Menu
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Recht

Beihilfe bei verpartnerten Beamt*innen, Richter*innen und Soldat*innen

Gleichstellung von Eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe (Stand: 2022)

Verpartnerte Beamt*innen, Richter*innen und Soldat*innen erhalten inzwischen sowohl im Bund als auch in allen Bundesländern außer in Sachsen dieselbe Beihilfe für ihre Partner*innen wie ihre verheirateten Kolleg*innen für ihre Ehegatt*innen.

1. Hinweis

Verpartnerte Beamt*innen, Richter*innen und Soldat*innen erhalten inzwischen sowohl im Bund als auch in allen Bundesländern außer in Sachsen dieselbe Beihilfe für ihre Partner*innen wie ihre verheirateten Kolleg*innen für ihre Ehegatt*innen.

Gestritten wird noch über die Beihilfe für Zeiten vor der jeweiligen Gleichstellung.

Die Beihilfe konnten die Bundesländer schon vor der Förderalismus-Reform von 2006 eigenständig regeln. Sehr viele Bundesländer haben sich aber damit begnügt, auf die Beihilfe-Vorschriften des Bundes zu verweisen. In den anderen Bundesländern gab es nur hinsichtlich einzelner Leistungen Abweichungen. Danach wurde die Beihilfe durchweg wie folgt bemessen:

  • Beamt*innen (ohne Kinder) erhielten eine Beihilfe von 50 % der beihilfefähigen Aufwendungen, Versorgungsempfänger*innen (ohne Kinder) von 70 %. Dieser Satz galt auch für verpartnerte Beamt*innen. Er änderte sich durch die Verpartnerung nicht.
  • Für ihre Partner*innen erhielten Beamt*innen eine Beihilfe von 70 % der beihilfefähigen Aufwendungen. Das galt aber nicht,
    • wenn die Partner*innen nach beamtenrechtlichen oder nach anderen als beamtenrechtlichen Vorschriften selbst beihilfeberechtigt waren oder
    • wenn ihre Einkünfte im Vorvorkalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrags über 18.000 € lag.
    • Außerdem wurden alle sonstigen vergleichbare Leistungen in voller Höhe angerechnet.

Inzwischen weichen die Beihilfe-Regelungen im Bund und in den Bundesländern immer mehr voneinander ab. 

Die jeweils maßgebenden Beihilfevorschriften kann man über die Online-Portale des Bundes und der Länder für ihre Rechtsvorschriften aufrufen.

Ein Beihilfeantrag lohnt sich regelmäßig nur, wenn der Partner weder selbst beihilfeberechtigt noch pflichtversichert ist.

Für Erstattungs-Anträge gilt in der Regel eine Antragsfrist von einem Jahr. Das heißt, die Rechnungen und Rezepte dürfen nicht älter als ein Jahr sein.

2. Zur Rechtslage

Verpartnerte Beamt*innen, Richter*innen und Soldat*innen können verlangen, dass ihre Partner*innen bei der Beihilfe im selben Umfang als berücksichtigungsfähige Angehörige anerkannt werden wie Ehegatt*innen. Der Anspruch ergibt sich aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG und aus der Richtlinie 2000/78/EG.

Die Ansprüche hängen davon ab, ob sich Lebenspartner*innen hinsichtlich der Beihilfe für ihre Partner*innen in einer vergleichbaren Lage befinden.

Das haben die deutschen Gerichte bisher durchweg verneint. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat diese Frage aber inzwischen in einem Beschluss vom 19.06.2012 - 2 BvR 1897/09 juris - bejaht und dem Gesetzgeber aufgegeben, den Gleichheitsverstoß rückwirkend ab dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 01.08.2001 zu beseitigen.

In dieser Entscheidung ging es zwar nicht um die Gleichstellung bei der Beihilfe, sondern beim Familienzuschlag der Stufe 1. Aber was das Bundesverfassungsgericht zur Vergleichbarkeit von Lebenspartner*innen und Ehegatt*innen beim Familienzuschlag ausgeführt hat, lässt sich ohne weiteres auf die Beihilfe übertragen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte zwar die Vergleichbarkeit in drei Beschlüssen vom 28.10.2010 - 2 C 23.09, 46.09 und 53.09 juris - ebenfalls bejaht. Es hat aber die Revisionsverfahren dem EuGH zu Klärung der Frage vorgelegt, ob die Beihilfe den staatlichen Systemen der sozialen Sicherheit im Sinne von Art. 3 Abs. 3 RL 2000/78/EG gleichgestellt ist. Für solche Leistungen gilt die Richtlinie nicht.

Der EuGH hat am 06.12.2012 entschieden, dass die Beihilfe für Beamt*innen in Krankheitsfällen europarechtlich als „Arbeitsentgelt“ im Sinne der Gleichstellungsrichtlinie 2000/78/EG zu werten ist, wenn sie vom Staat als öffentlicher Arbeitgeber finanziert wird. (Az. C-124/11 u.a.). Das ist der Fall.

Damit steht fest, dass sich die verpartnerte Beamt*innen, Richter*innen und Soldat*innen bei der Beihilfe rückwirkend ab dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 01.08.2001 auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG berufen können und ab dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78/EG am 03.12.2003 auf die Richtlinie. 

Da die Betroffenen ihren Anspruch auf Gleichstellung ab dem 03.12.2003 auf die Richtlinie 2000/78/EG EG stützen können, ist es unerheblich, wann und wie der Gesetzgeber die Beihilfe-Vorschriften ändert. Die Besoldungsstellen und die Gerichte müssen die auf das europäische Recht gestützten Gleichbehandlungs-Ansprüche zusprechen, auch wenn der Gesetzgeber die maßgeblichen Vorschriften noch nicht geändert hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.2010 - 2 C 10.09 juris, Rn. 28 f.). So jetzt auch VG Schleswig-Holstein, Urt. v. 20.08.2013 - 12 A 50/13.

3. Antragsfrist für die Beantragung der Beihilfe

Die Betroffenen müssen aber damit rechnen, dass ihnen die Antragsfrist von einem Jahr für Erstattungsanträge entgegengehalten wird. Das ist auch nach europäischem Recht zulässig. 

Dazu gibt es folgende Übergangsregelungen:

Bund: Das Bundesministerium des Innern hat nach der rückwirkenden gesetzlichen Gleichstellung ab dem 01.01.2009 angeordnet, dass Beihilfe-Berechtigten auf Antrag anstelle der Beihilfe die für eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner für die Zeit zwischen dem 1. Januar 2009 und dem lnkrafttreten aufgewandten und nachgewiesenen Prämien einer privaten Krankenvollversicherung in einem 100 %-Tarif erstattet werden können (RdSchr. v. 05.12.2011  - D 6 - 213 100/74: "Bundesbeihilfeverordnung (BBhV); Begleitregelung zur Einführung der Berücksichtigungsfähigkeit von Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern")

Niedersachsen: Die verpartnerten Beamt*innen und Richter*innen können die Beihilfeanträge für ihre Partner*innen bis zum 04.09.2013 nachholen (RdErl. des niedersächsischen Finanzministeriums v. 23.08.2012 - 25-11 40/8, 26-2050/37, 26-03540: Besoldungs-, Versorgungs- und Beihilfeleistungen für Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter in Lebenspartnerschaften, Nds. MBl. 2012 Nr. 30, S. 681)

4. Kein Schadensersatz bei rechtswidriger Ablehnung der Gleichstellung

Wenn solche Ausgleichs-Regelungen nicht erlassen werden, stellt sich für die Betroffenen die Frage, ob sie von ihren Dienstherren Schadensersatz verlangen können, weil sie durch die rechtswidrige Ablehnung der Gleichstellung gezwungen waren, ihre Lebenspartner*innen voll privat zu versichern, sofern diese nicht gesetzlich krankenversichert waren.

Nach der Rechtsprechung des EuGH haften die Mitgliedstaaten für Schäden aufgrund der mangelhaften Umsetzung von Richtlinien nur, wenn der Verstoß hinreichend qualifiziert ist. Das ist der Fall, wenn ein Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat.

Dies wird schwer nachzuweisen sein. Denn Deutschland kann sich darauf berufen, dass die Frage der Einbeziehung der Beihilfe in die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG in Deutschland so streitig war, dass das Bundesverwaltungsgericht mit drei Beschlüssen vom 28.10.2010 diese Frage dem EuGH zur Klärung vorgelegt hat. Deutschland habe deshalb sein Ermessen nicht offenkundig und erheblich überschritten, wenn es verpartnerte Beamt*innen hinsichtlich der Beihilfe für ihre Partner*innen nicht mit verheirateten Beamt*innen gleichgestellt hat.

Hinzu kommt noch Folgendes: Die nähere Ausgestaltung des europarechtlichen Schadensersatzanspruchs bleibt den jeweiligen Mitgliedsstaaten überlassen. Demgemäß ist in Deutschland auf den europarechtlichen Schadensersatzanspruch auch § 839 Abs. 3 BGB anwendbar. Danach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Deshalb können Betroffene, die ihre Benachteiligung bei der Beihilfe hingenommen haben, schon aufgrund von § 839 Abs. 3 BGB keinen Schadensersatz verlangen.