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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Europa macht es vor! Aktuelle Resolution des Europarats für Trans*Rechte national umsetzen!

Bericht aus dem Forum „Transfeindlichkeit“ des Kongresses „Respekt statt Ressentiment“ 2015

Während Homophobie in den letzten Jahren endlich mehr und mehr als eine spezifische Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wahrgenommen wird, steckt die Sensibilisierung für Transfeindlichkeit noch in den Anfängen. Welche Erscheinungsformen und Auswirkungen zeigen sich im Alltag? Wie kann und muss ihnen begegnet werden?

noah-keuzenkamp.jpgNoah Keuzenkamp von TransGenderEurope (TGEU) stellte zunächst die 2005 gegründete Dachorganisation vor, die mit 75 Mitgliedsorganisationen aus 39 europäischen Ländern die politischen Interessen und Aktivitäten von trans* Personen in den Arbeitsbereichen Recht, Community Building sowie bei der Sensibilisierung und Fortbildung von Entscheidungsträger_innen in großer Breite bündelt und repräsentiert.

Wichtige Resolution des Europarats

Anschließend berichtete er über die positive Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (Resolution 2048) vom 22.04.2015, die eine wichtige kritische Bestandsaufnahme zur derzeitigen Diskriminierung von trans* Menschen in Europa liefert. In der Resolution werden Menschenrechtsverletzungen an trans* Menschen benannt und Diskriminierungsmechanismen analysiert. Darüber hinaus adressiert die Resolution wesentliche Themen wie die Notwendigkeit rechtlicher Anerkennung der Selbstbestimmung von trans* Menschen und die dafür unbedingt erforderliche Depathologisierung.

Außerdem benennt die Resolution die Problematik massiver Hasskriminalität, die Erforderlichkeit eines diskriminierungsfreien Zugangs zum Gesundheitswesen und zu Beratungsangeboten, sowie die Wichtigkeit von Bewusstseinsbildung z.B. in Justiz und Medizin, ebenso wie in der allgemeinen Öffentlichkeit. Ein weiteres wichtiges Thema ist die trans*inklusive Umsetzung anderer europäischer Richtlinien wie der Antidiskriminierungsrichtlinie, der Dienstleistungsrichtlinie, der Gleichbehandlungsrichtlinie, der Qualifizierungs- und Verfahrensrichtlinie im Bereich Asyl und der Opferschutzrichtlinie.

An den positiven Beispielen von Dänemark und Malta, die als einzige Staaten ihre nationalen rechtlichen Regelungen 2014 und 2015 umfassend im Sinne der Resolution reformiert haben, wurde deutlich, dass hier fast alle europäischen Staaten noch einen langen Weg vor sich haben.

Zwischen 2008 und 2014 weltweit 1.731 Morde an trans* Personen – davon 94 in Europa

Die Tatsache, dass die European Hate Crime Study von 2009 zu dem Ergebnis kommt, dass 79% als Trans*Menschen von physischer, psychischer oder verbaler Gewalt betroffen sind, und TGEU in einer eigenen Erhebung dokumentiert hat, dass in der Zeit zwischen 2008 und 2014 weltweit 1.731 Morde – davon 94 in Europa - registriert wurden, macht deutlich, dass die politischen Forderungen hier eine wirklich existentielle Bedeutung für alle Betroffenen haben. Dies gilt umso mehr, als die ermittelten Zahlen vor dem Hintergrund der vermutlich hohen Dunkelziffer lediglich die Spitze des Eisbergs darstellen. Zentrale Forderungen sind daher die Reform des deutschen Rechts nach dänischen bzw. maltesischen Vorbild, die Umsetzung der Opferrichtlinie der Europäischen Union, die Erweiterung des Nationalen Aktionsplan um Trans*Inklusion. Darüber hinaus sind die frühzeitige Einbindung von Strukturen der Selbstorganisation und eine ausreichende finanzielle Förderung im In- wie Ausland dringend erforderlich.

Ein Video von Transgender Europe (TGEU) machte eindrucksvoll deutlich, wie die aktuellen rechtlichen Regelungen in den meisten europäischen Ländern mit ihren demütigenden Verfahren für trans* Menschen zum Albtraum werden.

Trans*Feindlichkeit in den Strukturen von Recht und Medizin

arn-sauer.jpgIm zweiten Vortrag des Forums analysierte Arn Sauer von TransInterQueer (TrIQ Berlin), der gleichzeitig Mitbegründer des Netzwerks Trans_Inter_Wissenschaft ist, wie Trans*Feindlichkeit in den Strukturen von Recht und Medizin in Deutschland zum Ausdruck kommt. Dabei setzte er sich auch präzise mit dem sprachlichen Ausdruck und Begriffsbestimmungen in der politischen Diskussion auseinander, wenn etwa Trans*Phobie mit der Referenz in den psychopathologischen Bereich operiert, wohingegen Trans*Feindlichkeit deutlich als strukturelles Merkmal auf die Intention der politischen Akteur_innen verweist.

Anschließend stellte er verschiedene nationale und europäische Studien zur Gesundheitsversorgung, Suizidprävention, Jugendarbeit, Arbeitsmarktzugang, Karrierechancen und Armutsrisiko von trans* Menschen vor. Diese belegen durchgehend einen dramatischen politischen Handlungsbedarf in strukturellen Fragen, ebenso wie bei konkreten Alltagsfragen wie z.B. der Gesundheitsversorgung, im Behördenkontakt, im Arbeitsverhältnis und bei der Unterbringung in Unterkünften für Geflüchtete oder in Gefängnissen verdeutlichen.

Bei der Analyse der strukturellen Diskriminierung verwies Arn Sauer ebenso wie Noah Keuzenkamp darauf, dass es der deutlichen Klarstellung der Anwendbarkeit der Gleichstellungsrichtlinie und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf trans* Menschen sowohl hinsichtlich des Merkmals „Geschlecht“, als auch des Merkmals „sexuelle Identität“ bedarf.

Arn Sauer verwies auch noch einmal nachdrücklich darauf, dass die wissenschaftliche Forschung, das psychosoziale Beratungsangebot und auch die Arbeit im Bereich des Community Buildings und des Empowerment ehrenamtlich geleistet werden und hierfür perspektivische die Bereitstellung von finanziellen Ressourcen erforderlich sei.

Beide Referenten machten deutlich, dass eine politische Diskussion zum Thema Trans*Rechte die Frage der Inter*Geschlechtlichkeit nicht ausblenden darf.

Gabriela Lünsmann
LSVD-Bundesvorstand

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