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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Neuigkeiten

Was steht dazu in unserem Programm?

  • 5. Familie umfassend denken

    Jeder Mensch hat das Recht eine Familie zu gründen. Tausende Kinder wachsen derzeit in Deutschland in Regenbogenfamilien auf, in denen mindestens ein Elternteil sich als lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intergeschlechtlich versteht. Internationale Studien belegen, dass diese Kinder sich in jeder Hinsicht genauso gut entwickeln wie andere Kinder. Regenbogenfamilien entstehen auf vielfältige Weise: Kinder werden in gleichgeschlechtlichen Ehen geboren, sind Wunschkinder mehrerer Personen, stammen aus früheren heterosexuellen Beziehungen eines Elternteils oder finden als Adoptiv- oder Pflegekinder ein Zuhause. Eine moderne Familienpolitik muss alle unterstützen, die mit Kindern leben und für sie sorgen.

    Das Familienrecht modernisieren

    Es gibt die unterschiedlichsten Formen von Familien. Keine Familie darf wegen der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität eines ihrer Mitglieder diskriminiert werden. Deshalb muss auch das Familienrecht realitätstauglich weiterentwickelt werden.

    Der größte Teil der Regenbogenfamilien sind Zwei-Mütter-Familien. Auch nach Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gibt es hier noch gesetzlichen Regelungsbedarf: Die Ehefrau der leiblichen Mutter erlangt ihre rechtliche Elternstellung bislang nicht mit der Geburt des Kindes, sondern erst durch das langwierige und oft entwürdigende Verfahren der Stiefkindadoption. Das Abstammungsrecht muss hier analog zur bestehenden Regelung für heterosexuelle Ehepaare ausgestaltet werden: Wenn ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft geboren wird, müssen beide Mütter von Geburt an automatisch gleichberechtigte Eltern ihres Kindes sein können. 

    Bewusste Familienplanung gehört heute zum Lebensentwurf vieler LSBTI. Mit viel Kreativität und häufig auch gegen Widerstände verwirklichen sie ihren Kinderwunsch. Zunehmend werden auch Familiengründungen geplant und Familienformen gelebt, bei denen mehrere Personen faktisch Verantwortung für die Erziehung und das Wohlergehen der Kinder übernehmen. Auch diese neuen Familienformen mit Mehrelternschaft müssen im Familienrecht angemessen berücksichtigt werden. Es braucht dafür einen verlässlichen rechtlichen Rahmen, der es ermöglicht, dass den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen entsprechend bis zu vier Menschen einvernehmlich rechtliche Elternteile und/oder Sorgeberechtigte sein können. Sie sollen eine Elternschaftsvereinbarung bereits vor der Zeugung formulieren können. Gerade im Interesse des Kindeswohls muss die Bereitschaft zur Übernahme elterlicher Verantwortung in neuen Familienformen vom Recht besser anerkannt und unterstützt werden. Zu unserer vielfältigen Gesellschaft gehören auch Familien mit trans- und intergeschlechtlichen Eltern. Sie haben einen Anspruch darauf, vom Recht angemessen wahrgenommen und diskriminierungsfrei behandelt zu werden.

    Neben den Zwei-Mütter-Familien und den Mehreltern-Familien gibt es inzwischen auch zunehmend Zwei-Väter-Familien. Schwule Väter leben mit Pflegekindern und können jetzt – seit der Ehe für alle – auch gemeinschaftlich Kinder adoptieren. Auch für die Familiengründung von Zwei-Väter-Familien sind einvernehmliche familienrechtliche Lösungen zu finden, z.B. die Möglichkeit des rechtsverbindlichen Verzichts der leiblichen Mutter auf die Verwandtschaftsbeziehung zum Kind, sofern dieser keine finanziellen Hintergründe hat. Im Interesse des Kindeswohls sind zudem klare rechtliche Regelungen zur Vaterschaft für Kinder erforderlich, die aus ausländischen Leihmutterschaften mit Vätern aus Deutschland hervorgehen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weist hier in die richtige Richtung.

     

    Entscheidungen vorurteilsfrei treffen

    Mit der Ehe für alle wurde auch das gemeinschaftliche Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Eheleute ermöglicht. Eine Adoption durch beide Elternteile dient dem Kindeswohl. Natürlich hat niemand den Anspruch auf Adoption eines Kindes, aber alle haben das Recht, dass ihre Eignung vorurteilsfrei geprüft wird.

    In Deutschland wachsen mehrere zehntausend Kinder in Pflegefamilien auf. Das kann eine temporäre Lösung sein, ist aber oftmals auch von Dauer. Die „Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter“ hat schon im Mai 1996 empfohlen, bei der Suche nach Pflegefamilien auch gleichgeschlechtliche Paare zu berücksichtigen. Das geschieht heute bei vielen Jugendämtern. Es gibt aber noch immer Behörden, die gleichgeschlechtliche Pflegeeltern ablehnen oder ihnen mit Vorurteilen begegnen. Wir setzen uns daher dafür ein, dass in den gesetzlichen Regelungen zur Vollzeitpflege (§ 44 SGB VIII) ein klarstellender Satz aufgenommen wird, dass als Pflegepersonen und Pflegefamilien auch LSBTI in Betracht kommen.

    Familiengründung unterstützen

    Assistierte Reproduktion und weitere Leistungen der Fortpflanzungsmedizin müssen allen Menschen unabhängig von Familienstand, sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität offenstehen. Das muss gesetzlich klargestellt werden. Beschränkungen bei der Kostenerstattung in der Gesetzlichen Krankenversicherung und bei der Beihilfe, die lesbische Frauen bei Kinderwunschbehandlungen benachteiligen, müssen aufgehoben werden. Die Privaten Krankenversicherungen sind aufgefordert, eine entsprechende Klarstellung in ihre Tarife aufzunehmen. Der LSVD spricht sich für die altruistische Eizellenspende aus.

    Diskriminierung von Regenbogenfamilien im Alltag entgegenwirken

    Jahrzehntelang wurde der besondere Schutz von Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes ins Feld geführt, um gleichgeschlechtlichen Familien rechtliche Anerkennung zu verweigern. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht 2013 klargestellt, dass es genau andersrum ist: Gleichgeschlechtliche Familien mit Kindern stehen selbstverständlich ebenfalls unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Dieser muss für alle familiären Gemeinschaften gelten, unabhängig von der Lebensform. 

    Dennoch kommt es im Alltag immer wieder zu Fällen von Ausgrenzung und Ignoranz, wenn zum Beispiel Regenbogenfamilien der Familientarif im Schwimmbad oder im Freizeitpark verweigert oder wenn ihre Familiensituation in Kita oder Schule peinlich tabuisiert wird. Solchen Diskriminierungen muss durch viel mehr Aufklärung präventiv entgegengewirkt werden. Regenbogenfamilien sind Teil der sich ausdifferenzierenden Familienlandschaft. Sie sind nicht exotisch, sondern gehören zur gesellschaftlichen Normalität. Noch immer tragen aber die vorherrschenden Familienbilder in Gesellschaft, Medien, Familienpolitik, Bildung und Wissenschaft der Existenz von Regenbogenfamilien nicht angemessen Rechnung. Das wollen wir ändern. Kinder aus Regenbogenfamilien dürfen nicht in einen Außenseiterstatus gedrängt werden. Sie müssen ihre Familienkonstellation im Lesebuch ebenso wiederfinden können wie im Kinderkanal.

    Der LSVD hat Konzepte zur Regenbogenkompetenz entwickelt. Alle Einrichtungen der Familienberatung und -bildung sind aufgefordert, sich dafür fit zu machen, Regenbogenfamilien und solche, die es werden wollen, in ihrer Arbeit kompetent und vorurteilsfrei anzunehmen. Bund und Länder müssen dazu entsprechende Programme fördern.