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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Homophobe Gewalt: Angriffe auf Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ*)

Zahlen/ Statistik zu homophober und transphober Gewalt / PMK Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung

Wie viel Gewalt gibt es gegen homosexuelle, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen? Wie hoch ist die Dunkelziffer? Statistik der Polizei zu homophober und transphober Gewalt bzw. Zahlen des Innenministeriums zu Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität?

Gewalt gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) - Hasskriminalität

Massivste Ausdrucksform von Homophobie und Transfeindlichkeit ist Hasskriminalität. Hassmotivierte Straftaten zielen nicht nur auf die Menschen als Individuen, sondern zusätzlich auch darauf, ganze Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern. Es kann auch heute noch gefährlich sein, im öffentlichen Raum als schwul, lesbisch, trans erkannt oder dafür gehalten zu werden. Allein der Anblick einer Drag Queen, einer trans Person oder eines lesbischen oder schwulen Paares kann Gewalttäter motivieren, brutal zuzuschlagen. Aus solchen Taten spricht Hass. Die Täter sehen sich als Vollstrecker eines von ihnen fantasierten Mehrheitswillens. LSBTIQ* gelten ihnen als minderwertig und vogelfrei. 

Wenn vor jedem verliebten Blick, vor einer Umarmung, vor einem Kuss im öffentlichen Raum zuerst die Umgebung gecheckt werden muss, wenn Menschen sich nicht sicher im öffentlichen Raum bewegen können, wenn sie bestimmte Orte aus Angst vor Gewalt meiden oder eher das Fahrrad als öffentliche Verkehrsmittel nehmen, um nicht Opfer von homo- und transphobe Vorfällen zu werden - dann ist das eine erhebliche Einschränkung von Freiheit.

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Was ist Hasskriminalität?
  2. Wie viel Hasskriminalität gegen LSBTIQ* gibt es in Deutschland?
  3. Wie viele LSBTIQ*-feindlich motivierte Straf- und Gewalttaten passieren in Deutschland? (Statistik)
  4. Wie hoch ist die Dunkelziffer?
  5. Wer sind die Täter*innen?
  6. Zahlen aus Bundesländern
  7. Warum werden nicht alle Taten angezeigt?
  8. Welche Maßnahmen würden die Anzeigebereitschaft bei der Polizei erhöhen?
  9. Warum werden nicht alle angezeigten Vorfälle in der Statistik zu PMK-Hasskriminalität erfasst?
  10. Wie kann die mangelhafte Erfassung LSBTIQ*-feindlicher Straf- und Gewalttaten verbessert werden?
  11. Welche Verantwortung tragen die Innenminister*innen?
  12. Strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung von LSBTIQ*-feindlicher Hasskriminalität
  13. Gesundheitliche Folgen von Hasskriminalität für die Betroffenen

1. Was ist Hasskriminalität?

Hasskriminalität ist ein Oberbegriff für politisch motivierte Straftaten bzw. Kriminalität (PMK). Sie umfasst Straftaten, die ebenso in der Allgemeinkriminalität begangen werden können, jedoch ideologisch motiviert sind. Das heißt, dass im Gegensatz zur Allgemeinkriminalität politisch motivierte Straftaten vor allem die demokratischen Grundwerte unseres Gemeinwesens und die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte bedrohen.

Das Opfer wird dabei stellvertretend für eine (zugeschriebene) Gruppe angegriffen, d.h. die Tat gilt eigentlich der ganzen Gruppe. Werden diese Taten öffentlich, schüchtert und verunsichert das letztlich eine ganze Gruppe. Dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden, z.B. Vandalismus und Sachbeschädigungen am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.

Hasskriminalität ist seit 2001 ein Themenfeld der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK). Zunächst wurde nach folgenden Unterthemen unterschieden: fremdenfeindliche, antisemitische, rassistische, christenfeindliche, islamfeindliche und antiziganistische Straftaten sowie gegen sonstige Religionen, gegen den gesellschaftlichen Status gegen die sexuelle Orientierung, gegen eine Behinderung und gegen sonstige ethnische Zugehörigkeit gerichtete Straftaten. (Quelle: Die polizeiliche Erfassung von Hasskriminalität als Politisch motivierte Straftaten. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen (Drs. 17/14546) vom 16.09.2013 und Straf- und Gewaltdaten im Bereich Hasskriminalität 2017 und 2018, veröffentlicht vom Bundesinnenministerium). 

Zum 1.1.2020 wurde das neue Unterthemenfeld "Geschlecht/sexuelle Identität" eingeführt. Damit wollte das BMI ermöglichen, "transphobe" und "homophobe" Taten in der zentralen Fallzahlendatei 'Lageauswertung Politisch motivierte Straftaten' (LAPOS) zu ermöglichen (Antwort des Bundesinnenministeriums vom auf eine schriftliche Frage von Ulle Schauws, MdB vom 10.01.2021). Warum man für Angriffe auf trans* Personen die Kategorie "sexuelle Identität" gewählt hat, wird nicht näher erläutert. Tatsächlich geht es bei Transgeschlechtlichkeit um Geschlecht bzw. geschlechtliche Identität, nicht um Sexualität. Die Kategorie ermöglichte zudem keine trennscharfe Unterscheidung zwischen frauenfeindlicher und transfeindlicher Motivation. Seit dem 1.1.2022 ist das Unterthemenfeld "Geschlecht/sexuelle Identität" daher in die drei Unterthemenfelder "frauenfeindlich", "geschlechtsbezogene Diversität" und "männerfeindlich" ausdifferenziert. Trans- und interfeindliche Hasskriminalität soll unter das neue Unterthemenfeld "geschlechtsbezogene Diversität" fallen (vgl. Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (Bündnis 90/ Die Grünen) vom 29.03.2022).

Die Straftaten werden zudem einzelnen Phänomenbereichen zugeordnet:

  • PMK -rechts-
  • PMK -links-
  • PMK -ausländische Ideologie-
  • PMK -religiöse Ideologie-
  • PMK -nicht zuzuordnen-

Politisch Motivierte Kriminalität fällt in die Zuständigkeit des polizeilichen Staatsschutzes.

2. Wie viel Hasskriminalität gegen LSBTIQ* gibt es in Deutschland?

Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTIQ*) sind keine homogene Gruppe. Ihre Erfahrungen, Chancen und Identitäten sind neben der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität auch abhängig von vielen anderen Faktoren wie etwa Hautfarbe, Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsstatus, Einkommen, Religion oder ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht. Viele LSBTIQ* erleben aufgrund unterschiedlicher Merkmale und Zugehörigkeiten Mehrfachdiskriminierung bzw. alle Formen von Hasskriminalität. Daher ist es präziser zu fragen, wie viel LSBTIQ*-feindlichen Straf- und Gewalttaten es in Deutschland gibt.

Allerdings erfasst die PMK-Statistik LSBTIQ*-feindliche Straftaten nicht trennscharf. Zum einen werden Straftaten erfasst, die sich gegen die sexuelle Orientierung des Opfers richten. Ob das Opfer lesbisch, schwul oder bisexuell war, wird nicht weiter aufgeschlüsselt. Bis 2020 wurde dieser Kategorie auch transfeindliche und interfeindliche Gewalt zugeordnet, obwohl Transgeschlechtlichkeit und Intergeschlechtlichkeit keine sexuellen Orientierungen sind. Zum 1.1.2020 wurde das neue Unterthemenfeld "Geschlecht/sexuelle Identität" eingeführt, um laut Bundesinnenministerium "transphobe" und "homophobe" Taten unterscheiden zu können. Diese Kategorie ermöglichte jedoch keine trennscharfe Unterscheidung zwischen beispielsweise frauenfeindlicher, transfeindlicher und interfeindlicher Hassgewalt. Seit dem 1.1.2022 ist das Unterthemenfeld "Geschlecht/sexuelle Identität" daher ausdifferenziert in die drei Unterthemenfelder "frauenfeindlich", "geschlechtsbezogene Diversität" und "männerfeindlich" (Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (Bündnis 90/ Die Grünen) vom 29.03.2022). Trans- und Interfeindlichkeit soll durch das Unterthemenfeld "geschlechtsbezogene Diversität" erfasst werden. LSBTIQ*-feindliche Gewalt richtet sich zudem nicht nur gegen LSBTIQ*, sondern auch gegen Menschen, die von den Täter*innen als LSBTIQ* wahrgenommen werden. 

In Deutschland bestehen eklatante Forschungslücken im Hinblick auf LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität. Für die Innenministerien in Bund und Ländern war das offenbar bis zur IMK-Herbstkonferenz 2021 kein relevantes Thema - dort wurde ein Arbeitskreis "Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt" eingerichtet, der einen Bericht mit Handlungsempfehlungen vorlegen soll. Es müssen jedoch auch Untersuchungen in Auftrag gegeben werden, um empirische Daten über Ausmaß, Erscheinungsformen und Hintergründe sowie belastbare Erkenntnisse über den Umgang von Polizei und Justiz mit diesen Ausprägungen von Hasskriminalität zu erlangen.

3. Wie viele LSBTIQ*-feindlich motivierte Straf- und Gewalttaten passieren in Deutschland (Statistik)?

Wie geschildert veröffentlicht das Bundesinnenministerium Zahlen zu LSBTIQ*-feindlich motivierten Straf- und Gewalttaten als Politisch-Motivierte Kriminalität (PMK) – Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung und seit 2020 auch Hasskriminalität aufgrund von "Geschlecht/sexuelle Identität" bzw. seit 2022 aufgrund von "geschlechtsbezogener Diversität". Diese Statistik ist eine Eingangsstatistik, d.h. sie beruhen auf den Zahlen, die dem Bundesinnenministerium aus den Bundesländern gemeldet werden.

Außerdem gibt es die Möglichkeit, dass Bundestagsfraktionen Kleine Anfragen an die Bundesregierung stellen, um diese Zahlen vor der offiziellen Veröffentlichung zu erhalten.

Zahlen für 2022 bundesweit

Laut der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (Bündnis 90/ Die Grünen) wurden 2022 dem Unterthemenfeld "sexuelle Orientierung" 1.005 Fälle zugeordnet, davon 227 Gewaltdelikte, 341 Beleidigungen und 147 Volksverhetzungen. 

Im neuen Unterthemenfeld "geschlechtsbezogene Diversität" wurden 417 Fälle gemeldet, davon 82 Gewaltdelikte, 120 Beleidigungen und 65 Volksverhetzungen.

Quelle: Zahl der queerfeindlichen Straftaten explodiert weiter - queer.de, (30.03.2023)

Am 09.05.2023 stellte das Bundesinnenministerium die Statistik über politisch motivierte Gewalttaten im Jahr 2022 vor. Dort steht:

Im Unterthemenfeld „Sexuelle Orientierung“ wurden 1.005 Straftaten erfasst, dies entspricht einer Steigerung von 15,52 % gegenüber dem Vorjahr. Die meisten Delikte (63,48 %) wurden im Phänomenbereich PMK -nicht zuzuordnen- gemeldet. Es wurden phänomenübergreifend 227 Gewaltdelikte (2021: 164), davon 213 Körperverletzungen (2021: 154), registriert. In 341 Fällen (2021: 310) wurden Beleidigungen zur Anzeige gebracht.

Die nachfolgend dargestellten Unterthemenfelder „Frauenfeindlich“, „Geschlechtsbezogene Diver-sität“ und „Männerfeindlich“ wurden zum 01.01.2022 im Themenfeldkatalog des KPMD-PMK neu eingeführt. Das zuvor genutzte Unterthemenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ wurde zum Ende des Jahres 2021 gestrichen.
Die meisten Delikte in diesen Unterthemenfeldern wurden in den Phänomenbereichen PMK -nicht zuzuordnen- und PMK - rechts- erfasst. Phänomenübergreifend wurden im Unterthemenfeld „Frauenfeindlich“ 15 Gewaltdelikte/Körperverletzungen, im Unterthemenfeld „Geschlechtsbezogene Diversität“ 82 Gewaltdelikte, mit 75 Körperverletzungen, und im Unterthemenfeld „Männer-feindlich“ zwei Gewaltdelikte/Körperverletzungen registriert. In 83 Fällen wurden im Unterthe-menfeld „Frauenfeindlich“, in 120 Fällen im Unterthemenfeld „Geschlechtsbezogene Diversität“ und in drei Fällen im Unterthemenfeld „Männerfeindlich“ Beleidigungen zur Anzeige gebracht.

Quelle: Bundesinnenministerium

Zahlen für 2021 bundesweit

Laut der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (Bündnis 90/ Die Grünen) wurden 2021 dem Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ insgesamt 870 Fälle zugeordnet, davon 164 Gewaltdelikte.

Dem Unterthemenfeld „Geschlecht/sexuelle Identität“ 340 Fälle, davon 57 Gewalttaten. Aufgrund von Mehrfachnennungen können diese Zahlen nicht einfach addiert werden. So ergeben sich insgesamt 1.051 Straftaten im Bereich der Politisch-Motivierten Kriminalität Unterthemenfeld "Geschlecht/Sexuelle Identität" UND/ODER "Sexuelle Orientierung" registriert, davon sind 190 Gewalttaten.

Zahlen für 2020 bundesweit

Laut Bundesinnenministerium wurden für 2020 insgesamt 204 Straftaten dem zum 1. Januar 2020 neu eingerichteten Themenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ zugeordnet. Damit sind transphob motivierte Taten gemeint. Bei den dort registrierten 40 Gewaltdelikten handelte es sich in 35 Fällen um Körperverletzungen. Im Unterthemenfeld "Sexuelle Orientierung" wurden insgesamt 578 Straftaten, davon 114 Gewaltdelikte, mit 109 Körperverletzungen registriert. Diese Taten gelten als homophob motiviert. 

Insgesamt wurden folglich 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen LSBTIQ* registriert, darunter 154 Gewalttaten (144 Körperverletzungen). Das ist ein Anstieg von 36% gegenüber 2019. Drei schwulenfeindlich motivierte Morde sind nicht in die Statistik eingegangen.

Quelle: Bundesinnenministerium: Straf- und Gewalttaten im Bereich Hasskriminalität 2019 und 2020 (04.05.2021)

Zahlen für 2019 bundesweit

Dem Bundesinnenministerium zufolge gab es 2019 mindestens 576 politisch motivierte Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung, darunter 151 Gewalttaten. Unter dem Begriff „Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung“ erfasste die Bundesregierung „alle gegen Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuelle motivierten Straftaten“.

Quelle: Bundesinnenministerium - Straf- und Gewaltdaten im Bereich Hasskriminalität 2018 und 2019 (pdf)

Am 27.05.2020 hat Bundesinnenminister Horst Seehofer gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Thüringens Innenminister Georg Maier, und dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, die Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität (PMK) vorgestellt. Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung war dem Innenminister dabei keine Erwähnung wert. In dem 14-seitigen Bericht kommt politisch motivierte Kriminalität und Hassgewalt gegen LSBTIQ* schlichtweg nicht vor. Und das, obwohl im Vergleich zu 2018 die Zahl der Straftaten gegen queere Menschen damit um über 60 Prozent und bei den Gewalttaten sogar um mehr als 70 Prozent gestiegen ist. 

Für die Innenministerien in Bund und Ländern ist das offenbar bis heute kein relevantes Thema. Diese fahrlässige Ignoranz muss ein Ende haben. „Wir respektieren geschlechtliche Vielfalt. Alle Menschen sollen unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben können – mit gleichen Rechten und Pflichten. Homosexuellen- und Transfeindlichkeit verurteilen wir und wirken jeder Diskriminierung entgegen.“ – das schreibt die aktuelle Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag. Wie dieses Ziel genau erreicht werden soll; das bleibt der Vertrag schuldig. Horst Seehofer jedenfalls hat die Chance einer expliziten und öffentlichen Verurteilung erneut verpasst.

Zahlen für 2018 und 2017 bundesweit

Laut Statistitik des Bundesinnenministeriums gab es 2018 insgesamt 351 gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Straftaten, davon 97 Gewalttaten. 2017 waren es 313 Straftaten, davon 74 Gewalttaten. (Quelle: Straf- und Gewaltdaten im Bereich Hasskriminalität 2017 und 2018). 2018 wurde ein Tötungsdelikt an einem schwulen Mann in Aue in der offiziellen Statistik registriert. (Quelle: Behördlicher Umgang mit Hasskriminalität gegen LSBTIQ. Antwort auf Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, Dr. 19/13371, S. 6). Im Prozess wurden die drei Angeklagten allerdings nicht wie von der Staatsanwaltschaft gefordert wegen Mord verurteilt, sondern nur wegen Totschlag. Das Gericht ließ die Möglichkeit der Homophobie als niederen Beweggrund für die Tat unberücksichtigt. (Quelle: tagesspiegel.de: Tötung eines Homosexuellen wird nicht als Mord gewertet, 07.06.2019)

4. Wie hoch ist die Dunkelziffer?

Auf 80 bis 90 Prozent schätzt Sebastian Stipp, eine von zwei Ansprechpersonen der Berliner Polizei für queere Menschen, das Dunkelfeld. Viele Fälle werden z.B. nicht bei der Polizei angezeigt oder aber nicht richtig als PMK – Hasskriminalität vermerkt, sondern "nur" als Allgemeinkriminalität (z.B. Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung etc.). (Quelle: Berliner melden so viele Übergriffe auf queere Menschen wie nie, rbb vom 07.05.2019)

Das heißt: Nur ein Bruchteil LSBTIQ*-feindlicher Hasskriminalität wird angemessen registriert und klassifiziert. Notwendig ist daher eine Reform der polizeilichen Erfassungssysteme, damit LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität in ihren realen Ausmaßen gesellschaftlich sichtbar wird. Wichtig ist auch, dass nach dem Vorbild von Berlin mögliche homophobe oder transfeindliche Hintergründe von Straftaten gezielt in den Polizeiberichten publik gemacht werden.

Viele Betroffene scheuen immer noch den Weg zur Polizei. Die Behörden müssen daher bei der Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt verstärkt mit LSBTIQ*-Organisationen zusammenarbeiten. Innerhalb der Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften sollen dazu Ansprechpersonen bestellt werden, wie dies in einigen Städten erfolgreich praktiziert wird.

Im 2020 veröffentlichten LGBTI-Survey der EU-Grundrechteagentur beteiligten sich auch über 16.000 LSBTIQ* aus Deutschland. Danach sind lediglich 13% der Befragten zur Polizei gegangen, um einen physischen Angriff oder sexualisierte Gewalt anzuzeigen. (EU-Durchschnitt: 14%). 23% haben in den letzten fünf Jahren nach einer Gewalttat eine Anzeige vermieden aus Angst vor homo-/transphober Reaktion der Polizei.

Auf eine große Dunkelziffer deuten auch Zahlen aus anderen Ländern hin. Im Vereinigten Königreich wurden laut Statista beispielsweise 2022 über 26.000 Fälle von queerfeindlich motivierter Hasskriminalität gemeldet.

5. Wer sind die Täter*innen?

Politisch-motivierte Straftaten werden einzelnen Phänomenbereichen zugeordnet. Das gilt auch für Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung bzw. dem Themenfeld "Geschlecht/ sexuelle Identität". Diese Phänomenbereiche sind:

  • PMK -rechts-
  • PMK -links-
  • PMK -ausländische Ideologie-
  • PMK -religiöse Ideologie-
  • PMK -nicht zuzuordnen-

2022 wurden insgesamt wurden im Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ 1.005 Straftaten (davon 227 Gewaltdelikte) und im Unterthemenfeld „geschlechtliche Diversität“ 417 Straftaten (davon 82 Gewaltdelikte) erfasst, also insgesamt 1423. Dies schlüsselt sich wie folgt auf:

Entwicklung der politisch motivierten Straftaten im Unterthemenfeld „Sexuelle Orientierung“ (Oberthemenfeld „Hasskriminalität“) in den einzelnen Phänomenbereichen im Vergleich des Berichtszeitraums zum Vorjahr (2022 zu 2021)

Jahr 2022 2021 in %
PMK -rechts- 321 265 + 21,13%
PMK -links- 10 6 + 66,67%
PMK -ausländische Ideologie- 16 14 + 14,29%
PMK -religiöse Ideologie- 20 19 +5,26%
PMK -nicht zuzuordnen- 638 566 +12,72%
Gesamt 1.005 870 +15,52%

Das zuvor genutzte Unterthemenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ wurde zum Ende des Jahres 2021 gestrichen. Stattdessen wurde das Feld "geschlechtsbezogene Diversität" neu eingeführt. Diese schlüsseln sich folgendermaßen auf:

2022 Geschlechtsbezogene Diversität
PMK -rechts- 125
PMK -links- 7
PMK -ausländische Ideologie- 4
PMK -religiöse Ideologie- 9
PMK -nicht zuzuordnen- 272
Gesamt 417

2020 wurden insgesamt 782 homo- und transphob motivierte Straftaten, darunter 154 Gewalttaten, registriert. Der tödliche islamistische Terroranschlag auf ein schwules Paar in Dresden im November 2020 ist in der Statistik noch nicht registriert. Ebenso ist der Mord an einen schwulen Mann durch zwei rechtsextreme Männer im thüringischen Altenburg nicht in diese Statistik eingegangen. Diese Taten wurden folgendermaßen aufgeschlüsselt:

Unterthemenfeld "Geschlecht/ sexuelle Identität" (gemeint sind transphob motivierte Straftaten) (insgesamt: 204 Straftaten)

  • PMK rechts: 98 (davon 7 Gewalttaten)
  • PMK links: 4 (keine Gewalttaten)
  • PMK ausländische Ideologie: 4 (davon 2 Gewalttaten)
  • PMK religiöse Ideologie: 4 (davon 1 Gewalttat)
  • PMK nicht zuzuordnen: 94 (30 Gewalttaten)

Unterthemenfeld "Sexuelle Orientierung" (gemeint sind homophob motivierte Straftaten) (578 Straftaten)

  • PMK rechts: 175 (davon 24 Gewalttaten)
  • PMK links: 12 (keine Gewalttaten)
  • PMK ausländische Ideologie: 10 (davon 3 Gewalttaten)
  • PMK religiöse Ideologie: 17 (davon 4 Gewalttaten)
  • PMK nicht zuzuordnen: 364 (83 Gewalttaten)

Quelle: Bundesinnenministerium: Straf- und Gewalttaten im Bereich Hasskriminalität 2019 und 2020 (04.05.2021)

2019 wurden die insgesamt 576 gegen die sexuelle Orientierung gerichteten Straf- und Gewalttaten so aufgeschlüsselt

  • PMK rechts: 187 (davon 30 Gewalttaten)
  • PMK links: 1 (keine Gewalttaten)
  • PMK ausländische Ideologie: 37 (davon 15 Gewalttaten)
  • PMK religiöse Ideologie: 4 (davon 1 Gewalttat)
  • PMK nicht zuzuordnen: 347 (105 Gewalttaten)

2018 wurden die insgesamt 351 gegen die sexuelle Orientierung gerichteten Straf- und Gewalttaten so aufgeschlüsselt:

  • PMK rechts: 92 (davon 12 Gewalttaten)
  • PMK links: 12 (davon 2 Gewalttaten)
  • PMK ausländische Ideologie: 16 (davon 10 Gewalttaten)
  • PMK religiöse Ideologie: 8
  • PMK nicht zuzuordnen: 223 (73 Gewalttaten) 

Quelle: Bundesinnenministerium - Straf- und Gewaltdaten im Bereich Hasskriminalität 2018 und 2019 (pdf)

6. Zahlen aus Bundesländern

Die Zahlen des Bundesinnenministeriums werden nicht nach Bundesländern aufgeschlüsselt. Mit Ausnahme von Berlin veröffentlicht kein Bundesland regelmäßig die gemeldeten Zahlen. 2021 hat Bremen beschlossen, Landesdaten zur politisch motivierten Kriminalität nach dem Vorbild Berlins zu veröffentlichen und dabei queerfeindliche Straf- und Gewalttaten gesondert auszuweisen. Es ist sehr auffällig, dass allen die von Berlin gemeldeten Fälle regelmäßig ein bis zwei Drittel der vom Bundesinnenministerium veröffentlichten Zahlen stellen. Es ist anzunehmen, dass es eher an der größeren Sensibilität und genaueren Erfassung dieser Taten durch die Berliner Polizei liegt als daran, dass in der Hauptstadt fast passiert als in allen anderen Bundesländern zusammen.

Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt veröffentlicht Zahlen zu rechten Gewalttaten für die fünf ostdeutschen Bundesländern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Ausgewiesen werden dabei auch explizit Gewalttaten gegen LGBTIQ+. Danach gab es 2019 von den insgesamt 1.347 registrierten Fällen 134 Taten gegen LGBTIQ+. 2020 richteten sich 118 der insgesamt 1.322 registrierten  Taten gegen LSBTIQ.

Baden-Württemberg

Laut dem Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen wurden 2020 in Baden-Württemberg 45 Delikte mit dem Unterthemenfeld „Geschlecht/sexuelle Identität“ und 22 Delikte mit dem Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ erfasst. Eine Tat kann mehreren Unterthemenfeldern zugeordnet werden. 

Phänomenbereich in PMK Unterthemenfeld „Geschlecht/ sexuelle Identität“ Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“
PMK -religiöse Ideologie 1 1
PMK -ausländische Ideologie 0 0
PMK -rechts- 42 13
PMK -links- 0 1
PMK -nicht zuzuordnen- 2 7
Gesamt 45 22

Quelle: Stellungnahme des Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen auf den Antrag der Fraktion GRÜNE - Hasskriminalität in Baden-Württemberg (Drucksache 17/573) vom 12.08.2021

Bayern

Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung gerichtet

Jahr 2020 2019 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012
Fälle 37 29 11 22 21 32 49 23 13

Quelle: Zunahme von Hasskriminalität gegen LSBTIQ*. Antwort auf eine Kleine Anfrage von Tessa Ganserer (Grüne Bayern) vom 28.05.2021 (Drucksache 18/5112)

Die Münchner Fachstelle Strong - LGBTI Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt hat für 2021 165 queefeindliche Vorfälle erfasst, davon ereigneten sich mehr als die Hälfte in München (88 Fälle). Die Vorfälle reichen von Beleidigungen (12) über Bedrohung (29) und Tätlichkeiten (30) bis hin zu sexuellen Übergriffen und Vergewaltigung (29). Für 2020 registrierte die Fachstelle insgesamt 101 Fälle von Gewalt und Diskriminierung, 11 Fälle waren Partnerschaftsgewalt.

Für 2019 gibt die Bayerische Polizei 17 Straftaten an, die sich gegen die sexuelle Orientierung der Opfer richtete. 2018 waren es laut Polizei 6 Straftaten.

Quelle: Sicherheitsbericht 2019 der Bayerischen Polizei, S. 82.

In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen "Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen von Lesben und trans* Frauen" vom 18.10.2019 veröffentlichte die Staatsregierung folgende Zahlen für die Jahre 2014 - 2018.

a) Anzeigen im Bereich Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung/geschlechtlichen Identität

  2014 2015 2016 2017 2018
Anzahl der Delike 49 32 21 22 11

b) davon Gewalttaten

  2014 2015 2016 2017 2018
Anzahl der Straftaten 1 3 1 6 4
Opferanzahl (gesamt) 3 5 1 6 7
 - davon männlich 3 5   6 5
 - davon weiblich     1   2

Quelle: Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen "Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen von Lesben und trans* Frauen" vom 18.10.2019 (Drucksache18/3572)

Berlin

Die Fallzahlen im Bereich «Sexuelle Orientierung», «Geschlecht/sexuelle Identität» bzw. «Geschlechtsbezogene Diversität» in Berlin haben 2022 leicht zugenommen. Hier wurden im vergangenen Jahr 2542 Fälle registriert, 13 Fälle mehr als im Jahr 2021. (Quelle: Mannschaft)

Laut dem 2. Berliner Monitoring "Trans- und homophobe Gewalt" (12/2022) setzt sich der kontinuierliche Anstieg polizeilich registrierter LSBTIQ*-feindlicher Straftaten in Berlin
seit 2014 weiter fort. Im Jahr 2020 wurden 377, 2021 sogar 456 LSBTIQ*-feindliche Taten. Das ist der mit Abstand höchste jemals erfasste Wert. Beleidigungen stellen weiterhin das am häufigsten angezeigte Delikt dar, wobei deren Anteil in den letzten Jahren zunahm und 2021 bei 48,5 % lag. Auch Körperverletzungen (2021: 28,7 %) und gefährliche Körperverletzungen (2021: 9,6 %) kommen oft vor. Die Einstufung LSBTIQ*-feindlicher Taten als extremistische Kriminalität, die seit 2019 verstärkt zu verzeichnen ist und 2021 bereits den Großteil aller Fälle (84,4 %) betrifft, verweist auf einen Paradigmenwechsel der polizeilichen Bewertung des Phänomens. LSBTIQ*-feindliche Taten werden insbesondere in Regionen mit sichtbarem und offenem queerem Leben angezeigt. Die Zeitpunkte LSBTIQ*-feindlicher Straftaten überschneiden sich mit dem Ausgehleben im öffentlichen Raum – im Frühling und Sommer, am Wochenende und in den Abendstunden. Die ermittelten Tatverdächtigen LSBTIQ*-feindlicher Straftaten sind nahezu ausnahmslos männlich, häufig jung und auffällig oft bereits polizeilich bekannt ¬- sie agieren ebenso allein wie aus Gruppen heraus. Die meisten LSBTIQ*-feindlichen Übergriffe treffen Personen, die allein unterwegs sind. Der Anteil geschädigter lesbischer, bisexueller und queerer Frauen steigt zuletzt in Richtung einer erhöhten Sichtbarkeit an, männliche* Geschädigte sind in höherem Maße von Gewaltdelikten betroffen.

Quelle: Camino (2022): 2. Berliner Monitoring "Trans- und homophobe Gewalt"

Zahlen 2020

Im Rahmen der Verleihung des Respekt-Preises 2021 stellte die Berlin Polizeipräsidentin, Dr. Barbara Slowik, die aktuelle Kriminalitätsstatistik queerfeindlicher Übergriffe für das Jahr 2021 vor. Im Bereich der Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität wurden für Berlin bisher 369 Fälle registriert und damit nahezu so viele Fälle wie im gesamten Vorjahreszeitraum (2020: 372 Fälle). Gewaltdelikte machten 94 der angezeigten Fälle aus. Es wurden fünf Propagandadelikte registriert sowie 270 sonstige Straftaten, darunter vor allem Beleidigungen und Bedrohungen.

Quelle: Pressemitteilung des LSVD Berlin-Brandenburg vom 15.12.2021

Laut dem Berliner Innensenator wurden 2020 insgesamt 341 Fälle, davon 81 Gewalttaten registriert. Das sind knapp 60% der bundesweit erfassten Fälle.

Laut dem Berliner Anti-Gewalt-Projekt Maneo wiesen 2020 510 Fälle, die sich auf Berlin bezogen, deutliche und einfache Hinweise auf einen homo- oder transphoben Hintergrund aus (2019: 559; 2018: 382). Davon richteten sich 29 Fälle gegen die Gruppe der LSBT* allgemein (z.B. Anschläge gegen Gedenkstätten von LSBT*), 367 Fälle gegen Schwule/ männliche Bisexuelle; 48 Fälle gegen Lesben/ weibliche Bisexuelle; 66 Fälle gegen trans* Personen.

 Quelle: Maneoreport 2020, S. 25

Für 2020 hat die Berliner Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt, Reach Out, 93 Taten mit LGBTIQ*-feindlichen Motiven registriert.

Quelle: Pressemitteilung zu den Angriffen in Berlin 2020 vom 09.03.2021

2019

Das Berliner Anti-Gewalt-Projekt Maneo hat für 2019 559 Fälle registriert - ein Anstieg von 32 Prozent im Vergleich zu 2018. Im Jahr 2018 waren 382 Übergriffe erfasst worden. In den meisten Fällen waren 2019 Schwule und männliche Bisexuelle betroffen (395 Fälle). 153 Fälle waren Körperverletzungen. Jeder zweite Übergriff ereignetete sich im öffentlichen Raum (282).

Quelle: So viele Übergriffe gegen Homosexuelle registriert wie noch nie (Berliner Zeitung vom 15.05.2020)

Berliner Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt, Reach Out, hat 105 Angriffe auf Lesben, Schwule und Transgender registriert. 2018 waren es noch 63 Angriffe gewesen.

Quelle: Opferberatung zählt deutlich mehr rassistisch motivierte Angriffe. (rbb vom 11.03.2020)

2018

Für 2018 zählte die Berliner Polizei 225 Straftaten, die sich gegen queere Menschen richteten. Das sind 54 mehr als 2017.

Quelle: Berliner melden so viele Übergriffe auf queere Menschen wie nie. (rbb vom 07.05.2019)

Brandenburg

2023

Die Zahl der gemeldeten Übergriffe auf Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender und intersexuelle Menschen stiegen von 29 im Jahr 2022 auf 51. Das teilte das Innenministerium in Potsdam auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Andrea Johlige (Linke) mit.

Quelle: Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3321 der Abgeordneten Andrea Johlige (Fraktion Die Linke) - Drucksache 7/9136 vom 27.02.2024

2021

Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrea Johlige (Fraktion DIE LINKE, Nr. 1799) geht hervor, dass es im Betrachtungszeitraum 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021 insgesamt 17 Straftaten mit dem Oberfeld "Hasskriminalität" und dem Untertehema "sexuelle Orientierung" gab. Die 17 Straftaten wurden als "politisch motivierte Delikte klassifiziert.

Quelle: Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1799 der Abgeordneten Andrea Johlige (Fraktion DIE LINKE) - Drucksache 7/4957 vom 28.02.2022

2020

Die Polizei in Brandenburg hat 19 Straftaten auf LSBTIQ* registriert. Dies geht aus den am Mittwoch veröffentlichten Antworten des Innenministeriums in Potsdam auf Anfragen aus der Linke-Landtagsfraktion hervor. 

Quelle: Straftaten gegen Homosexuelle, Behinderte und Obdachlose (Berlin.de vom 24.02.2021) 

Das Innenministerium hat der Linksfraktion des Landtages auf eine Anfrage mitgeteilt, dass die Polizei in Brandenburg 2019 acht Straftaten gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung registrierte, so viele wie im Jahr 2015.

Quelle: Weniger Straftaten gegen Schwule und Lesben als noch vor Jahren (Märkische Allgemeine Zeitung vom 14.02.2020)

2018 zählte die Polizei in Brandenburg lediglich sechs solcher Straftaten.

Quelle: Berliner melden so viele Übergriffe auf queere Menschen wie nie. (rbb vom 07.05.2019)

Bremen

Im Jahr 2021 zählte Bremen im Unterfeld "Geschlecht / sexuelle Identität" 16 politisch motivierte Straftaten. Im Unterfeld "sexuelle Orientierung" gab es 12 Staftaten.

Phänomenbereich in PMK Unterthemenfeld „Geschlecht/ sexuelle Identität“ Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“
PMK -religiöse Ideologie 0 0
PMK -ausländische Ideologie 1 0
PMK -rechts- 3 3
PMK -links- 0 0
PMK -nicht zuzuordnen- 12 9
Gesamt 16 12

Im Jahr 2020 zählte Bremen im Unterfeld "Geschlecht / sexuelle Identität" 11 politisch motivierte Straftaten. Im Unterfeld "sexuelle Orientierung" gab es 8 Staftaten.

Phänomenbereich in PMK Unterthemenfeld „Geschlecht/ sexuelle Identität“ Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“
PMK -religiöse Ideologie 1 1
PMK -ausländische Ideologie 1 0
PMK -rechts- 6 5
PMK -links- 1 1
PMK -nicht zuzuordnen- 2 1
Gesamt 11 8

Quelle: Mitteilung des Senats vom 3. Mai 2022. Politisch motivierte Kriminalität im Land Bremen im Jahr 2021 (Drucksache 20/1457)

Die Polizei nahm im Jahr 2020 14 Strafanzeigen mit LSBTI*-feindlicher Motivation auf.

Quelle: Antwort auf eine Anfrage des Anti-Gewalt-Projekt Maneo

Jahr Straftat / davon Gewalttat Phänomenenbereich

2018

15 / 1 8 rechts, 7 nicht zuzuordnen

2019

11 / 6 2 rechts, 9 nicht zuzuordnen

Quelle: Angaben der Polizei Bremen

Hamburg

Für 2021 wurden 67 Fälle registriert (Quelle).

Jahr 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Anzahl Taten 10 35 8 13 36 30
davon Gewaltdelikte 8 9 0 6 15 6

Homo- und transfeindliche Straftaten in Hamburg 2020. Antwort des Hamburger Senats vom 14.05.2021 auf Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Farid Müller (GRÜNE) (Drucksache 22/4276)

Hessen

Für 2021 hat das LKA Hessen 34 Fälle registriert. (Quelle)

In den vergangenen 5 Jahren wurden in Hessen Fallzahlen mit den Erhebungsparametern „Sexuelle Orientierung“ und „Hasskriminalität“ sowie ab 2020 ergänzend mit „Geschlecht / Sexuelle Identität“ registriert.

  • 2016: 5 Fälle
  • 2017: 15 Fälle
  • 2018: 7 Fälle
  • 2019: 1 Fall
  • 2020: 23 Fälle

Quelle: Antwort auf eine Anfrage des Anti-Gewalt-Projekt Maneo

Mecklenburg-Vorpommern

2020: 1
2019: 8

Quelle: Antwort auf eine Anfrage des Anti-Gewalt-Projekt Maneo

Niedersachsen

In Niedersachsen wurden 2021 in den Unterthemenfeldern „sexuelle Orientierung“ und „Geschlecht/sexuelle Identität“ insgesamt 55 Straftaten (2020: 33 Straftaten) registriert, davon ein Gewaltdelikt (2020: ein Gewaltdelikt).

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport 

Nordrhein-Westfalen

Laut einer Antwort der Landesregierung gab es 2019 20 Fälle: drei Körperverletzungen, vier Beleidigungen, drei Sachbeschädigungen, fünf Volksverhetzungsdelikte und fünf Verwendungen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Quelle: Gewalt gegen LSBTI* im Jahr 2019. Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3328 vom 22. Januar 2020 der Abgeordneten Josefine Paul und Verena Schäffer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 17/8516).

Rheinland-Pfalz

2022 wurden in Rheinland-Pfalz 23 Angriffe gemeldet, aber Polizei und Landesregierung betonen, die Dunkelziffer sei deutlich höher.

Quelle: Rheinland-Pfalz Warum gibt es immer öfter Gewalt gegen Homosexuelle? auf tagesschau.de vom 23.11.23

Diese Zahlen der ermittelten Straftaten wurden in Rheinland-Pfalz registriert:

Jahr 2020 2019 2018
sex. Orientierung 8 12 5
Geschlecht 2 - -

Quelle: Antwort auf eine Anfrage des Anti-Gewalt-Projekt Maneo

Saarland

Diese Fallzahlen von „Hasskriminalität/Straftaten gegen die sexuelle Orientierung“ wurden 2021 dem Berliner Anti-Gewalt-Projekt Maneo 2021:

  • 2018: 4
  • 2019: 4
  • 2020: 4

Quelle: Antwort auf eine Anfrage des Anti-Gewalt-Projekt Maneo

Sachsen

Jahr 2021 2020 2019 2018 2017
sex. Orientierung 7 10 9 7 5
Geschlecht 12 - - -

Quelle: Antwort auf eine Anfrage des Anti-Gewalt-Projekt Maneo

Sachsen-Anhalt

Das Ministerium für Inneres und Sport gab an, dass zwischen 01. Januar 2006 bis 31. Dezember 2015 ingesamt 22 politisch motivierte Straftaten mit einer homophoben Tatmotivation registriert wurden. Diese Straftaten wurden ausschließlich der PMK-rechts zugeordnet.

Quelle: Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Drucksache 7/511 vom 27.10.2016.

Schleswig-Holstein

Jahr Straftat / davon Gewalttat Phänomenenbereich

2014

2 / - 1 rechts, 1 nicht zuzuordnen

2015

1 / - 1 rechts

2016

10 / - 9 rechts, 1 nicht zuzuordnen

2017

4 / - 3 rechts, 1 nicht zuzordnen

2018

2 / - 2 rechts

2019

20 / 7 5 rechts, 2 religiöse Ideologie, 12 nicht zuzuordnen

2020

15  

Quelle: Landespolizeiamt Schleswig-Holstein, vom August 2020 bzw. Antwort auf eine Anfrage des Anti-Gewalt-Projekt Maneo

7. Warum werden nicht alle Taten angezeigt?

Die Gründe sind unterschiedlich. Die Betroffenen stehen vielleicht unter Schock, schämen sich oder haben Angst. Manche leben vielleicht ungeoutet. Zudem kann es Misstrauen bzw. Vorbehalte gegenüber der Polizei geben. Nicht immer zu Unrecht wird auch unter Polizeibeamt*innen Homophobie vermutet. Gerade ältere Menschen haben die Polizei auch als Teil der staatlichen Verfolgung von Homosexuellen in Deutschland kennengelernt.

Zudem gibt es Betroffene, die einen Vorfall zwar anzeigen, aber das mögliche homo- bzw. transphob Motiv der Täter*innen verschweigen. Entweder weil sie es nicht für wichtig halten oder nicht wissen, dass es für die Verurteilung relevant sein kann. Diese Fälle können dann auch nicht in der Statistik PMK – Hasskriminalität auftauchen.

Am 2020 veröffentlichten LGBTI-Survey der EU-Grundrechteagentur beteiligten sich auch über 16.000 LSBTIQ* aus Deutschland. Auf die Frage, warum sie nach einem angriff nicht zur Polizei gegangen sind antworten die meisten, dass sie nicht denken, dass das was bringen würde (40%). Weitere Motive waren, dass der Vorfall den Betroffenen nicht schlimm genug schien (37%), die Betroffenen Angst vor Homo- und Transphobie bei der Polizei hatten (23%) und kein Vertrauen in die Polizei hätten (21%).

8. Welche Maßnahmen würden die Anzeigebereitschaft bei der Polizei erhöhen?

Der LSVD fordert ein umfassendes Bund-Länder-Programm gegen homo- und transphobe Gewalt inklusive umfassender Präventionsmaßnahmen. Hauptamtliche Ansprechpartner*innen für homo- und transphobe Hasskriminalität bei der Polizei sowie ein regelmäßiger Austausch zwischen Polizei und Community würde Misstrauen verringern können. Das würde die Anzeigebereitschaft erhöhen. (100% Mensch hat hier die öffentlich auffindbaren Ansprechpersonen bei der Polizei nach Bundesländern veröffentlicht

Zudem würde besseres Informationsmaterial sowie ein jährlich bundesweiter Bericht zur KPMD-PMK Hasskriminalität bzw. ein explizites Benennen in den Länderberichten zu Politisch Motivierter Kriminalität dazu führen, dass auch Betroffene die Taten eher benennen, die bereits jetzt darunter gefasst werden müssten. Die Polizei in Berlin macht das bereits.

Eine Sensibilisierung der Opferhilfe bzw. Opferschutzberatung und -beauftragten sowie Stärkung von Anti-Gewalt-Projekten aus der Community heraus würden ebenfalls eine Anzeigebereitschaft motivieren bzw. die Betroffenen über das polizeiliche Meldeverfahren informieren können.

9. Warum werden nicht alle angezeigten Vorfälle in der Statistik zu PMK-Hasskriminalität erfasst?

Das kann mit fehlendem Wissen oder Sensibilität in der Polizei zusammenhängen. Etwa bei der Aufnahme am Tatort oder bei der Anzeige: Wird alles aufgenommen, wird allen Hinweisen nachgegangen, wird alles gefragt? Oftmals ermittelt die Polizei nur den Tathergang und bemüht sich weniger möglichen Motiven nachzugehen. Wenn ein*e Polizist*in vor Ort den homo-/transphoben Hintergrund einer Straftat nicht (an)erkennt oder weitergibt, landet er folglich nicht in der Statistik.

Zudem müssen die Beamt*innen auch wissen, dass bei einem homo-/transphoben Tatmotiv der Delikt als Hasskriminalität und damit als Politisch Motivierte Kriminalität eingestuft und dementsprechend gemeldet werden muss. Zuständig ist dann nämlich der Staatsschutz.

10. Wie kann die mangelhafte Erfassung LSBTIQ*-feindlicher Straf- und Gewalttaten verbessert werden?

Der Bereich der Polizei liegt in der Verantwortung der Bundesländer. Daher braucht es ein umfangreiches Bund-Länder-Programm gegen homo- und transphobe Gewalt inklusive umfassender Präventionsmaßnahmen.

Der LSVD fordert eine Reform der polizeilichen Erfassungssysteme, damit Hasskriminalität detailliert aufgeschlüsselt und in ihren realen Ausmaßen gesellschaftlich sichtbar wird. Die Datenerhebung würde zudem auch durch ein geeigneteres Meldeverfahren verbessert werden. Sie muss differenziert nach betroffenen Gruppen ausgewiesen werden. Der LSVD fordert klare Empfehlungen und Verwaltungsanordnungen wie sichergestellt wird, dass Hasskriminalität erkannt und erhoben wird. Eine Berichtspflicht in jährlich bundesweiter Bericht zur KPMD-PMK Hasskriminalität bzw. ein explizites Benennen in den Länderberichten zu Politisch Motivierter Kriminalität würde dazu führen, dass auch Polizeibeamt*innen die Taten eher benennen und melden, die bereits jetzt darunter gefasst werden müssten.

Polizeibeamt*innen müssen in verpflichtenden Modulen in Aus- und Weiterbildung mit dem Thema (homo- und transphober) „Hasskriminalität“ vertraut gemacht werden und mit der richtigen Erfassung vertraut sein

Klare Ansprechpersonen für Hasskriminalität bei Staatsschutzdienststellen sowie hauptamtliche Ansprechpartner*innen für gleich- und transgeschlechtliche Lebensweisen würden nicht nur in die Community wirken, sondern auch in den Polizeien.

Zudem müssten die Anzeigeformulare geprüft werden, ob dort nicht gezielt homo- und transphoben Tatmotiven angegeben werden können.

In den Bestimmungen zur Hasskriminalität, die 2015 in das Strafgesetzbuch eingeführt wurden, müssen zudem ausdrücklich auch LSBTIQ*-feindliche Motive benannt werden. Denn alle Erfahrung zeigt: Wenn homophobe und transfeindliche Hasskriminalität nicht ausdrücklich im Gesetz benannt ist, werden diese Motive in der Praxis der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen und damit auch bei der Strafzumessung kaum Beachtung finden.

11. Welche Verantwortung haben die Innenminister*innen?

Der LSVD forderte die Bundesregierung im Okober 2020 auf, unverzüglich eine unabhängige Expert*innen-Kommission einzusetzen, die eine systematische Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen von LSBTIQ*-Feindlichkeit und damit verbundener Hasskriminalität erarbeitet und der Bundesregierung sowie dem Bundestag einen Lagebericht mit Handlungsempfehlungen vorlegt. Solche Kommissionen wurden bereits zu Antisemitismus und Antiziganismus eingesetzt und haben sich bewährt. 

An die Innenminister*innen und Innensenator*innen in Bund und Ländern appellieren wir, endlich eine gemeinsame Strategie gegen homophobe und transfeindliche Hasskriminalität entwickeln. Seit 1954 gibt es die Innenminister*innenkonferenz (IMK) als ständige Einrichtung. Erst 2021, auf ihrer 215. Sitzung, setzte die IMK erstmalig vorurteilsmotivierten Hasskriminalität gegen LSBTIQ* auf ihre Agenda. Mit einem einstimmig gefassten Beschluss bat sie das Bundesinnenministerium, ein unabhängiges Expertengremium aus Wissenschaft und Praxis, unter Einbindung von Fachverständigen aus der LSBTIQ*-Gemeinschaft, einzusetzen. Dieses Gremium sollte bis zur Herbstkonferenz 2022 einen ersten Bericht mit konkreten Handlungsempfehlungen vorlegen, wie die Bekämpfung von gegen LSBTIQ* gerichteter Gewalttaten weiter verbessert werden kann.

Das Bundesinnenministerium blieb acht Monate untätig und berief das Gremium erst im September 2022 als "Arbeitskreis Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt" ein. Der LSVD und andere zivilgesellschaftliche Vertretungen nahmen daran teil. Der ursprüngliche Termin für den Bericht zur IMK-Herbstkonferenz 2022 wurde damit verfehlt.

Der Bericht mit Auswertungsergebnissen und Handlungsempfehlungen sollte stattdessenauf der IMK-Frühjahrskonferenz im Juni 2023 vorgestellt werden. Die Vorstellung der Handlungsempfehlungen erfolgte am 16.06.2023. Der LSVD begrüßte den Arbeitskreis als ersten wichtigen Schritt, um LSBTIQ*-feindlichkeit auf die innenpolitische Agenda zu setzen, betonte aber die Verantwortung der Länder, den Handlungsempfehlungen des Arbeitskreises auch zu folgen und diese mit finanziellen Mitteln zu unterlegen. Auch das Innenministerium selbst trägt Verantwortung, beispielsweise ihre Bundespolizist*innen nun besser aus- und fortzubilden.

Konkrete Maßnahmen, die jetzt in den Handlungsempfehlungen stehen:

  • Fallbeispiele
    Im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) können nur Straftaten erfasst werden, die der Polizei be-kannt werden. Gerade bei LSBTIQ*-feindlichen Straftaten wird ein hohes Dunkelfeld angenommen. Daher wird empfohlen, die Kriminalpolizeien von Bund und Ländern mit der Erarbeitung und meldedienstlichen Bereitstellung von konkreten Fallbeispie-len für LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität zu beauftragen. Diese Fallbeispiele sollen das Verständnis für LSBTIQ*-feindliche Phänomene und damit die Erfassung ent-sprechender Straftaten verbessern.
  • Veröffentlichungen zum Thema LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität
    Für die Betroffenen ist wichtig, dass das Bewusstsein der Öffentlichkeit für LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität verstärkt wird – entsprechend sollten staatliche Stellen
    Arbeitskreis „Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt proaktiv über entsprechende Ausprägungen der politisch motivierten Kriminalität in-formieren. In einem ersten Schritt wird empfohlen, das Bundeskriminalamt mit der Erstellung eines bundesweiten Lagebildes zu LSBTIQ*-feindlicher Hasskriminalität zu beauftragen und dies nach Beschluss der IMK zu veröffentlichen.
  • Aufgrund des großen Wissensdefizits sollte eine Schwerpunktstudie im Mehrmetho-dendesign und insbesondere mit Integration qualitativer und quantitativer Ansätze zum besseren Verständnis dieses Dunkelfelds durchgeführt werden.
  • Zur Aufhellung des Dunkelfelds bedarf es insbesondere der Reduzierung von Nicht-anzeige-Tendenzen und (empfundener oder tatsächlicher) Kontakthürden gegenüber der Polizei, um so die Anzeigebereitschaft zu vergrößern.
    • Schutz der Adresse anzeigender Personen, um Ängste vor erneuten Übergriffen durch den mutmaßlichen Täter zu begrenzen,
    • niedrigschwellige Möglichkeiten der Online-Anzeige,
    • Stärkung von (Opfer-)Beratungsstellen und LSBTIQ*-Selbstvertretungen,
    • Einrichtung von unabhängigen Beschwerdestellen sowie
    • weitere vertrauensbildende Maßnahmen (z.B. durch Ansprechstellen).
  • Polizeiliche Prävention sollte mit bestehenden Präventionsangeboten und Aktions-plänen abgestimmt sein bzw. in Gesamtkonzepte eingebettet werden
  • Die Belange bei der Durchsuchung von trans*, inter* und nicht-binären Personen sollten in der StPO, den Polizeigesetzen und in den Gewahrsamsordnungen der Länder stärker berücksichtigt werden. Bei einer Neuregelung muss insbesondere re-flektiert werden, welches Geschlecht die durchsuchende Person haben sollte. Bis zur Verabschiedung einer neuen Regelung sollten die Länder Leitfäden als Über-gangslösung erarbeiten, um bei Durchsuchungen die Belange von trans* und inter* und nicht-binären Personen im erforderlichen Maß zu berücksichtigen.

12. Strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung von LSBTIQ*-feindlicher Hasskriminalität

Lediglich in Berlin und Leipzig gibt es LSBTIQ*-Ansprechpersonen bei der Staatsanwaltschaft.

Laut Bundesjustizministerium wird in Deutschland derzeit eine neue statistische Erfassung von Strafverfahren wegen Hasskriminalität eingeführt: "Die Datenerhebung der Justizdaten zur Hasskriminalität hat in den ersten Ländern am 1. Januar 2018 begonnen, ab dem 1. Januar 2019 soll sich diese Erhebung auf alle Länder erstrecken. Die Länderdaten werden vom BfJ [Bundesamt für Justiz] zu einem Bundesergebnis zusammengefasst und veröffentlicht. Die erste Veröffentlichung wird es voraussichtlich für den Berichtszeitraum 2019 geben. Sie wird dann erstmals eine bundesweite Vollerhebung statischer Daten zur Hasskriminalität darstellen. Die Bundesregierung wird dem Ausschuss diese Daten nach der Veröffentlichung sobald wie möglich übermitteln." (Erhebung der Landesjustizverwaltungen über Verfahren wegen rechtsextremistischer/ fremdenfeindlicher Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland. Anlage zu Frage 8c im 7. Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zum Zivilpakt). 

Bislang ist uns jedoch keine Veröffentlichung bekannt. Auf unsere Anfrage an das Bundesamt für Justiz im September 2021 wurde uns geantwortet, dass diese Statistik noch nicht für eine Veröffentlichung fertiggestellt wurde, da aktuell immer noch nicht alle Daten vorliegen. Uns konnte auch kein genauer Zeitpunkt für eine Veröffentlichung der Statistik zur Hasskriminalität grenannt werden.

Das bedeutet, dass es keine (öffentlichen) Zahlen darüber gibt, wie viele Strafverfahren wegen Hasskriminalität gegen LSBTIQ* eingeleitet bzw. wie viele Tatverdächtige deswegen angeklagt und zu welchen Strafen sie verurteilt wurden. Die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Statistik der Staatsanwaltschaften erfasst keine deliktsbezogenen Daten. Die ebenfalls vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Statistik der Strafverfolgung erfasst die Aburteilungen und Verurteilungen zwar deliktsbezogen. Auch in dieser Statistik werden jedoch keine Daten zu den Opfern erfasst. (Quelle: Behördlicher Umgang mit Hasskriminalität gegen LSBTIQ. Antwort vom 19.9.2019 auf Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, Dr. 19/13371, S. 7).

Leider müssen wir konstatieren, dass die gegen LSBTIQ* gerichtete Hasskriminalität auch in der Justizpolitik kaum Anerkennung findet. Umso bemerkenswerter ist daher die Ankündigung der EU-Kommission, eine Initiative vorzulegen, um die Liste der „EU-Straftaten“ um Hassdelikte und Hetze zu erweitern, einschließlich um solche, die sich gegen LSBTIQ* richten.

In Deutschland weigerten sich Bundesregierung und Regierungskoalition in den beiden Gesetzgebungsfahren 2014/2015 und 2020/2021 zur Hasskriminalität (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) hingegen, LSBTIQ*-Feindlichkeit in den Normentext aufzunehmen. Sie betreiben damit die Unsichtbarmachung dieser Ausprägung von Hasskriminalität weiter. Bislang steht in § 46 StGB zu den Grundsätzen der Strafzumessung, dass das Gericht "die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende," zu beachten hat. Ein Verweis in der Gesetzesbegründung, wonach Tatmotive, die sich gegen die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität richten, vom Begriff der „sonstigen menschenverachtenden“ Beweggründe umfasst werden, hilft nicht weiter. Das hat für die Praxis kaum Belang. Wenn homophobe und transfeindliche Hasskriminalität nicht ausdrücklich im Normentext genannt ist, finden diese Beweggründe in der Praxis der polizeilichen Ermittlungen und strafrechtlichen Bewertung keine angemessene Beachtung.

Gleiches gilt für den Straftatbestand der Volksverhetzung (§130 StGB). Dort werden als mögliche Ziele von Volksverhetzung „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe(n)“ ausdrücklich hervorgehoben. Sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität sind dagegen nicht benannt. Das Ergebnis: Entscheidungen zu homophober oder sexistischer Volksverhetzung sind trotz weit verbreiteter homophober und sexistischer Hassreden äußerst selten. Die von den Gerichten entschiedenen Fälle beziehen sich „fast ausschließlich auf rassistische, antisemitische und rechtsextremistische Äußerungen“ (Lembke, Ulrike: Kollektive Rechtsmobilisierung gegen digitale Gewalt. S. 7.) Auch in § 130 StGB ist demnach eine ergänzende Klarstellung erforderlich.

13. Gesundheitliche Folgen für die Betroffenen von Hasskriminalität

8% mussten medizinisch versorgt werden, nachdem sie Hasskriminalität erfahren haben

  • 6% der lesbischen Befragten
  • 11% der schwulen Befragten
  • 3% der befragten bisexuellen Frauen
  • 6% der befragten bisexuellen Männer
  • 10% der trans* Befragten
  • 16% der inter* Befragten

4% waren arbeitsunfähig, nachdem sie Hasskriminalität erfahren haben

  • 1% der lesbischen Befragten
  • 4% der schwulen Befragten
  • 3% der befragten bisexuellen Frauen
  • 1% der befragten bisexuellen Männer
  • 6% der trans* Befragten
  • 12% der inter* Befragten

22% hatten nach einer Erlebnis mit Hasskriminalität Angst vor die Tür zu gehen oder bestimmte Orte aufzusuchen.

  • 17% der lesbischen Befragten
  • 18% der schwulen Befragten
  • 22% der befragten bisexuellen Frauen
  • 20% der befragten bisexuellen Männer
  • 31% der trans* Befragten
  • 32% der inter* Befragten

38% hatten nach einer Erlebnis mit Hasskriminalität psychische Probleme (Depression, Angst u.a.)

  • 28% der lesbischen Befragten
  • 33% der schwulen Befragten
  • 37% der befragten bisexuellen Frauen
  • 33% der befragten bisexuellen Männer
  • 55% der trans* Befragten
  • 52% der inter* Befragten

Für 41% hatte das Erlebnis von Hasskriminalität keine Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden

  • 50% der lesbischen Befragten
  • 46% der schwulen Befragten
  • 35% der befragten bisexuellen Frauen
  • 50% der befragten bisexuellen Männer
  • 26% der trans* Befragten
  • 25% der inter* Befragten

Quelle: LGBTI-Survey der EU-Grundrechteagenzur (2020)

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