Die Geschichte der Unterdrückung und Verfolgung in der Bundesrepublik und der DDR muss stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Schwule und Lesben blieben auch nach 1945 gesellschaftlich geächtet. Das Grundrecht auf Versammlungs- und Koalitionsfreiheit wurde ihnen in der frühen Bundesrepublik ebenso wenig zugestanden wie das Recht auf freie Meinungsäußerung. Schwul-lesbische Publikationen fielen Zensur und Verboten zum Opfer. Auch nach Ende des Nationalsozialismus hat staatliche Unterdrückungspolitik weitere Generationen um ihr Lebensglück betrogen.
Der 1935 verschärfte § 175 StGB blieb in der Bundesrepublik bis 1969 unverändert in der Nazi-Fassung in Kraft. Zehntausende Männer wurden im demokratischen Staat aufgrund von NS-Gesetzgebung Opfer von Strafverfolgung. Endgültig gestrichen wurde § 175 erst 1994. Auch die DDR hatte Homosexualität unter Erwachsenen bis 1968 nicht vollständig entkriminalisiert und bis 1989 galten ähnlich wie in der Bundesrepublik unterschiedliche strafrechtliche Schutzaltersgrenzen für Homo- und Heterosexualität. Unabhängige Organisationsbemühungen von Schwulen und Lesben wurden vom Ministerium für Staatssicherheit als staatsfeindlich eingestuft, bespitzelt, behindert und mit „Zersetzungsmaßnahmen“ überzogen.
2017 konnte endlich die Aufhebung der meisten nach 1945 erfolgten Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen erkämpft werden. Dieses Rehabilitierungsgesetz ist ein bedeutsamer historischer Schritt und zeigt die Fähigkeit des Rechtsstaats zur Selbstkorrektur. Allerdings müssen noch Lücken im Gesetz geschlossen werden. Denn es gibt eine Einschränkung bei der Aufhebung der Urteile, die neue Ungerechtigkeiten schafft. Das Rehabilitierungsgesetz führt rückwirkend erneut unterschiedliche Schutzaltersgrenzen zwischen Homo- und Heterosexualität ein. Man lässt also im Rehabilitierungsrecht einen Teil des § 175 StGB wiederauferstehen. Das muss umgehend korrigiert werden. Zudem sind die Entschädigungsregelungen unzureichend und müssen dringend nachbessert werden. Schon die strafrechtliche Ermittlung nach § 175 StGB bewirkte gesellschaftliche Ächtung, bedeutete oft den Verlust des Arbeitsplatzes und der gesamten beruflichen Karriere. Das muss ausgeglichen werden.