Menu
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Petition zum Erinnern an homosexuelle Opfer am 27. Januar 2021 im Bundestag

Petition und Stellungnahmen

Petition zum Erinnern an homosexuelle Opfer am 27. Januar 2021 im Bundestag und Stellungnahmen zur Petition.

  1. Petition zum Erinnern an homosexuelle Opfer am 27. Januar 2021 im Bundestag
  2. Stellungnahmen von Unterzeichner*innen und weiteren nationalen und internationalen Expert*innen

1. Anschreiben zur aktualisierten Petition zum Erinnern an homosexuelle Opfer am 27. Januar 2021 im Bundestag                                        

 Berlin, 15. November 2019                   

 

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Dr. Schäuble,

Am 15. Januar 2018 baten wir Sie und Ihr Präsidium, in der Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des Nationalsozialismus zum ersten Mal seit der ersten Gedenkstunde 1996 auch die homosexuellen Opfer zum Thema zu machen.

Am 18. März 2018 antworteten Sie, dass die Termine für 2019 und 2020 bereits vergeben seien, aber „Ihr Anliegen ist in das Verzeichnis eingegangener Vorschläge aufgenommen worden und wird bei zukünftigen Abwägungs- und Entscheidungsprozessen einen prominenten Platz einnehmen.“

In einer erneuten Eingabe baten wir Sie darum, eine Entscheidung über eine Gedenkstunde, auch wenn es dann erst 2021 sein sollte, nicht weiter zu verschieben. 

Am 18. Mai 2018 ließen Sie uns mitteilen, dass “das Bundestagspräsidium” sich entschieden habe, „davon abzusehen, bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine Entscheidung für die Folgejahre zu treffen“.

Auf persönliche Nachfrage haben vier der fünf Mitglieder Ihres Präsidiums (Frau Roth, Frau Pau, Herr Kubicki und Herr Oppermann) geantwortet, dass sie unser Anliegen einer Gedenkstunde für homosexuelle Opfer am 27. Januar 2021 unterstützen. Einzig Herr Dr. Friedrich hat auf mehrfache Anfrage (bestätigt durch sein Büro) bis heute nicht reagiert.

Die Gedenkstunde am 27. Januar 2021 wird die letzte innerhalb dieser Legislaturperiode sein. Wie nach der Bundestagswahl 2021 die politischen Verhältnisse in Deutschland sind, vermag niemand zu sagen.

Deshalb bitten wir Sie und Herrn Dr. Friedrich, jetzt eine Entscheidung für den  27. Januar 2021 zu unterstützen.

Seit unserer ersten Anfrage vor einem Jahr hat sich weltweit die Situation für Millionen Menschen, die sich zu den sexuellen LGBTIQ Minderheiten zählen, dramatisch verschlechtert: Mehr Morde, Todesstrafen, Verfolgungen und Folter als je zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Wahl des brasilianischen Präsidenten, Jair Bolsonaro (im Amt seit dem 1. Januar 2019), der erklärte, dass er lieber wollte, sein Sohn sei tot statt homosexuell, steht hierfür als Symbol.

Gleichwohl haben aber seit dem 15. Januar 2018 auch weitere Persönlichkeiten im breitest vorstellbaren gesellschaftlichen und politischen Spektrum unsere erste Petition unterzeichnet: Diese sind sowohl als Historiker*innen für den Nationalsozialismus  oder als Gedenkstätten-Mitarbeiter*innen international anerkannt , des weiteren Vertreter*innen anderer Verfolgtengruppen der NS-Zeit (wie Roma und Sinti) und vier Holocaust Überlebende, der Geschäftsführer und Vizepräsident des Internationalen Auschwitzkomitees,  Professor*innen zur Genderthematik und Sexualwissenschaft, mehrere polnische Geschichtsprofessor*innen und nicht zuletzt die Sprecher*innen aller von uns angefragten LGBTIQ Organisationen und politischen Parteien in Deutschland. Bitte hören Sie auf deren Stimmen !

Einige prominente Stellungnahmen haben wir für Sie ausgewählt und dieser Petition angehängt.

Unser Angebot vom November 2019 gilt selbstverständlich weiter, Ihnen unser Anliegen auch persönlich in Berlin zu erläutern und für Nachfragen jederzeit zur Verfügung zu stehen.

Mit freundlichem Gruß,

im Auftrag aller Unterzeichner*innen und Unterstützer*innen der Petition,

Ihr

Lutz van Dijk

 

Zur Information an die  Bundestags-Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten

Frau Pau, Frau Roth, Herrn Dr. Friedrich, Herrn Kubicki und Herrn Oppermann,

sowie an Herrn Bundespräsident Steinmeier

und Herrn Dr. Brissa, als Leiter des Protokolls im Bundestag

Aktualisierte Petition an das Präsidium des Deutschen Bundestages vom 15. Januar 2019:

Aufruf zum Erinnern an sexuelle Minderheiten am 27. Januar 2021,

dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

 

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Dr. Schäuble,

sehr geehrte Bundestags-Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten

Frau Pau, Frau Roth, Herr Dr. Friedrich, Herr Kubicki und Herr Oppermann !

 Seit 1996 gilt der Tag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 als offizieller Gedenktag in Deutschland. 2005 erklärte die UNO diesen Tag weltweit zum “International Holocaust Remembrance Day”.

Bereits am ersten Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus  1996 sprach der damalige Bundespräsident Roman Herzog sowohl von den jüdischen Opfern der NS-Barbarei, als auch von lange öffentlich nicht anerkannten anderen Opfergruppen, wie den Sinti und Roma, Behinderten und Homosexuellen:

"Weil sie... vom willkürlich festgelegten Menschenbild abwichen, bezeichnete man sie als 'Untermenschen', 'Schädlinge' oder 'lebensunwertes Leben' - Juden, Sinti und Roma, Schwerstbehinderte, Homosexuelle... Die Wirkungen dieser Politik waren vor allem deshalb so furchtbar, weil sie sich wohldosiert in das öffentliche Bewußtsein einschlichen, ja... den Gehirnen infiltriert wurden."

Es war nicht nur für die Betroffenen von großer Bedeutung, sondern auch für eine breite Öffentlichkeit, dass außer den jüdischen Opfern an diesem Gedenktag im Bundestag erstmals 2011 mit dem Niederländer Zoni Weisz (*1931) auch ein Vertreter der Roma und Sinti zu Wort kam, 2016 an die Leiden der Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter erinnert wurde und 2017 sowohl zwei Angehörige von durch sogenannte “Euthanasie” Ermordeter, als auch der junge, mit Down-Syndrom lebende Schauspieler Sebastian Urbanski (*1978) zu hören waren.

Die Unterzeichnenden dieser Petition sind als Fachleute in unterschiedlichen Bereichen des Erinnerns national und international anerkannt und bitten den Bundestagspräsidenten sowie sein Präsidium eindringlich, nach mehr als zwei Jahrzehnten am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2021 erstmals auch an homosexuelle Männer (unter ihnen vor allem an die KZ-Häftlinge mit dem Rosa Winkel), aber auch an lesbische Frauen und andere aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Orientierung Benachteiligte und Ausgegrenzte im Bundestag zu erinnern.

Unterzeichner*innen (170 Namen - Stand 1. November 2019):

Zerrin Aydin-Herwegh (Künstlerin und Fotografin, Düsseldorf)

Dr. Zsófia Bán (Schriftstellerin, Dozentin für Gender- und Memory Studies, Budapest / Ungarn)

Korinna Bächer (ärztliche Psychotherapeutin, Köln)

Prof. Dr. Johannes Bastian (Erziehungswissenschaftler, Universität Hamburg)

Esther Bejarano † (Holocaust Überlebende und Ehrenpräsidentin des Auschwitz Komitees der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg)

Prof. Dr. Wolfgang Benz (ehem. Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung, Berlin)

Michel Bergmann (Schriftsteller und Drehbuchautor, Berlin)

Werner Biggel (Online-Plattform „Der Liebe wegen“,  Initiative Lern- und Gedenkort HOTEL SILBER e. V.,  Tübingen)

Ines Boban (Inklusionpädagogin, ehem. Universität Halle-Wittenberg)

Ralf Bogen (Online-Plattform „Der Liebe wegen“,  Initiative Lern- und Gedenkort HOTEL SILBER e. V., Stuttgart)

Ulf Bollmann (Historiker, Initiative „Gemeinsam gegen das Vergessen – Stolpersteine für homosexuelle NS-Opfer“, Hamburg)

Dr. Birgit Bosold (Vorstand Schwules Museum, Berlin)

Michael Brems (Pastor, Hamburg)

Elisabeth Brinker (Lehrerin am Berufskolleg, Dortmund)

Manfred Bruns † (ehem. Bundesanwalt, Karlsruhe)

Ilona Bubeck / Jim Baker (Querverlag, Berlin)

Eva Bujny (frauenberatungsstelle düsseldorf e.V.)

Klaus Bullan (Lehrer, ehemaliger Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft / GEW, Hamburg)

Markus Chmielorz (Dipl. Pädagoge bei der Rosa Strippe, Bochum)

Stephan Cooper / Naana Lorbeer (Queeramnesty bei amnesty international, Berlin)

Prof. Dr. Martin Dannecker (Sexualwissenschaftler, Berlin)

Prof. Dr. Nina Degele (Soziologin, Gender Studies an der Universität Freiburg)

Andreas Dickerboom / Klaus Müller (Verein Gegen Vergessen - Für Demokratie  e.V./ Regionale Arbeitsgruppen Rhein-Main und Südhessen)

Dr. Lutz van Dijk (Historiker und Schriftsteller, Amsterdam / Kapstadt)

Dr. Jens Dobler (Historiker, Berlin)

Ralf Dose (Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, Berlin)

Lothar Dönitz (Stolpersteine-Projekt der bisher bekannten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen und KZ Ravensbrück, Berlin)

Barry van Driel (Mitarbeiter für Internationales im Anne Frank Haus, Amsterdam)

Günter Dworek (Bundesvorstand LSVD - Lesben- und Schwulenverband, Berlin)

Albert Eckert (Mitinitiator des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, Berlin)

Dr. Johannes zu Eltz (katholischer Stadtdekan Dompfarrei St.Bartholomäus, Frankfurt/M.)

Elisabeth Esslinger (Pädagogin, Lüneburg)

Jan Feddersen (Journalist, Initiative Queer Nations e.V., Berlin)

Mathias Falk / Angela Jäger / Tamara Kailuweit / Isabelle Melcher (Sprechendenrat des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg, Stuttgart)

Alois Finke † (Supervisor, Leitungsgruppe Katholische Jugendakademie Walberberg, Bonn)

Peter Finke (Krankenpfleger, Berlin)

Daniel Gaede (pädagogischer Leiter i.R. der Gedenkstätte Buchenwald, Weimar)

Dr. Benno Gammerl (Historiker, DAAD-Fachlektor für Queer History am Goldsmiths College, London)

Dr. Detlef Garbe (Direktor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme)

Prof. Dr.-Ing. Dieter D. Genske (FB Ingenieurwissenschaften, Hochschule Nordhausen)

Bernd-Hans Göhrig (Geschäftsführer der "Initiative Kirche von unten", Frankfurt/Main)

Heinz Gottberg und Dieter Allers (Architekten, Schriftsteller, Phaidros-Jugendstiftung, München)

Prof. Dr. Maciej Górny (Historiker, Polnische Akademie der Wissenschaften /Deutsches Historisches Institut, Warschau)

Dr. Günter Grau (Medizinhistoriker und Sexualwissenschaftler, Berlin)

Dalia Grinfeld (Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion in Deutschland, Berlin)

Dr. Thomas Grossmann (Diplom-Psychologe, Autor von u.a. „Schwul – na und ?“, Hamburg)

Detlef Grumbach / Joachim Bartholomae (Männerschwarm Verlag, Hamburg)

Dr. Elke Gryglewski (Stellvertretende Direktorin und Leiterin der Bildungsabteilung der Gedenk- und Bildungsstätte “Haus der Wannsee-Konferenz“, Berlin)

Dr. Anna Hájková (Historikerin, University of Warwick / Großbritannien)

Elke Hannack (Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes /DGB, Berlin)

Prof. Dr. Georg Hansen (Soziologe und Bildungswissenschaftler, Bremen)

Prof. Dr. Sabine Hark (Direktorin des Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung, Technische Universität Berlin)

Georg Härpfer (Vorstand, Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren / BISS, Berlin)

Karl-Heinz Heinemann (Bildungsjournalist, Köln)

Hans Hengelein (Diplom-Psychologe, Hannover)

Lutz Hermanns (Dipl.-Sozialarbeiter, Düsseldorf)

Rolf Herwegh (Lehrer für Deutsch und Deutsch als Zweitsprache, Düsseldorf)

Manfred Herzer (Gründungsmitglied des Schwulen Museums, Berlin)

Christoph Heubner (Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Berlin)

Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Ernest W.B. Hess-Lüttich (Germanist und Linguist, Universität Bern und TU Berlin)

Dr. Matthias Heyl (Historiker und Erziehungswissenschaftler, Neustrelitz)

Gerd Hoffmann (Studiendirektor, Fachlehrer für Physik und Mathematik, LGBTIQ-Aktivist, Unterschleißheim / Landkreis München)

Reiner Hoffmann (Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes / DGB, Berlin)

Prof. Dr. Andreas Hinz (Inklusionspädagoge, Universität Halle-Wittenberg)

Rainer Hoffschildt (Historiker, Hannover)

Rabbiner Prof. Walter Homolka (School of Jewish Theology, Universität Potsdam)

Prof. Dr. Marianne Horstkemper (Erziehungswissenschaftlerin, Historiker-Labor Berlin e.V., Universität Potsdam)

Stefan Hüsgen (Goethe Institut, München)

Dr. Jörg Hutter (Soziologe, Bremen)

Dr. Burkhard Jellonnek (Historiker, Leiter des Landesinstituts für Pädagogik und Medien des Saarlandes, Saarbrücken)

Klaus Jetz (Geschäftsführer Hirschfeld-Eddy-Stiftung, Köln)

Dr. Dr. h.c. Volker Jung (Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau, Darmstadt)  

Dr. Wolf Kaiser (ehem. Direktor der Gedenk- und Bildungsstätte “Haus der Wannsee-Konferenz“, Berlin)

Dr. Daniela Kalscheuer (Studienleiterin an der Katholischen Akademie "Haus am Dom", Referat Zeitgeschichte, Frankfurt/Main)

Dr. Dobrochna Kalwa, (Historikerin, Universität Warschau)

Fred Kastein (Schauspieler und Sonderschullehrer, Berlin)

Rozette Kats (Holocaust Überlebende, Zeitzeugin vor Schulklassen in Deutschland und den Niederlanden, Amsterdam)

Dr. Uri-Robert Kaufmann (Historiker und Leiter der Alten Synagoge, Essen)

Dr. Ben und Ubbo Khumalo-Seegelken (Pastoren, Afrikanisten und Historiker, Oldenburg)

Ulli Klaum ( Leiter, Akademie Waldschlößchen, Göttingen)

Prof. Dr. Barbara Klich-Kluczewska (Historikerin und Anthropologin, Institut für Geschichte, Jagiellonian Universität, Krakau)

Albert Knoll (Archivar der Gedenkstätte Dachau, München)

Dr. Friedhelm Krey (Supervisor, Berlin)

Gottfried Kößler (Pädagogisches Zentrum am Fritz Bauer Institut, Frankfurt/M.)

Prof. Dr. Marcin Kula (Historiker, Institut für Geschichte, Universität von Warschau)

Prof. Dr. Rüdiger Lautmann (Soziologe, Bremen / Berlin)

Prof. Dr. Stephan Lehnstaedt (Historiker, Holocaust- und Jüdische Studien, Touro College / Berlin)

Prof. Dr. Rudolf Leiprecht (Sozialpädagogik, Diversity Education,  Universität Oldenburg)

Dr. Franz Markus Löw (Aktionsbündnis gegen Homophobie, Bundesvorstand, Berlin)

Dr. Gottfried Lorenz (Historiker, Hamburg)

Prof. Dr. Martin Lücke (Historiker, Organisator des jährlichen Queer History Month, Freie Universität Berlin)

Prof. Dr. Helma Lutz (Frauen- und Geschlcchterforschung, Universität Frankfurt/M.)

Dr. Rainer Marbach (Vorstandsvorsitzender, Akademie Waldschlößchen, Göttingen)

Dr. Meron Mendel (Bildungsstätte Anne Frank, Frankfurt/M.)

Dr. Beate Meyer, Mitglied im Beirat der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten  und assoziierte Historikerin am Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg)

Dr. Stefan Micheler (Historiker, Mit-Herausgeber von Invertito, Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten, Hamburg)

Dr. Norbert Mönter (Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse, Verein für Psychiatrie und seelische Gesundheit e.V., Berlin)

Detlef Mücke (Schwule Lehrer, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW, Berlin)

Dr. Klaus Mueller (Gründer und Leiter, Global LGBT Forum, Salzburg)

Dr. Julia Noah Munier (Historisches Institut, Universität Stuttgart)

Dr. Uwe Naumann (Publizist und Verlagslektor, Lüneburg) 

Prof. Dr. Rainer Nicolaysen (Historiker, Mitherausgeber des Jahrbuchs der Sexualitäten, Universität Hamburg)

Dr. Volker Nitzki (Physiker, Hannover)

Dr. Joanna Ostrowska (Historikerin und LGBTIQ-Aktivistin, Warschau)

Ishraff Ouhtit (Senlima: LSBTI*- Jugendliche Geflüchtete bei der Rosa Strippe, Bochum)

Bernd Plöger (Theaterregisseur, Düsseldorf)

Frank G. Pohl (Pädagoge, Landeskoordinator Schule der Vielfalt in Nordrhein-Westfalen)

Dr. Dagmar Pruin (Geschäftsführerin von Aktion Sühnezeichen / Friedensdienste, Berlin)

Dr. Thomas Rahe (Stellv. Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, Hannover)

Christian Rathmer (Historiker, Referent im Willy Brandt Haus, Lübeck)

Udo Rauch (Stadtarchivar, Tübingen)

Petra und Inge Reichel (pensionierte Lehrerin, Hannover und Hausfrau, Stuttgart)

Babette Reicherdt (Historiker_in, Initiative Queer Nations e.V., Berlin / Kassel)

Stefan Reiß (erster parteiloser schwuler Abgeordneter Deutschlands, Berlin)

Jörn Jacob Rohwer (Publizist, Berlin)

Petra Rosenberg (Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V., Berlin)

Ashraff Salem (Dolmester aus dem Arabischen für geflüchtete Menschen, Siegen)

Dr. Rita Schäfer (Gender-Forscherin und Dozentin, Bochum/Bonn)

William Schaefer (Projekt „Der Liebe wegen“, Freiburg)

Prof. Dr. Leo Schapiro (Stellvertretender Vorsitzender Keshet Deutschland e.V., Berlin)

Els Schellekens (Pädagogin, ehem. Mitarbeiterin des Anne Frank Hauses), Amsterdam

Prof. Dr. Axel Schildt † (ehem. Direktor der Forschungsstelle für Zeitgeschichte, Hamburg)

Axel Schock (Journalist, Berlin)

Hartmut Schönknecht / Torsten Schrodt (Vorstand Homosexuelle Selbsthilfe Deutschland)

Dr. Claudia Schoppmann (Historikerin, Berlin)

Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum (Direktorin des Zentrums für Antisemitismusforschung, Berlin)

Leon Schwarzbaum (Holocaust-Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald und Sachsenhausen, heute in Berlin)

Prof. Dr. Michael Schwartz (Institut für Zeitgeschichte, Vorsitzender des Fachbeirats der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Berlin / München)

Benjamin Schwarz (Dipl.Verwaltungswirt, erster stellv. Bezirksbürgermeister Stadtbezirk 5, Düsseldorf)

Marion Schweizer (Lektorin und Übersetzerin / Hamburg)

Prof. Dr. Roma Sendyka (Historikerin, Jagiellonian Universität, Mitglied der „Europäischen Holocaust Forschungs-Infrastruktur“, Krakau / Polen)

Christian Setzepfandt (Historiker, Vorstand AIDS Hilfe Frankfurt e.V.)

Margit Siebner (Holocaust Überlebende, Zeitzeugin in Schulen und Universitäten, Berlin)

Patrick Siegele (Direktor des Anne Frank Zentrums, Berlin)

Prof. Dr. Detlef Siegfried (Historiker, Universität Kopenhagen)

Dr. Robert Sommer (Historiker, Humboldt Universität Berlin, freier Mitarbeiter der Gedenkstätte Ravensbrück)

Cornelia Sperling (Projektentwicklerin, FLiP-Frauenliebe im Pott e.V., LAG Lesben in NRW, Essen)

Karl-Heinz Steinle (Historiker, Berlin/Stuttgart)

Dr. Andreas Sternweiler (Mitbegründer Schwules Museum, Berlin)

Stefanie Sycholt (Filmregisseurin, München)

Jerzy Szczesny (Vorstand Schwulenberatung, Berlin)

Prof. Dr. Joanna Talewicz-Kwiatkowska (Historikerin, Jagiellonian Universität Krakau / Polen, wissenschaftliche Beratung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, Mitglied des europäischen wissenschaftlichen Netzwerkes zu Roma und Sinti Studien, derzeit an der Columbia Universität New York / USA)

Marlis Tepe (Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft/GEW, Frankfurt/M.)

Thomas Tillmann (Studiendirektor am Gymnasium Fabritianum und Schul-Ansprechpartner für LGBTIQ*-Fragen, Krefeld)

Prof. Dr. Stefan Timmermanns (Sexualpädagoge, Frankfurt/M.)

Wolfgang Theis (Mitbegründer Schwules Museum, Berlin)

Dr. Piotr Trojanski (Pädagogische Universität Krakau / Polen)

Birgit F. Unger (Unternehmerin, Coach, Mitglied Stiftungsrat der ARCUS Stiftung, Essen)

Hans-Erich Viet, Filmregisseur (u.a. „Der letzte Jolly Boy“ über den Auschwitz-Überlebenden Leon Schwarzbaum), Berlin und Heinitzpolder/Ostfriesland

Ulrich Wagner (Jurist, Frankfurt/M. und Kassel)

Matthias Weber (Vorstandsvorsitzender des Völklinger Kreis e. V., Berufsverband schwuler Führungskräfte und Selbständiger, Berlin)

Claudia Weinschenk (Historikerin, Projekt "Der Liebe wegen", Stuttgart)

Ruth Weiss (Holocaust Überlebende, Schriftstellerin, Skipsted / Dänemark)

Jürgen Wenke (Dipl.-Psych. Dipl. -Ing., Mitbegründer der Schwulenberatung Rosa Strippe, Initiator von Stolpersteinen für verfolgte schwule Männer, Bochum)

Prof. Dr. Götz Wienold (Linguist, Semiotiker und Schriftsteller, Tokyo)

Prof. Dr. Michael Wildt (Historiker, Humboldt Universität Berlin)

Karl-Heinz Wilhelmi (Dipl.-Ing., Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender der Schwulenberatung Rosa Strippe, Bochum)

Raimund Wolfert (Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, Berlin)

Katrin Wolter (Verlagsleiterin, Hamburg)

Prof. Dr. Ansgar Wucherpfennig (Rektor der Hochschule St. Georgen, Lehrstuhl für Exegese des Neuen Testaments, Frankfurt /M.)

Prof. Dr. Marcin Zaremba (Historiker, Universität Warschau)

Dr. Lothar Zieske (pens. Lehrer, Mitglied des Auschwitz-Komitees der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg)

Prof. Dr. Jürgen Zimmer † (Erziehungswissenschaftler em., Freie Universität Berlin)

Dr. Alexander Zinn (Soziologe und Historiker, Berlin)

(V.i.S.d.P.: Dr. Lutz van Dijk: lutzvandijk@iafrica.com  und Dr. Friedhelm Krey: friedhelm.krey@t-online.de)

2. Stellungnahmen von Unterzeichner*innen und weiteren nationalen und internationalen Expert*innen zur Petition für eine Gedenkstunde im Bundestag für homosexuelle Opfer am 27. Januar 2021 

 

Botschaft vom Internationalen Auschwitz Komitee:

Christoph Heubner (Geschäftsführender Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Berlin):

Im Internationalen Auschwitz Komitee sind seit Jahrzehnten jüdische und nicht-jüdische Überlebende von Auschwitz im gemeinsamen Engagement als Zeitzeugen in vielen Ländern versammelt: Sie berichten über ihr eigenes Schicksal, über das Schicksal ihrer Familien und über das Leiden aller Opfergruppen, die von den deutschen Nationalsozialisten ausgegrenzt, 
gedemütigt und ermordet wurden. Sie würden es außerordentlich begrüßen, wenn am 27. Januar des Jahres 2021 in der Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestages die homosexuellen Opfer dieses menschenverachtenden Systems geehrt und vor neuer Ausgrenzung von Minderheiten und neuem Haß gewarnt werden würde. Wir wären dem 
Präsidenten des Deutschen Bundestages dankbar, wenn er sich hierfür mit seiner Autorität einsetzen würde. 

Botschaft des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma:

Petra Rosenberg (Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V. ):

Auch Sinti und Roma haben die leidvolle Erfahrung machen müssen, noch lange nach 1945 zu den sogenannten 'vergessenen Opfergruppen' zu gehören. Es erforderte ein jahrelanges Engagement der direkt Betroffenen wie auch der sogenannten zweiten Generation, bis es zu einem gesellschaftlichen Interesse und Verständnis in der Bevölkerung unseres Landes dafür kam. Daher war es für Sinti und Roma in Deutschland, aber auch auf internationaler Ebene, von außerordentlicher Bedeutung, als 2011 anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus mit dem Niederländer Zoni Weisz erstmals ein Vertreter unserer Opfergruppe die Geschichte unserer Verfolgung in der NS-Zeit im Plenarsaal des Deutschen Bundestages thematisieren konnte. Ein derartiger öffentlicher Akt der Anerkennung sollte fraglos auch den Menschen, die als Homosexuelle im Nationalsozialismus verfolgt wurden,  nicht vorenthalten werden. Ich unterstütze deshalb ausdrücklich die Petition, am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus 2021 im Deutschen Bundestag endlich auch einem Vertreter dieser Opfergruppe das Wort zu erteilen.

Botschaft vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes: 

Reiner Hoffmann (Bundesvorsitzender)  und Elke Hannack (stellvertretende Bundesvorsitzende, Berlin):

Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, eine schmerzhafte Leerstelle in der bisherigen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit unseres Landes zu füllen. Wie Ihnen ja bereits bekannt ist, richten sich die über hundert Unterzeichner*innen (dieser Petition) an Sie, die Gedenkstunde des Deutschen Bundestages an die Opfer des Nationalsozialismus 2021 den Angehörigen sexueller Minderheiten zu widmen und damit ihren Status als Opfergruppe angemessen zu würdigen. Wir halten dieses Anliegen für mehr als berechtigt und unterstützen es nachdrücklich. [Auszug aus Brief vom 13. Februar 2019] 

Botschaft vom Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: 

Dr. Dr. h.c. Volker Jung (Kirchenpräsident, Darmstadt): 

Das Anliegen, der homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2021 im Bundestag zu gedenken, unterstütze ich ausdrücklich. Das wäre gerade jetzt ein sehr wichtiges Zeichen. Es ist leider keineswegs so, dass homo-, trans- und intersexuelle Menschen überall in diese Welt mit Akzeptanz rechnen können. In manchen Ländern müssen sie aufgrund ihrer – wie ich als christlicher Theologe sagen möchte – gottgegebenen Prägung um ihr Leben fürchten. Dem kann und muss auch im Rahmen einer Gedenkkultur entgegengetreten werden. 

Botschaften von Holocaust Überlebenden

 Esther Bejarano (Ehrenpräsidentin des Auschwitz Komitees Deutschland, Musikerin und Zeitzeugin in Schulen, Hamburg):

Es waren die Nazis, die Menschen in „unterschiedlich wertvolle“ Kinder, Frauen und Männer klassifizierten. Das ist nirgendwo auf der Welt akzeptabel ! Nach der Befreiung 1945 riefen  wir  Überlebenden alle "Nie wieder!".  Für unsere Kameraden mit dem Rosa Winkel galt das aber nicht: Sie wurden in den meisten Ländern, auch in Deutschland, weiterverfolgt.  In Deutschland ist das zwar endlich vorbei. Aber ein aufrichtiges und umfassendes Erinnern fehlt noch immer und ist ebenso nötig. Eine Gedenkstunde im Bundestag am 27. Januar 2021 ist überfällig.

Rozette Kats (Zeitzeugin an Schulen in den Niederlanden und Deutschland, Amsterdam,  Niederlande):

Bei meinen Besuchen als Zeitzeugin in vielen Schulen in Deutschland und den Niederlanden bewegt mich immer wieder am stärksten, wie viele junge Menschen sich noch immer berühren lassen von jenen Geschichten der NS-Zeit, die nun so lange zurückliegen. Bei vielen gibt es ein klares Gefühl für Gerechtigkeit – und dann auch den Wunsch, dass Ungerechtigkeiten der Vergangenheit sich keinesfalls in Gegenwart oder gar Zukunft verlängern dürfen. Hierzu gehört für mich auch das Unrecht, dass damals homosexuelle Frauen und Männer erleiden mussten – und vielen von ihnen auch noch lange nach 1945. Ich bitte Sie, mit einer Gedenkstunde im Deutschen Bundestag am 27. Januar 2021 das längst fällige Zeichen für Gerechtigkeit zu setzen – für Ihr Land, aber auch international.

Leon Schwarzbaum (Zeitzeuge u.a. in dem Film „Der letzte Jolly Boy“/2019, Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald, Sachsenhausen, heute in Berlin):

Während meiner Zeit als jüdischer Häftling im KZ Auschwitz-Birkenau habe ich öfter auch homosexuelle Mithäftlinge erlebt. Sie waren ja mit einem rosa Winkel gekennzeichnet.  Ich erinnere mich, dass sie soweit möglich versuchten, zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen. Es kam auch vor, dass ein Homosexueller Blockältester wurde, insgesamt aber gehörte die Gruppe der Homosexuellen in Auschwitz zu den am schlechtesten behandelten Gefangenen – genauso wie die Sinti und Roma und wie wir Juden! Ich unterstütze ausdrücklich das Anliegen, auch an die homosexuellen Opfer des NS-Faschismus am Holocaust-Gedenktag zu erinnern.

Ruth Weiss (Schriftstellerin mit Lesungen und Vorträgen in Deutschland, eine Schule in Deutschland trägt auch ihren Namen, Skipsted, Dänemark):

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Dr. Schäuble, wie enttäuschend, dass es Ihnen bisher nicht möglich war - jedenfalls nicht 2019 und 2020 - beim Gedenken am 27. Januar an die Opfer der Nazizeit auch Homosexuelle einzuschließen. Bereits in der Emigration in den 30er Jahren lernte ich bemerkenswerte Personen kennen, die wegen ihrer Sexualität verfolgt und wie meine Familie im Ausland, in unserem Fall im fernen Südafrika, Schutz gesucht hatten. Ich hoffe sehr, dass nun endlich der erneute Vorschlag der Petition für 2021 angenommen wird ! 

Botschaften von Historiker*innen aus dem Ausland

Dr. Anna Hájková (Historikerin, University of Warwick, Großbritannien):

Als Holocausthistorikerin, die international arbeitet — ich bin in Tschechien geboren, in Deutschland, USA und Kanada ausgebildet und in Großbritanien angestellt — finde ich das Bemühen, der homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus offiziell im Bundestag zu gedenken, besonders wichtig. Gedenkpolitik ist Politik. Wessen gedacht werden darf, und wessen nicht, bedeutet auch wen wir anerkennen  in unserer Gesellschaft und der Geschichte, wie wir sie haben wollen. Gerade im Zeitalter des wachsenden Populismus stehen LGBT Rechte und queere Geschichte als ein Zeichen dafür, was unsere Gesellschaft sein will.

Dr. Joanna Ostrowska (Historikerin, Judaistische Studien an der Jagiellonian Unversität Krakau, Gender Studies an der Universität von Warschau, Polnisch-Jüdische Studien am Literatur Forschungsinstitut, Mitglied der Jury des Film Festivals in Krakau, Polen):

Mit meiner Unterzeichnung der Petition für eine Gedenkstunde im deutschen Bundestag für die homosexuellen Opfer der NS-Zeit am 27. Januar 2021 will ich sehen lassen, dass es auch in Polen viele Menschen gibt, die sich zu Europa gehörig fühlen – einem Europa der Menschenrechte für alle, in dem auch Minderheiten geachtet werden. In Polen gibt es bis heute kein Erinnern an homosexuelle Opfer, nicht einmal in unserer staatlichen Gedenkstätte Auschwitz. Eine Gedenkstunde für die Männer mit den Rosa Winkel und andere wegen sexueller Orientierung Verfolgte im deutschen Parlament am Tag der Befreiung von Auschwitz, dem 27. Januar, würde auch in Polen aufmerksam wahrgenommen. Es würde nicht zuletzt auch die Anerkennung von homo- und transsexuellen Menschen in Polen stärken.

Prof. Dr. Marcin Kula (Historiker, früher am Institut für Geschichte der Universität von Warschau, seit der Emeritierung Mitarbeit an der Aleksander Zelwerowicz Akademie der dramatischen Künste in Warschau, Polen):

Obwohl es bereits viel wissenschaftliche Forschung gibt, selbst in Bereichen, die lange verborgen schienen oder bewusst verschwiegen wurden im Kontext der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und Europa, sind wir noch immer weit entfernt von einem auch nur annähernd vollständigen Wissen. Es sollte Teil der Forschungen dieses neuen Jahrtausends sein, uns jenen Aspekten sorgfältig und wahrhaftig zuzuwenden, die übersehen wurden, wie auch der Frage, warum sie übersehen wurden. Zweifellos wurde das Leiden von Homosexuellen in deutschen Konzentrationslagern, auch in Auschwitz, lange nicht nur ignoriert, sondern bewusst verleugnet, weil es nicht in das Selbstverständnis vieler Nationen, nicht nur Deutschlands, nach 1945 passte. Es ist an der Zeit, dass gründliche Kenntnis über diese Verfolgtengruppe Teil unserer Erinnerungskulturen wird. Ich unterstütze die Petition, dass homosexuelle Opfer in einer eigenen Gedenkstunde im deutschen Parlament am 27. Januar 2021 anerkannt werden.

Außer Herrn Prof. Dr. Marcin Kula haben unsere Petition die folgenden weiteren polnischen Historiker*innen unterschrieben:

Prof. Dr. Maciej Górny (Historiker, Polnische Akademie der Wissenschaften /Deutsches Historisches Institut, Warschau, Polen)

Dr. Dobrochna Kalwa (Historikerin, Universität Warschau, Polen)

Prof. Dr. Roma Sendyka (Historikerin, Jagiellonian Universität, Mitglied der „Europäischen Holocaust Forschungs-Infrastruktur“, Krakau / Polen)

Prof. Dr. Joanna Talewicz-Kwiatkowska (Kulturanthropologin, Jagiellonian Universität Krakau, wissenschaftliche Beratung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, Mitglied des europäischen wissenschaftlichen Netzwerkes zu Roma und Sinti Studien, derzeit an der Columbia Universität New York, USA)

Prof. Dr. Marcin Zaremba (Historiker, Autor von „Die große Angst – Polen 1944-47“, Universität Warschau, Polen)

Botschaften von Historik*innen und anderen Expert*innen aus Deutschland

 Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum (Direktorin des Zentrums für Antisemitismusforschung, Berlin):

Das Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin besteht seit 1982 und zählt heute weltweit  zu den  bedeutendsten Einrichtungen seiner Art. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die interdisziplinäre Grundlagenforschung zum Antisemitismus in seinen vielfältigen Ursachen, Erscheinungsformen und Auswirkungen in Vergangenheit und Gegenwart. Zugleich beschäftigen wir uns auch mit Vorurteilen gegenüber anderen Minderheiten und ihren Folgen für die Betroffenen wie für die Gesellschaften, in denen sie leben. Die Gruppe der homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus gehört fraglos dazu. Ihre noch lange nach 1945 andauernde Kriminalisierung und die bis heute bestehenden Vorurteile in weiten Teilen der Bevölkerung, erfordern endlich überfällige Korrekturen für Politik und Gesellschaft. Bundespräsident Steinmeier hat am 3. Juni 2018 am Berliner Denkmal der Homosexuellen erstmals eine Aussage der vollständigen Anerkennung  getroffen. Es ist dringend an der Zeit, dass der Deutsche Bundestag in seiner jährlichen Gedenkstunde am 27. Januar 2021 diesem Vorbild folgt und der homosexuellen Opfer gedenkt

Patrick Siegele (Direktor des Anne Frank Zentrums, Berlin):

Das Schicksal des jüdischen Mädchens Anne Frank, deren Tagebuch in alle Weltsprachen übersetzt wurde, hat Millionen Menschen berührt. Es hat Menschen in aller Welt verstehen lassen, was es bedeutet in einer behüteten Familie aufzuwachsen und doch am Ende unschuldiges Opfer eines staatlich verordneten Rassismus zu werden und mit 15 Jahren in einem deutschen Konzentrationslager umzukommen.  Wir können uns einfühlen in die Lebensgeschichten anderer Menschen, egal wie nah oder fremd sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Dafür jedoch sind geschichtlich korrektes Wissen und die Kenntnis persönlicher Geschichten nötig. Beides wurde den Homosexuellen nach 1945 verwehrt. Es ist überfällig, dass in der Gedenkstunde im Bundestag am 27. Januar 2021 diese Verantwortung wahrgenommen wird und damit endlich auch eine zu lange bestehende Schuld gegenüber dieser Opfergruppe anerkannt wird.

Prof. Dr. Stephan Lehnstaedt (Historiker, Holocaust- und Jüdische Studien, Touro College / Berlin):

Den Opfern wurden damals Kategorien zugeschrieben ("Jude", "Homosexueller", "Zigeuner" usw.), um die Verfolgung zu legitimieren - Kategorien, die wir auch heute oft noch verwenden. Wir vergessen dabei, dass es sich schlicht um Menschen handelte, die ermordet wurden. Wir sollten ihnen allen zuhören. Das gilt insbesondere in Zeiten, wo derartige Kategorien wieder zur Stigmatisierung und Verfolgung genutzt werden. Niemand wurde "zu Recht" verfolgt, es gibt keine Opfer "erster" oder "zweiter" Klasse.

Dr. Claudia Schoppmann (Historikerin, Autorin von u.a. „Verbotene Verhältnisse. Frauenliebe 1938–1945“, 1999, Berlin):

Sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Frauen standen – mit Ausnahme des annektierten Österreichs – nicht unter Strafe (§175). Dennoch wurde weibliche Homosexualität gesellschaftlich geächtet und entsprach nicht dem „gesunden Volksempfinden“. Allein der Verdacht gegen Frauen, etwa aufgrund einer Denunziation, reichte für polizeiliche Ermittlungen und andere Maßnahmen. Dies hat jedoch nur selten Spuren in Archiven hinterlassen. Auch wenn lesbische Frauen nicht im selben Ausmaß und auf ähnliche Weise verfolgt wurden wie homosexuelle Männer – die Gedenkstunde im Bundestag wäre ein wichtiges Zeichen, um auch an das Leid lesbischer Frauen zu erinnern, das bislang im öffentlichen Gedenken ausgeblendet worden ist.

Prof. Dr. Sabine Hark (Direktorin des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin):

75 Jahre nach Ende des von Deutschland entfachten völkerrechtswidrigen Weltkriegs ist es endlich an der Zeit, allen Opfern  zu gedenken, und am 27. Januar 2021 endlich auch im Bundestag den von den Nationalsozialisten verfolgten und in den Konzentrationslagern ermordeten schwulen Männern sowie den lesbischen Frauen und allen anderen sexuellen und geschlechtlichen Dissident*innen, die Opfer nationalsozialistischer Drangsalierung geworden sind. Erinnerung ist unsere demokratische Verpflichtung. Erinnerung ist #unteilbar.

Prof. Dr. Rüdiger Lautmann (Soziologe, Bremen und Berlin, Autor des ersten Standardwerkes zum Thema "Seminar: Gesellschaft und Homosexualität", 1977):

Der Rosa-Winkel in den Konzentrationslagern hatte mörderische Wirkungen, die sich quantitativ nicht wirklich ermessen lassen. Unter dem NS-Regime wurden alle Menschen, die ihrem gleichgeschlechtlichen Begehren folgen wollten, in Deckung und Verzicht getrieben. Nach dem Ende des NS-Regimes dauerte es noch eine ganze Generation, bis sich erneut eine Emanzipationsströmung entfalten konnte. Es wäre nicht nur eine national wie international wichtige Geste, sondern historisch wie menschlich längst überfällig, wenn in der Gedenkstunde im Bundestag am 27. Januar 2021 endlich an die homosexuellen Opfer der NS-Barbarei erinnert wird.

Dr. Günter Grau (Historiker und Autor von u.a. „Lexikon der Homosexuellenverfolgung 1933-1945“, Berlin):

Gerade in einer Zeit, in der versucht wird, die Verbrechen des NS-Regimes  zu relativieren, ist es wichtiger denn je, die Leiden der Opfer im kollektiven Gedächtnis als Vermächtnis festzuschreiben, und mit aller Kraft für die Einhaltung der Menschenrechte zu kämpfen. Dafür wäre eine Gedenkstunde im Deutschen Bundestag 2021 genau der richtige Ort.

Prof. Dr. Michael Schwartz (Historiker, Institut für Zeitgeschichte, Vorsitzender des Fachbeirats der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Berlin / München):

Im Mai 2018 wäre Magnus Hirschfelds 150. Geburtstag gewesen. Die deutsche Post ehrte den Vorkämpfer für die Rechte sexueller Minderheiten aus diesem Anlass mit einer Sonder-Briefmarke. Wäre es nicht noch stärker im Sinne von Dr. Hirschfeld, wenn sein Anliegen weitere Konsequenzen in der Erinnerungspolitik hätte ? Wiederholt hatte sich Hirschfeld bis 1933 für die Abschaffung des § 175 StGB eingesetzt. Nach 1933 wurde nicht nur sein Institut für Sexualwissenschaft, das erste weltweit, von den Nazis vernichtet, sondern die schrecklichste Verfolgung aufgrund dieses durch die Hitler-Diktatur noch erheblich verschärften § 175 begann erst im Todesjahr Hirschfelds 1935 für ein volles Jahrzehnt. Das NS-Homosexuellenstrafrecht galt übrigens in der Bundesrepublik Deutschland ab 1949 für weitere zwanzig Jahre unverändert. Es wäre von internationaler historischer Bedeutung, wenn das heutige deutsche Parlament, der Bundestag, durch seinen Präsidenten verkünden ließe, dass am 27. Januar 2021 endlich auch der homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird, die auch nach 1945 von der deutschen Politik und Gesellschaft allzu lange weiterhin missachtet und ausgegrenzt worden sind. 

Botschaften von LGBTIQ Aktivist*innen in Organisationen und Parteien aus Deutschland

Günter Dworek (Bundesvorstand LSVD – Lesben- und Schwulenverband Deutschland, Berlin):

Die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus blieben nach 1945 jahrzehntelang aus der Gedenkkultur ausgeschlossen. Das hat sich geändert. Dieser Wandel sollte sich nun auch im Bundestag bei der Gestaltung des jährlichen Gedenktags an die Opfer des Nationalsozialismus widerspiegeln. Im Gedenken an die nationalsozialistischen Verbrechen kann der Bundestag auch am 27. Januar 2021 ein deutliches Zeichen gegen die heutige Verfolgung und Entrechtung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in vielen Teilen dieser Welt setzen.

Eva Bujny (frauenberatungsstelle düsseldorf e.V.) und Ishraf Ouhtit (Senlima – LSBTI*- Gruppe für jugendliche Geflüchtete der Rosa Strippe, Bochum):

Aus der Nazi-Zeit lernen bedeutet für uns zuerst, uns heute gegen jede Gewalt an Frauen zu wehren und ihnen zur Seite zu stehen. Dies gilt immer auch für lesbische Mädchen und Frauen. Wir sind dankbar für solidarische Kontakte zu ähnlichen Organisationen in Ländern Afrikas. Die Verfolgung von Lesben, Schwulen, Trans*- und intersexuellen Menschen in allen Teilen der Welt braucht unsere Aufmerksamkeit, unser Verstehen und unsere Solidarität. Auch dafür wäre eine Gedenkstunde im Bundestag 2021 bedeutsam.

Alexander Vogt (CDU, Bundesvorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union):

Erst seit 1994, beinahe ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende, steht Homosexualität nicht mehr unter Strafe und der §175 StGB wurde endgültig abgeschafft. Weitere 24 Jahre gingen ins Land, bis auch die nach 1945 Verurteilten rehabilitiert wurden. Zu lange! Für den Entwicklungsgrad, die Stabilität, ja, den Wert einer Demokratie ist der Umgang mit Minderheiten jedoch ein wichtiger Gradmesser. Daher halte ich es für dringend geboten, dass der Deutsche Bundestag endlich auch der im Nationalsozialismus verfolgten sexuellen Minderheiten gedenkt.

Patrick Slapal (CSU, Lesben und Schwule in der Union, Landesverband Bayern):

Die Inschrift auf der Bronzetafel am Platz der Opfer des Nationalsozialismus in München lautet: "IM GEDENKEN AN DIE OPFER DER NATIONALSOZIALISTISCHEN GEWALTHERRSCHAFT - VERFOLGT AUS POLITISCHEN GRÜNDEN, VERFOLGT AUS RASSISTISCHEN GRÜNDEN, VERFOLGT AUS RELIGIÖSEN GRÜNDEN, VERFOLGT WEGEN IHRER SEXUELLEN IDENTITÄT, VERFOLGT WEGEN IHRER BEHINDERUNG". Der Deutsche Bundestag sollte 2021 – nach viel zu langer Zeit – auch der homosexuellen Opfer in der Gedenkstunde am 27. Januar gedenken. Die Ausklammerung einer Gruppe wird dem Leid der Opfer nicht gerecht.

Johannes Kahrs (MdB, Beauftragter der SPD Bundestagsfraktion für die Belange von Lesben und Schwulen):

Die Gleichstellung von Schwulen und Lesben ist ein Thema, dass unsere Gesellschaft auch nach Einführung der Ehe für alle beschäftigen muss. Insbesondere muss weiterhin für die gesellschaftliche Akzeptanz gekämpft werden. Es wäre ein wichtiges Zeichen, dass nach 25 Jahren endlich auch der homosexuellen Opfer im Deutschen Bundestag gedacht wird - in einer eigenen Gedenkstunde.

Dr. Jens Brandenburg (MdB, Sprecher für LSBTI der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag):

Unzählige Menschen wurden im Nationalsozialismus wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt, eingesperrt und getötet. Darüber dürfen wir nicht schweigen. Ihnen gebührt unser aller Gedenken. Die Gedenkstunde im Deutschen Bundestag am 27. Januar 2021 ist dafür ein geeigneter Anlass.

Doris Achelwilm (MdB, queerpolitische Sprecherin der LINKEN-Bundestagsfraktion):

Ein umfassendes Erinnern an homo- oder transsexuelle Opfer des Naziregimes (wie auch eine Aufarbeitung der anschließend weiter diskriminierenden Justiz) steht vielerorts aus. In Polen wird offiziell zu den u.a. schwul-lesbischen Opfern der Nazizeit geschwiegen. Eine Gedenkstunde im Deutschen Bundestag am 27. Januar 2021, die sich den verfolgten sexuellen Minderheiten wie Schwulen, Lesben, Trans- oder Intersexuellen widmet, wäre ein starkes, europaweit wirkendes Signal.

Sebastian Walter (Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, Sprecher QUEERGRÜN von Bündnis 90/Die Grünen):

„Totgeschlagen – totgeschwiegen.“ Diese Inschrift auf den Gedenkstein für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus am Berliner Nollendorfplatz fasst das offizielle Gedenken in der Bundesrepublik nach 1945 in zwei Worten zusammen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum zehnjährigen Bestehen des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen erstmals unmissverständliche Worte der Verantwortung, Würdigung und Vergebung gefunden. Der Bundestag sollte sich dieser Botschaft mit einer ebenso klaren Haltung anschließen. Daher unterstütze ich die Initiative zur Würdigung der homosexuellen Opfer im Rahmen der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus des Deutschen Bundestages am 27. Januar 2021 ausdrücklich.