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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Evangelikale und Homosexualität: Evangelische Allianz streitet über Umgang mit Lesben und Schwulen

Mitarbeit von Homosexuellen unerwünscht

Michael Diener, Chef des evangelikalen Dachverbandes „Evangelische Allianz“, sprach sich dafür aus, auch Menschen zu akzeptieren, die „sich in ihrer Homosexualität annehmen“. Doch ein Großteil lehnt Lesben und Schwule in ihren Gemeinden ab.

Porträt von Oda Lambrecht

Von „tief gehenden Verwerfungen“ und sogar von möglicher „Spaltung“ war in der evangelikalen Bewegung Anfang des Jahres die Rede. Auslöser waren Äußerungen von Michael Diener, dem Chef des evangelikalen Dachverbandes „Deutsche evangelische Allianz“. Gegenüber Medien hatte er sich dafür ausgesprochen, auch Menschen zu akzeptieren, die „sich in ihrer Homosexualität annehmen“.

Damit sind wohl im Klartext lesbische oder schwule Gläubige gemeint, die weder enthaltsam leben, noch sich in einer heterosexuellen Beziehung verstecken wollen. Diener forderte, dass Homosexuelle auch in evangelikalen Gemeinden „mitarbeiten“ können. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist bislang in der strenggläubigen Bewegung nicht erwünscht, denn Homosexualität gilt als Sünde.

In Deutschland gibt es ca. 1,3 Mio. Evangelikale in Freikirchen oder in evangelischen Landeskirchen

Michael Diener vertritt als Allianz-Vorsitzender etwa 1,3 Millionen evangelikale Christinnen und Christen – etwa zur Hälfte aus den evangelischen Landeskirchen, zur anderen aus Freikirchen. Sie legen die Bibel sehr eng aus, zum Teil wörtlich, nicht historisch-kritisch wie die Mehrheit der deutschen Protestantinnen und Protestanten. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden deshalb als „schöpfungswidrig“ abgelehnt.

So sieht es auch Evangelikalen-Chef Diener. Gegenüber der Zeitung „Die Welt“ sagte er, er lese aus der Bibel nicht heraus, dass es einen Auftrag der Kirche gäbe, „homosexuelle Beziehungen“ zu segnen. Er hatte also lediglich für etwas mehr Offenheit gegenüber anderen Sichtweisen geworben. Es sagt viel über die Bewegung aus, dass bereits solche minimalen Zugeständnisse zu heftigen Auseinandersetzungen führten.

Vorstand: "Praktizierte Homosexualität" ist unvereinbar mit biblisch-christlicher Ethik

Schnell reagierte der Vorstand des evangelikalen Dachverbandes und bekräftigte, man sehe „praktizierte Homosexualität“ als „unvereinbar mit der für den christlichen Glauben maßgeblichen biblischen Ethik“ an. Auch der „Evangelische Gnadauer Gemeinschaftsverband“, dessen Präses Michael Diener ist, erklärte: „Aus unserer Sicht lassen sich biblische Aussagen über den Willen Gottes und eine homosexuelle Lebensweise nicht in Einklang bringen.“ Einer möglichen Gemeindemitarbeit erteilten die Gnadauer – übrigens eine Gruppe innerhalb der evangelischen Landeskirchen —  eine Absage. Menschen, die in einer „gleichgeschlechtlichen Partnerschaft“ lebten, berufe man weder in den „Verkündigungsdienst“ noch in „Leitungsaufgaben“.

Dabei predigen Evangelikale immer wieder, dass sie nur die Sünde, nicht den einzelnen Menschen, ablehnten. So begegnet Homosexuellen oft Mitleid in den Gemeinden. Der Leiter der evangelikalen Zeitschrift „idea Spektrum“, Helmut Matthies, schreibt zum Beispiel: „Natürlich müssen evangelikale Gemeinden klären, wie sie mit Christen in ihren Reihen umgehen, die ja nichts dafür können, dass sie homosexuell empfinden.“ Matthies schreibt weiter, es müsse auch gepredigt werden, was genauso wie „sexuelle Verfehlungen“ von Gott trennt, zum Beispiel „Kunden abzocken“ oder „ständig rummosern“. Aus Sicht von Evangelikalen steht eine Paarbeziehung zwischen zwei Frauen oder zwei Männern offenbar auf einer Stufe mit menschlichem Fehlverhalten jeder Art.

Bibeltreue Gemeinden plädieren öfter für Konversionstherapien zur Änderung der sexuellen Orientierung

Um sich davon zu befreien, wird homosexuellen Gläubigen in den bibeltreuen Gemeinden auch nahegelegt, ihre sexuelle Orientierung zu verändern. Die NDR-Sendung „Panorama – die Reporter“ hatte sogar über evangelikale Ärzte berichtet, die die homosexuelle Orientierung von Patienten therapieren wollten. Und das, obwohl die Bundesärztekammer vor gravierenden gesundheitlichen Folgen solcher Umpolungsversuche warnt.

Mehrere hunderttausend Evangelikale gehören nach Schätzungen den evangelischen Landeskirchen an. Auch dort werden also homosexuelle Gläubige diskriminiert. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm lehne zwar jede Diskriminierung strikt ab, heißt es dazu aus seiner Pressestelle, „Eingriffsmöglichkeiten in die Regelungen der Landeskirchen“ habe ein Ratsvorsitzender aber „aufgrund der föderalen Struktur der EKD“ nicht. Grundsätzlich aber spricht sich Bedford-Strohm für eine „Öffnung der Kirche gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“ aus.

Oda Lambrecht
Journalistin für den Norddeutschen Rundfunk
Autorin von Panorama – die Reporter „Die Schwulenheiler
Buchautorin „Mission Gottesreich – fundamentalistische Christen in Deutschland“

Der Beitrag erschien zu erst in der LSVD-Zeitschrift respekt Heft 23 (2016).

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