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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Rückblick auf Peititon: Diskriminierung & Misstrauen raus aus dem Selbstbestimmungsgesetz!

Viele Paragrafen im aktuellen  Selbstbestimmungsgesetz-Entwurf sind nicht weniger als eine klirrende Ohrfeige für trans*, inter & nicht-binäre Personen! Wir - über 350 feministische Autor*innen, Creator*innen, Jurist*innen, queere, trans*, inter und nicht-binäre Vereine und Fachverbände, Frauenhäuser sowie führende Vertreter*innen  der Frauenverbände und Gleichstellungsarbeit fordern: Streichen Sie die Misstrauensparagrafen!

Ja zu Selbstbestimmung: Jetzt auf innn.it unterschreiben!

Statt ihre Lebensrealitäten voll zu berücksichtigen, werden Vorurteile, Hass und Hetze im aktuellen Gesetzesentwurf zementiert. Lassen Sie nicht zu, dass transfeindlichen „Frauenrechtler*innen” mehr Glauben geschenkt wird als denjenigen, für die das Gesetz gemacht ist.

Sie als Regierungsfraktionen aus SPD, Grünen und FDP müssen den Entwurf jetzt überarbeiten: Schaffen Sie ein Selbstbestimmungsgesetz ohne Misstrauensparagrafen, das Rechtssicherheit für trans*, inter und nicht-binäre Personen schafft – jetzt!

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VOLLSTÄNDIGER PETITIONSTEXT: 

Sehr geehrter SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Rolf Mützenich,

sehr geehrte Vorsitzenden der Fraktion Bündnis90/Die Grünen Katharina Dröge und Britta Haßelmann,

sehr geehrter FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr, 

als Feminist*innen setzen wir uns für körperliche und geschlechtliche Selbstbestimmung ein. Dazu gehört selbstverständlich ein gutes Selbstbestimmungsgesetz, das das entwürdigende TSG (das sogenannte „Transsexuellengesetz“) endlich abschafft. Wir begrüßen daher, dass die Bundesregierung nun einen Schritt weiter ist und ihren Kabinettsentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) vorgelegt hat.

Die Inhalte des Entwurfs aber schockieren uns zum Teil. Nachdem die zuständigen Ministerien den Gesetzentwurf Anfang Mai vorstellten, warnten zahlreiche Fachverbände und Selbstorganisationen Bundesministerin Paus und Bundesminister Buschmann eindringlich: Einzelne Regelungen im Entwurf führen zu Diskriminierungen und Ausschlüssen für trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen.

Von diesem wertvollen Expert*innenwissen wurde im Kabinettsentwurf Ihrer Bundesregierung jedoch nichts berücksichtigt. Das ist ein unhaltbarer Zustand! Nach wie vor finden sich im Entwurf Formulierungen, die trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen gegenüber Misstrauen ausdrücken. Statt ihre Lebensrealitäten zu berücksichtigen, wird weiter Vorurteilen Raum gegeben.

Wir fordern Sie auf: Überarbeiten Sie den Gesetzesentwurf entsprechend der Forderungen der trans*, inter und nicht-binären Fachverbände und Selbstorganisationen! Nur so wird aus dem Entwurf ein wirkliches Selbstbestimmungsgesetz.

Lösen Sie Ihr Versprechen als Fortschrittskoalition ein! Streichen Sie diese rückschrittlichen Paragrafen aus dem SBGG-Entwurf ersatzlos:

§ 4 –  Die Änderungen von Geschlechtseintrag und Vornamen müssen drei Monate vorher beim Standesamt angemeldet werden. Das ist eine unnötige Hürde. Wer Geschlechtseintrag und Vornamen bisher nach Paragraf 45b PStG (Personenstandsgesetz) sofort ändern konnte, erfährt sogar eine rechtliche Verschlechterung. 

  • „[…] Menschen, die sich zu einer Änderung ihres Personenstands und des/der Vornamen entscheiden, [tun] dies nach reiflicher Überlegung und dem Abwägen der persönlichen Vor- und Nachteile […].“ (Bundesverband Intergeschlechtliche Menschen e. V.) 

§ 5 Abs. 1 – Wenn Geschlechtseintrag und/oder Vorname(n) geändert wurden, unterliegen sie laut Kabinettsentwurf einer einjährigen Sperrfrist. Erfahrungswerte mit dem TSG sowie aus anderen Ländern zeigen jedoch, dass es diese Einschränkung nicht braucht.

  • „[…] Personen [müssen sich] in ihrem Umfeld – beruflich und privat – an vielen Stellen erklären und womöglich kritischen oder unsensiblen Kommentaren und Nachfragen aussetzen […]. Dem setzt sich keine Person ohne längere Überlegung aus.“ (Bundesverband Trans*) 

§ 6 Abs. 2 – Juristisch ist die im Absatz festgehaltene „Klarstellung“ zum Hausrecht und zur Vertragsfreiheit für das Selbstbestimmungsgesetz unnötig. Zudem hat auch die Vertragsfreiheit Grenzen, etwa im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Der Absatz lädt aber zu Missverständnissen und unterschiedlichen Interpretationen im Alltag ein. Vor allem für trans* Frauen erhöht sich dadurch das Diskriminierungsrisiko in geschlechtergetrennten Räumen.

  • „Die Gesetzesbegründung suggeriert an dieser Stelle […], dass insbesondere trans Frauen eine potentielle Gefahrenquelle für andere Frauen darstellten, indem sie das Gesetz zum missbräuchlichen Eindringen in für sie nicht vorgesehene Räume nutzen würden. Dafür gibt es keine empirischen Belege.  […] gerade trans und nicht-binäre Personen [sind dagegen] von Gewalt und Belästigung betroffen.“ (Deutscher Juristinnenbund) 

§ 6 Abs. 3 – Sportliche Leistungen sollen laut Entwurf unabhängig vom aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden können. Eine differenzierte Debatte über die Teilhabe von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen hat in diesem Bereich jedoch gerade erst begonnen.

  • „Die Regelung ist nicht erforderlich. Sie birgt jedoch das Risiko, die diskriminierende Annahme eines pauschalen Wettbewerbsvorteils zu perpetuieren und in gesetzliche Form zu gießen.“ (LSVD) 

§ 9 – Im unmittelbaren Spannungs- oder Verteidigungsfall soll es für den Dienst an der Waffe keine Rolle spielen, wenn ein männlicher Geschlechtseintrag bis zu zwei Monate vorher geändert wurde. Trifft das z.B. auf eine trans* Frau zu, würde sie für die gesamte Dauer des Verteidigungsfalles als wehrpflichtig gelten. Dies kann Jahre dauern. 

  • „Es ist nicht verfassungsrechtlich tragfähig zu begründen, dass das Selbstbestimmungsrecht im Spannungs- und Verteidigungsfall zurücktreten soll.“ (Gesellschaft für Freiheitsrechte)

Es wäre ein fatales Signal, Ausgrenzung und Diskriminierungen gegen trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen nun in Gesetzesform zu gießen.

Zu einem guten Selbstbestimmungsgesetz gehört gemäß der Fachverbände ebenso:

  • die geschlechtliche Selbstbestimmung für trans*, inter und nicht-binäre Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren zu gewährleisten, unabhängig von der Unterstützung ihrer Eltern
  • das Abstammungsrecht diskriminierungsfrei zu gestalten, indem die Elternschaft des nicht-gebärenden Elternteils ohne männlichen Geschlechtseintrag unkompliziert anerkannt wird
  • Auch abgelehnte Asylbewerber*innen müssen ein Recht auf Selbstbestimmung haben. Der im Entwurf vorgesehene Ausschluss, zwei Monate vor Ausreisepflicht, widerspricht dem komplett.
  • Der Geschlechtseintrag muss in jedem offiziellen Dokument in Deutschland nach dem Selbstbestimmungsgesetz geändert werden können. Dies muss auch für Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder deutschen Wohnsitz gelten.
  • Außerdem müssen die Schutzlücken im Offenbarungsverbot geschlossen werden, um es wirklich zu stärken. Das Offenbarungsverbot soll verhindern, dass frühere Geschlechtseinträge einer Person ohne ihre Zustimmung offengelegt oder ausspioniert werden (Zwangs-Outing).
  • Die für Polizei und Sicherheitsbehörden neu eingeführten Ausnahmen beim Offenbarungsverbot machen uns ebenfalls Sorgen. Die Information darüber, wer Namen und Geschlechtseintrag ändern lässt, wird laut Kabinettsentwurf an eine lange Liste von Sicherheitsbehörden übermittelt – selbst wenn diese Personen noch nie mit den Behörden Kontakt hatten. Das Bundeskabinett stellt sie unter Generalverdacht. Das widerspricht einer freien Gesellschaft. Ausnahmen aus sicherheitspolitischen Gründen dürfen das Offenbarungsverbot nicht unverhältnismäßig einschränken. 

Wir verstehen, dass der Entwurf in einem angespannten gesellschaftlichen Klima entstanden ist. Auch eine kleine, aggressive und lautstarke Gruppe selbsternannter „Frauenrechtler*innen” versucht mit ihren transfeindlichen Positionen gegen das Selbstbestimmungsgesetz Stimmung zu machenDer Umgang damit darf aber nicht bedeuten, solchen Angriffen mehr Glauben und Vertrauen zu schenken als denjenigen, für die das Gesetz gedacht ist. Ein Selbstbestimmungsgesetz sollte trans*, inter und nicht-binäre Personen nicht diskriminieren, sondern schützen.

Die breite gesellschaftliche Akzeptanz für ein gutes Selbstbestimmungsgesetz ist außerdem längst da. Der deutschlandweite Verein Frauenhauskoordinierung (FHK) spricht sich klar dagegen aus, frauenpolitische Anliegen und die spezifischen Bedürfnisse von trans* und intergeschlechtlichen Frauen gegeneinander auszuspielen. Der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland (bff) drängt darauf, die Chance des Selbstbestimmungsgesetzes zu nutzen, um Rechte von trans*, inter und nicht-binären Menschen zu stärken, statt Ängste zu schüren. Auch der Deutsche Frauenrat betont, dass der Gesetzgeber in der Verantwortung steht, Rechte und Schutz von trans*, nicht-binären und intergeschlechtlichen Menschen sicherzustellen und diskriminierende Vorurteile nicht weiter zu verstärken.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern ebenso, ein Regelwerk zu schaffen, das frei ist von Misstrauen. Große Wirtschaftsunternehmen wie IKEA, Pfizer oder Otto fordern für das künftige Gesetz ein klares Bekenntnis zur Antidiskriminierung, ohne stigmatisierende Sonderregelungen. Wohlfahrtsverbände, wie der Paritätische Gesamtverband und der AWO Bundesverband, unterstützen das Selbstbestimmungsgesetz. Sowie die größte katholische Laienorganisation, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und die Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD).

Wir fordern Sie ausdrücklich auf: Streichen Sie die oben genannten Misstrauensparagrafen aus dem SBGG-Entwurf! Setzen Sie dafür auf Vertrauen in die Selbstbestimmung und das vorliegende Expert*innenwissen! Schaffen Sie mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen echten menschenrechtlichen Meilenstein!

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Auswahl prominenter Unterzeichner*innen & Organisationen (ALLE HIER)

DEIN/EUER NAME FEHLT? SCHREIBE INNN.IT EINE MAIL!

  • Dr. Beate von Miquel, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats
  • Katharina Göpner, Geschäftsführerin Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff)
  • Prof. Dr. Anna Katharina Mangold, Deutscher Juristinnenbund & Professorin für Verfassungsrecht
  • DaMigra, Dachverband der Migrantinnenorganisationen
  • Eske Wollrad, Mitglied des Präsidiums der Ev. Frauen in Deutschland e.V.
  • Dr. Sarah Ponti, Juristin beim Lesben- und Schwulenverband
  • Lesben- und Schwulenverband (LSVD)
  • Frauenhäuser und Frauennotrufe aus Hamburg, Köln, Neumünster, Oldenburg, Hannover, Itzehoe, Schleswig-Holstein
  • Bundesverband Trans*
  • pro familia Bundesverband
  • Deutscher Frauenring e.V.
  • Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti e.V.)
  • Deutsche Aidshilfe
  • Queeres Netzwerk NRW e.V.
  • Lucie G. Veith, Intergeschlechtliche Menschen e.V., Interaktivist_in
  • Diana Gläßer, Bundesvorsitzende VelsPol Deutschland (Mitarbeitendennetzwerk für LSBT in Polizei, Justiz und Zoll)
  • Netzwerk Geschlechtliche Vielfalt Trans* NRW e.V.
  • SCHLAU NRW
  • Schwulenberatung Berlin GmbH
  • Christina Clemm, Rechtsanwältin
  • Missy Magazine
  • Pinkstinks Germany e.V.
  • Dyke* March Cologne, Frankfurt und Hannover
  • Sookee, Musikerin, Autorin
  • Kübra Gümüşay, Autorin
  • Raúl Krauthausen, Aktivist & Gründer der Sozialheld*innen
  • Dr. Emilia Roig, Autorin
  • Linus Giese, Autor und Buchhändler
  • Ninia LaGrande, Moderatorin, Autorin
  • Teresa Bücker, Publizistin
  • Gazelle Vollhase, Content Creator
  • Gialu MX, Content Creator
  • Hengameh Yaghoobifarah, Schriftsteller_in, Journalist_in
  • Sibel Schick, Autorin, Journalistin
  • Gianni Jovanovic, Aktivist
  • Tarik Tesfu, Moderator
  • Leonie Löwenherz, LGBTQIA* Aktivistin und Content Creatorin
  • Edwin Florina Greve, Bildungsreferent
  • Laura Gehlhaar, Autorin, Beraterin für DE&I
  • Franziska Schutzbach, Soziologin, Geschlechterforscherin, Autorin
  • Prof. Dr. Katja Sabisch, Professur für Gender Studies Ruhr-Universität Bochum
  • Eli Kappo, Autor, Bildungsreferent
  • Felicia Ewert, Autorin, Referentin
  • Katja Diehl, Autorin
  • Lucy Chebout, Juristin
  • Friederike Boll, Fachanwältin Arbeitsrecht in Kanzlei geRechtsanwältinnen
  • Asal Dardan, Autorin
  • Finna, Rapperin, Produzentin
  • Asha Hedayati, Anwältin, Autorin
  • Sophia Hoffmann, Köchin, Autorin, Unternehmerin
  • Dr. Natasha A. Kelly, Wissenschaftlerin, Autorin, Kuratorin
  • Prof. Dr. Ulrike Lembke, Professorin Öffentliches Recht und Geschlechterstudien Humboldt-Universität zu Berlin
  • Stefanie Lohaus, Autorin
  • Annika Brockschmidt, Journalistin, Autorin
  • uvm (LISTE MIT ALLEN)