund fordert der LSVD:

  • Verstärkte Präventionsbemühungen im Schwulenbereich einschließlich einer Aufstockung der finanziellen Mittel.
  • Jede Zeit und jede Generation muss immer wieder neu für Prävention gewonnen werden. Präventionsbotschaften und Vermittlungsmethoden müssen auf die veränderte Wahrnehmung hin überprüft und justiert werden, um gezielt gegen Trends wie „Unsafe ist cool“ Stellung zu beziehen.
  • Prävention muss Botschaften entwickeln, die schwulen Männern, insbesondere auch der jüngeren Generation schwuler Männer aufzeigt, dass ein schwules Leben über vierzig lebenswert und erfüllt sein und Spaß machen kann.
  • Prävention muss die ganze Vielfalt schwuler Lebensformen und Begegnungen im Auge haben, auch schwule Paarbeziehungen. Sie muss passgenaue und realistische Wege für verantwortliches Verhalten aufzeigen.
  • Größere Freiräume für die DAH und andere Träger der HIV-Prävention bei der Gestaltung von Infomaterialien oder im Rahmen ihres Internetportales.  Sexuelle Praktiken und die jeweiligen Verhaltensmaßregeln zur Prävention müssen klar und deutlich beschrieben werden können.
  • Pharmakonzerne sollen, anstatt HIV-Infektionen durch ihre Werbekampagnen in den schwulen Medien zu verharmlosen, zu Trägern der HIV-Prävention werden, indem sie bestehende Projekte fördern und neue Initiativen unterstützen.
  • Private und gesetzliche Krankenkassen sollten in die Finanzierung der HIV-Prävention eingebunden werden.

Verbesserte Untersuchungsangebote und ärztliche Fortbildungen

Noch immer scheuen sich insbesondere im ländlichen Bereich viele schwule Männer, bei den sie behandelnden Hausärzt(inn)en, Hautärzt(inn)en, Urolog(inn)en und Internist(inn)en, aber auch in den Gesundheitsämtern offen mit ihrer Homosexualität umzugehen oder darüber zu reden, wenn es um das Risiko geht, sich beim Sex unter Männern mit HIV oder einer STD zu infizieren.

Dies führt nicht selten dazu, dass HIV-Diagnosen erst zu einem Zeitpunkt erkannt werden, wenn sie sich klinisch zu manifestieren beginnen, immer noch Fälle von Neuro-Lues (dem dritten Stadium der Syphilis, in dem die Krankheit zu schweren Schäden im Nervensystem bis hin zum Tode führt) auftreten oder andere STDs insbesondere im Analbereich überhaupt nicht erkannt werden.

Deshalb fordert der LSVD:

  • Analog zum HIV-AK-Test sollte in den Gesundheitsämtern die Möglichkeit eröffnet werden, auch Untersuchungen auf andere STDs anonym vornehmen zu lassen. Im Rahmen der HIV-AK-Testberatung sollte eine Gesundheitsberatung erfolgen, die die anderen STDs sowie Schutzmöglichkeiten und mögliche Impfungen berücksichtigt. Entsprechende BeraterInnenschulungen sind durchzuführen.
  • Die Ärzteschaft wird aufgefordert, ihre Beratungskompetenz für schwule Patienten zu verbessern und Fortbildungen insbesondere von Hautärzt(inn)en, Proktolog(inn)en, Internist(inn)en sowie Hausärzt(inn)en zu organisieren, in denen die Übertragungswege und Präventionsmöglichkeiten von STDs beim Sex unter Männern erläutert und Vorurteile abgebaut werden.
  • Nach einer Erstdiagnose sollte dem Infizierten/Erkrankten die Vorstellung  oder Anbindung an eine HIV-Schwerpunktpraxis oder –ambulanz angeboten werden.

Soziale Absicherung

Menschen mit HIV, in besonderem Maße aber schon an AIDS erkrankte Menschen, haben aufgrund der verbesserten Therapien eine deutlich gestiegene Lebenserwartung. Durch diese erfreuliche Entwicklung verschärft sich aber das Problem der mittel- bzw. langfristigen sozialen Absicherung.

Insbesondere im Bereich der Alterssicherung stehen HIV-positive Menschen vor dem Problem, dass es ihnen nicht möglich ist, neben der staatlichen Alterssicherung oder der für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konzipierten Riester-Rente eine private Alterssicherung zu erreichen, da private Versicherungen den Abschluss von Verträgen mit HIV-positiven ablehnen.

Dennoch sind sie von den Rentenkürzungen durch die Rentenreformen seit 8 Jahren in gleichem Maße mitbetroffen. Die Erwerbsunfähigkeitsrenten sind wie die Altersrenten an die gleichen Entwicklungsformel gebunden (Senkung der Rentenformel durch den demographischen Faktor und Anpassung an der Entwicklung der Nettolöhne). Damit wird eine Abwärtsspirale in die Verarmung im Alter eingeleitet.

Aber auch die Sozialhilfe und das ALG II decken den spezifischen Bedarf nur unzureichend ab.

Für Menschen mit HIV/AIDS, die noch mindestens 3 Stunden täglich erwerbsfähig sind, sieht das SGB II außer einem ernährungsbedingten Mehrbedarf keinen weiteren Mehrbedarf vor. Da sich in Zusammenhang mit den AIDS definierenden Erkrankungen oft vielfältige Probleme ergeben, ist dies nicht ausreichend und führt zu verstärkten Antragstellungen bei den AIDS-Stiftungen.

Beantragen Betroffene Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben, sehen sie sich damit konfrontiert, dass der Kostenträger die Leistung ablehnt, weil aufgrund der HIV/AIDS-Erkrankung eine dauerhafte Eingliederung ins Arbeitsleben angeblich unwahrscheinlich sei. Im Hinblick auf die verbesserten therapeutischen Möglichkeiten ist hier ein Umdenken gefordert.

Der LSVD fordert deshalb:

  • eine Sozialpolitik, die den besonderen Lebensumständen der Menschen mit HIV und AIDS gerecht wird und ihnen ein lebenswürdiges Rentenalter ermöglicht.
  • eine Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente und Altersrente für Erwerbsunfähige nach einer Rentenformel gemäß der Entwicklung der Lebenshaltungskosten, da Erwerbsunfähigkeitsrentner keine Möglichkeit haben, auf die Rentenreformen durch private Vorsorge zu reagieren.
  • die Anerkennung anderer Mehrbedarfe, um flexibel auf die gesundheitliche Situation von Menschen mit HIV und AIDS reagieren zu können.
  • ein Umdenken bei den Kostenträgern von Rehabilitationsleistungen angesichts der stark verlängerten Lebenserwartung von Menschen mit HIV/AIDS.

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Schwule Gesundheit umfasst auch das psychische Wohlbefinden. Noch immer müssen schwule Männer und lesbische Frauen an ihren Arbeitsplätzen befürchten, Nachteile zu erleiden oder gar gemobbt zu werden, wenn ihre sexuelle Identität bekannt wird. Unter doppeltem Druck stehen HIV-positive schwule Männer. Diskriminierungen drohen jedoch nicht nur im Arbeitsalltag, sondern auch im Privatleben.

Noch immer weigern sich einige Anbieter privater Kranken- oder Lebensversicherungen generell, schwule Männer zu versichern, oder lehnen Antragssteller unter fadenscheinigen Begründungen ab. Auf dem Mietwohnungsmarkt haben schwule oder lesbische Paare aufgrund ihrer Homosexualität nicht selten große Schwierigkeiten.

Noch immer gibt es in der Bundesrepublik kein Antidiskriminierungsgesetz, obwohl dies bereits seit Dezember 2003 aufgrund von EU-Richtlinien gefordert wäre. Dies ist ein unhaltbarer Zustand.

Der LSVD fordert vor diesem Hintergrund:

  • Die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes, das sowohl im arbeitsrechtlichen als auch im zivilrechtlichen Teil die sexuelle Identität als Diskriminierungsmerkmal enthalten muss.

Aufklärung in Schulen

Nach wie vor sind Schulen homophobe Orte. „Schwule Sau“ ist noch immer eines der häufigsten Schimpfworte auf den Schulhöfen, offen schwule Schüler oder lesbische Schülerinnen werden gehänselt oder bedroht und erfahren oft keine Unterstützung von ihren Lehrerinnen und Lehrern. Das Thema Homosexualität wird, wenn es denn überhaupt im Unterricht auftaucht, oft als Nebenaspekt im Aufklärungsunterricht behandelt oder höchstens unter dem Aspekt „Diskriminierung“ als Beispiel benutzt.

Die jetzige nordrhein-westfälische Landesregierung plante, eine EU geförderte  Materialiensammlung für sozialpädagogische und pädagogische Fachkräfte, die mit Jugendlichen arbeiten, nicht mehr durch Lehrkräfte nutzen zu lassen und sich von dieser Broschüre mit der Anmerkung, dass darin eine Bewertung von Lebensweisen stattfände, welche die Landesregierung nicht teile, zu distanzieren.

Dies wurde erst nach großem öffentlichen Druck seitens des LSVD und der Kooperationspartner, die an der Entstehung der Broschüre beteiligt waren, fallengelassen.

Sozialwissenschaftliche Studien belegen, dass neben der Bereitschaft zu Safer Sex auch das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl entscheidend dazu beitragen, dass Safer Sex in einer konkreten Situation auch tatsächlich ausgeübt wird.

Wenn die Schule auch schwule Schüler und lesbische Schülerinnen in ihrer Entwicklung zu Eigenverantwortlichkeit unterstützen will, müssen im Unterricht gleichgeschlechtliche Beziehungsmodelle genauso selbstverständlich präsent sein wie verschiedengeschlechtliche. Anders kann eine Erziehung zu Toleranz, Respekt und Verantwortung nicht gelingen.

Selbstbewusstes lesbisches oder schwules Leben taucht im Unterricht überhaupt nicht – oder nur auf sexuelles Verhalten reduziert – auf. Nur punktuell gelingt es, im Rahmen von Projekttagen junge Schwule und Lesben in den Unterricht einzubinden.

Bisher ist Schwulsein und Lesbischsein kein Thema in der Ausbildung von Lehrkräften. Viele junge Lehrerinnen und Lehrer haben daher keinerlei Kenntnis, wie sie damit umgehen und dies thematisieren können. Sie wissen auch nicht, wie sie einer Diskriminierung von schwulen und lesbischen Schülern und Schülerinnen entgegentreten sollen.

Die Aufnahme von schwullesbischen Themen und den Umgang damit und mit Diskriminierung in die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern ist daher ein wichtiges Instrument zu Aufklärung und Toleranz, welches auch ohne zusätzliche Kosten möglich ist.

Der LSVD fordert daher:

  • Über verbindliche Rahmenrichtlinien zum Sexualkundeunterricht hinaus müssen Lehrpläne dafür Sorge tragen, dass in der Schule auch Kenntnis von und Respekt für verschiedene Formen eigenverantwortlichen Lebens – verschiedengeschlechtlichen wie gleichgeschlechtlichen Lebens - vermittelt werden.
  • Schwul-lesbische Schulprojekte und Jugendgruppen sollen nach Möglichkeit in den Unterricht einbezogen werden.
  • Schwul-lesbische Themen müssen in die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern an Universitäten und Fachhochschulen mit aufgenommen werden.
  • Fachspezifische Fortbildungen, die zur Erhöhung der didaktischen und pädagogischen Kompetenz der Lehrkräfte beitragen,  insbesondere für Fächer wie Geschichte, Deutsch, Fremdsprachen, Biologie, Werte und Normen, Religion. Für diese Fortbildungen sollten auch die spezifischen Fachkenntnisse schwuler Pädagogen und lesbischer Pädagoginnen herangezogen werden.
  • Die Überarbeitung von Schulbüchern im Hinblick auf die Berücksichtigung aller Lebensweisen. Dies gilt für alle Fächer.
  • Akzeptanzkampagnen (beispielsweise mit Plakaten) zum Thema Homosexualität – Bisexualität – Transgender in den Schulen.

[beschlossen auf dem 18. LSVD Verbandstag am 26.03.2006 in Köln]

Stellungnahme des Schwulenverband (SVD) (1998): Aids bekämpfen, die Rechte von AIDS-Erkrankten sichern!

Schwule Männer sind in Deutschland nach wie vor am stärksten betroffen. Ihr Anteil an den (anonym) registrierten AIDS-Erkrankungen liegt bei ungefähr 70 Prozent. AIDS hat das schwule Leben massiv verändert. Schwule Männer müssen erleben, wie Freunde und Bekannte erkranken und sterben. Zugleich müssen sie damit umgehen, dass im öffentlichen Bewusstsein das Thema AIDS, also Krankheit und Tod, auf das engste mit schwulen Lebensformen verbunden wird.

Im Moment ist AIDS aus den Schlagzeilen der Titelseiten weitgehend verschwunden. Der AIDS-politische Hauptscharfmacher Gauweiler erlebte einen Karriereknick. Nachdem in Deutschland der vielbeschworene Ausbruch in die sogenannte "Allgemeinbevölkerung" nicht wie erwartet stattgefunden hat, haben sich Öffentlichkeit und Politik vom Thema abgewandt. Verdrängung und Ignoranz machen sich breit, die Sensibilität für AIDS geht zurück.

Das »Red Ribbon«, die rote Schleife ist das internationale Symbol der Solidarität mit Menschen mit HIV und AIDS. Es wurde von Liz Taylor zunächst in den USA eingeführt. In vielen Ländern hat es bereits allgemeine Bekanntheit erlangt. Es wird dort weit über den Kreis der Hauptbetroffenengruppen getragen. Musiker tragen es bei ihren Konzerten, Moderatoren in Fernsehshows, Filmstars bei der Oscar-Verleihung. In Frankreich vereinigten sich im März 1994 alle Fernsehstationen des Landes zu einem gemeinsamen Themenabend über AIDS. Das »Red Ribbon« war überall präsent. In Deutschland ist das »Red Ribbon« vielfach noch unbekannt. Außerhalb der schwulen Welt ist man ohnehin recht zurückhaltend, wo demonstrative Solidarität nötig wäre. Das muss sich ändern. Dazu soll das »Red Ribbon« dienen. Es soll gerade auch in der allgemeinen Öffentlichkeit demonstrieren: Verdrängt AIDS nicht, vergesst nicht die Menschen mit HIV und AIDS.

Präventionsarbeit fördern

Das Nationale AIDS-Zentrum geht davon aus, dass sich in Deutschland jährlich circa 2500 Menschen mit dem HIV infizieren. Es darf daher kein Nachlassen in den Präventionsanstrengungen geben. Hier droht aber Gefahr: Die öffentliche Finanzierung von AIDS-Projekten ist auf allen Ebenen rückläufig. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erhält vom Bund weniger Geld, dadurch auch die Deutsche AIDS-Hilfe. Die Bundesländer kürzen ihre Mittel, auch viele regionale AIDS-Hilfen müssen Arbeitsbereiche einfrieren. Die Ausstattung der AIDS-Hilfe-Arbeit in den neuen Bundesländern ist völlig unbefriedigend.

Der Aufmerksamkeitsgrad für die Gefahr, die AIDS immer noch und vor allem für Schwule bedeutet, geht zurück. Die Zahl der Neuinfektionen droht wieder zu steigen. In der Präventionsarbeit Tätige beobachten, dass junge Schwule, die vom AIDS-Schock der 80er Jahre kaum geprägt sind, häufig schlecht über AIDS informiert sind und sich entsprechend verhalten. Sie müssen für die Prävention erst gewonnen werden. In den 80er Jahren hatte die Bundesregierung verschiedene Modellprogramme zur AIDS-Bekämpfung durchgeführt.

Soziale Grundsicherung

Viele AIDS-Kranke fallen aufgrund ihres Alters durch das soziale Netz. Im Gegensatz zu anderen chronisch Erkrankten sind die von AIDS betroffenen Menschen meist sehr jung. Bei Krebs haben beispielsweise 70 Prozent der an dieser Krankheit verstorbenen Menschen zum Zeitpunkt ihres Todes bereits das 65. Lebensjahr überschritten. Bei AIDS sind über 70 Prozent der Erkrankten beim Ausbruch der Krankheit noch keine 45 Jahre.

Das Versorgungssystem in der Bundesrepublik ist weitgehend von der Notwendigkeit der Sicherung im Alter bestimmt. Menschen, die jung erwerbsunfähig werden, sind letztlich nicht vorgesehen. Sie haben keine oder nur geringe Rentenansprüche und sind auf Sozialhilfe angewiesen. Eine große Zahl der Menschen mit AIDS ist damit auf das absolute Mindest-Versorgungsniveau herabgedrückt. Nicht umsonst hat bereits ein Drittel der in Deutschland an AIDS Erkrankten die Hilfe der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen AIDS-Stiftungen in Anspruch genommen. Wir müssen für das Recht der Betroffenen kämpfen, Krankheit und Tod in Würde und frei von Armut begegnen zu können. Wir brauchen daher eine soziale Grundsicherung für erwerbsunfähige Menschen mit AIDS genauso wie für andere Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen.

Freie Wahl der Pflegeform

Menschen mit HIV oder AIDS brauchen Unterstützung, die ihnen hilft, ihren jeweiligen Gesundheitszustand möglichst lange zu bewahren oder sogar zu verbessern. Hierher gehört neben der medizinischen Betreuung das Angebot psychosozialer Begleitung und aktivierender Pflege. Die Gesundheitspolitik muss der spezifischen Situation schwuler AIDS-Kranker gerecht werden. Viele haben mit ihrer Herkunftsfamilie gebrochen und können von dort keine Hilfe erwarten. Dafür hat sich in den größeren Städten ein Netz selbstorganisierter Pflege- und Versorgungseinrichtungen für schwule Männer entwickelt. Zu deren Leistungen zählen individuelle Pflege zu Hause, psychosoziale Unterstützung und sozialrechtliche Beratung, hauswirtschaftliche Hilfen, Angehörigenbetreuung und Sterbebegleitung.

Allerdings weigern sich die Krankenkassen, Schwerstpflegebedürftigen ausreichende ambulante Versorgung zuzugestehen. Die besondere Situation bei AIDS, wo Versorgung zu Hause aufgrund des schwankenden Krankheitsverlaufs sinnvoll ist, wird ausgeblendet. Es werden keine kostendeckende Sätze gezahlt. Der "Nationale AIDS-Beirat" beim Bundesgesundheitsministerium hat bereits 1992 "mit Nachdruck an die Kosten- und Leistungsträger" appelliert, "angemessene und kostendeckende Finanzierungsregelungen zur ambulanten medizinischen, pflegerischen und psychosozialen Versorgung von AIDS-Patienten zu vereinbaren". Geschehen ist bislang nichts. Auch die Pflegeversicherung schafft hier keine Abhilfe. Die ambulante pflegerische Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden muss endlich sichergestellt werden.

Verstärkung der Forschung

Die AIDS-Forschung in Deutschland hat bislang anders als in den USA oder in Frankreich wenig beachtliche Ergebnisse erzielt. Die Forschungsförderung muss verstärkt und die internationale Zusammenarbeit gesucht werden. Besonders dringlich sind beispielsweise Studien zu "Long-term survivors", um neue Möglichkeiten zu finden, gesund zu bleiben. Die Betroffenen müssen in Zielsetzung, Design, Durchführung und Auswertung der Studien ebenso wie bei deren Genehmigung und bei der Mittelvergabe ein Mitspracherecht haben. Die Forschung darf sich nicht nur auf medizinisch-biologische Aspekte beschränken, sondern muss interdisziplinär psychosoziale und gesellschaftliche Bedingungen berücksichtigen.

Selbstbewusstsein stärken

Die AIDS-Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages forderte bereits 1990, dass die AIDS-Prävention "die gegebene Lebensweise der Zielgruppen zu akzeptieren und zu berücksichtigen" habe: "Für die Aufklärung und Beratung der Homosexuellen sind die Homosexuellen-Selbsthilfegruppen und die Homosexuellen-Subkultur besonders wichtig. Diese informelle Struktur sollte deshalb weder behindert noch zurückgedrängt, sondern anerkannt und gefördert werden."

Für die AIDS-Politik in Deutschland wäre viel gewonnen, wenn diese Einsichten der Enquete-Kommission von den Entscheidungsträgern in Bund, Ländern und Gemeinden endlich umgesetzt würden. AIDS-Prävention heißt auch, schwule Männer in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, ihre soziale Aktivitäten zu fördern, ihre rechtliche und gesellschaftliche Gleichberechtigung durchzusetzen. Je selbstbewusster Menschen zu ihrem Schwulsein stehen können und in schwule Netzwerke integriert sind, desto reflektierter setzen sie sich mit den Präventionsanforderungen auseinander. Die Bürgerrechtspolitik des LSVD will die Rahmenbedingungen für Schwulenemanzipation verbessern: Durch ein Antidiskriminierungsgesetz, durch die rechtliche Gleichstellung schwuler Partnerschaften und durch die Förderung schwuler Infrastruktur. Jedes Mehr an gesellschaftlicher wie individueller Emanzipation ist auch ein Beitrag zur Bekämpfung von AIDS.

Was wir wollen:

  • Bessere Förderung der Präventionsarbeit: Die AIDS Hilfe Arbeit muss angemessen aus öffentlichen Mitteln gefordert werden. Es darf keine Kürzungen und kein Nachlassen in den Präventionsanstrengungen geben. Die Förderung für zielgruppenorientierte Präventionsarbeit muss ausgebaut werden, z.B. mit einem Bundesmodellprogramm "Junge Schwule".
  • Soziale Grundsicherung: Erwerbsunfähige Menschen mit AIDS brauchen genauso wie andere Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen eine soziale Grundsicherung.
  • Menschenwürdige Pflege für Erkrankte: An AIDS Erkrankte brauchen ein bedarfsgerechtes Angebot an Pflegemöglichkeiten. Eine menschenwürdige ambulante Versorgung von Schwerkranken und Sterbenden muss sichergestellt werden. Das Pflegerisiko muss finanziell abgesichert werden.
  • Bessere Forschungsanstrengungen: Die Forschungsförderung bei AIDS muss verstärkt und die internationale Zusammenarbeit stärker gesucht werden.
  • Stärkung schwulen Selbstbewusstseins: AIDS Prävention heißt auch, schwule Männer in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken. Dazu muss die schwule Infrastruktur gefördert werden. Schwule müssen vor Anfeindungen und Benachteiligungen durch ein Antidiskriminierungsgesetz geschützt werden.

Resolution des Schwulenverband (SVD) (1997): Die Erfolge der Präventionsarbeit nicht gefährden! Prävention statt Repression beim Infektionskrankheitengesetz festschreiben!

Die Präventionsarbeit in Deutschland war dank staatlicher Unterstützung außerordentlich erfolgreich. Die Zahl der Infizierten konnte auf relativ niedrigem Niveau stabilisiert werden.

Im letzten Jahr wurden in der AIDS-Forschung und -Therapie außerordentliche Erfolge verzeichnet. Neue Therapiemethoden wirken für HIV-Infizierte und AIDS-Erkrankte lebensverlängernd. Auch die Lebensqualität der Erkrankten konnte durch Virostatika und neue und bessere Therapien gegen opportunistische Infektionen verbessert werden.

Doch zur Entwarnung geben die Therapieerfolge keinen Anlass. Die Gefahr von AIDS ist nicht gebannt. AIDS ist noch nicht heilbar. AIDS ist auch noch keine normale chronische Krankheit. Zu einem Nachlassen in den Präventionsanstrengungen besteht daher kein Anlass.

Die Bundesregierung hat die Mittel für die AIDS-Prävention erheblich gekürzt. Dies ist fahrlässig! Sie gefährdet damit die Erfolge von über einem Jahrzehnt erfolgreicher Präventionsarbeit! Gerade angesichts der medizinischen Erfolge brauchen wir eine Aufklärungskampagne, die risikominimierendes Sexualverhalten fördert und vor einem leichtfertigen Nachlassen bei Safer Sex warnt. Die nachwachsende, jüngere Generation hat von den Kampagnen der 80er Jahren nichts mitbekommen. Auch sie hat ein Recht auf Aufklärung und Information, um sich vor vermeidbaren Risiken zu schützen.

Der Schwulenverband in Deutschland fordert:

  • Keine Kürzung bei der AIDS-Präventionsarbeit

Die Bundesregierung plant ein neues Infektionskrankheitengesetz.

Wir fordern:

  • Keine Einführung neuer Meldepflichten bei HIV und AIDS. Die Absagen an seuchenpolizeiliche Maßnahmen und das Setzen auf Prävention statt Repression hat sich bewährt!
  • Festschreibung der Prävention von HIV und AIDS als Pflichtaufgabe staatlicher Gesundheitspolitik.
  • Soziale Grundsicherung für Menschen mit HIV und AIDS. HIV-Infizierte und Kranke sollen im Rahmen der Sozialhilfe einen Mehrbedarfszuschlag von 50 % erhalten.
  • Absicherung der häuslichen Pflege für AIDS-Kranke. Die Pflegeversicherung ist nicht auf die Bedürfnisse von chronisch Kranken mit schwankendem Hilfsbedarf eingerichtet.
  • Die Bundesrepublik Deutschland sollte sich an den internationalen Forschungsanstrengungen für wirksame Therapien bei HIV beteiligen. Hier ist nicht nur eine Erhöhung des Forschungsetats, sondern auch ein international abgestimmtes Forschungskonzept gefordert. Die Beiträge Deutschlands zur AIDS-Forschung sind kein Ruhmesblatt für den Forschungsstandort Deutschland.

Beschluss des 9. SVD-Verbandstages am 12./13. April 1997 in Berlin

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