respekt_heft_25_2018

6 7 respekt | bundesverband! respekt | bundesverband! Warum war eine Aktualisierung des LSVD-Programms notwendig? Das bisher gültige Programm hatte der LSVD 2010 anlässlich des zwanzigjährigen Verbandsjubiläums beschlossen. Seitdem ist unheim­ lich viel passiert. Auf der positiven Seite steht: Wir haben wichtige Forderungen durchsetzen können, allen voran natürlich die Öffnung der Ehe, aber auch den großen politischen Durchbruch bei der Rehabilitierung der Opfer antihomosexueller Strafgesetze, auch wenn dort noch nicht alles zufriedenstellend geregelt ist. Es weiteres Beispiel ist die Medienpolitik: Durch erfolgreiche Kampagnen für eine LSBTI- Vertretung in Rundfunk- und Medienräten hat sich einiges getan. Hier und an vielen anderen Punkten musste das Programm einfach auf den neuen Stand gebracht werden. Auf der negative Seite der politischen Entwicklung steht: In vielen Ländern Europas und auch in Deutschland feiern nationalistisch- völkische Kräfte Erfolge. Sie nehmen auch LSBTI in Visier, wollen erkämpfte Rechte wieder beschneiden. Hass und Hetze müssen wir entschieden entgegentreten. Daher haben wir das Profil des LSVD als Bürgerrechtsverband weiter geschärft, der sich in zivilgesell­ schaftlichen Bündnissen für Zusammenhalt und gegen jede Form von Diskriminierung, Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit engagiert. Wie wurde das neue Programm erarbeitet? Um aus dem Nähkästchen zu plaudern: Nach einer Strategie- und Schwerpunkte-Diskussion im Bundesvorstand habe ich mich hingesetzt und einen ersten Textentwurf geschrieben. Der wurde im Bundesvor­ stand diskutiert und die Kolleginnen und Kollegen haben Ergänzungs- und Modifizierungsvorschläge gemacht. Der daraus entstandene ge­ meinsame Text ging an unsere Landesvorstände zur Kommentierung. Diese haben wir dann auf einem gemeinsamen Beratungstreffen diskutiert. So haben die Länder wichtige Impulse beigesteuert, die vielfach eingearbeitet wurden. Das Produkt dieser Beratungen hat der Bundesvorstand als Antrag an den Verbandstag gestellt. Dort konnten dann die Mitglieder ihre Ideen und Änderungsanträge einbringen. Am Ende dieses intensiven Beteiligungsprozesses hat der Verbandstag mit Riesenmehrheit bei nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung für das neue Programm votiert. Was sind die wichtigsten Änderungen bzw. Forderungen? Menschenrechte, Vielfalt und Respekt wollen wir in allen Lebens­ bereichen. Weit oben steht die Forderung, das Erreichte auch durch die Ergänzung des Gleichbehandlungsartikels im Grundgesetz abzusichern. Insgesamt haben wir uns bemüht, das Programm LSBTI-inklusiv zu gestalten. Schon bislang hatten wir Forderungen zum Transsexuellen­ recht und zur rechtlichen Anerkennung intergeschlechtlicher Menschen im Programm, 2010 aber noch in kleinen Extra-Abschnitten. Jetzt haben wir Forderungen trans- und intergeschlechtlicher Menschen inklusiv in allen Themenkapiteln aufgenommen, sei es in der Bildungspolitik, sei es bei der Aufarbeitung von Unrecht in der Vergangenheit oder bei den rechtspolitischen Forderungen. Auch der Kampf bisexueller Menschen gegen Vorurteile und Nichtbeachtung wird benannt. Der LSVD hat in den letzten Jahren auch in ausführlichen Papieren detaillierte Konzepte entwickelt, zum Beispiel zur Menschenrechtsarbeit für LSBTI in der Außenpolitik und in der Entwicklungszusammenarbeit oder zur Flüchtlingspolitik. Das Programm ist ein Schaufenster des Verbandes. Diese modernen Konzepte sind nun in kondensierter Form auch im LSVD-Programm wiedergegeben. Das gilt insbesondere auch für das Papier „Regenbogenfamilien im Recht“, das der Verbandstag in 2017 nach sehr spannender Diskussion verabschiedet hatte. Und es sind Themen dazugekommen, die 2010 noch nicht so im Fokus standen, z.B. die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Privatsphäre, auf die Grundrechte und die Sicherheit von gesellschaft­ lichen Gruppen wie LSBTI, die immer noch von Diskriminierung bedroht sind. Es ist noch viel zu tun. Menschenrechte, Vielfalt und Respekt Bundesvorstand Günter Dworek über das neue Programm Das volle Programm „Schaufenster des LSVD“ 1. Die Gleichstellung im Recht weiter entwickeln Gleichstellung im Grundgesetz verankern Den rechtlichen Schutz vor Diskriminierung ausbauen Digitalisierung aktiv gestalten, Datenschutz ausbauen Selbstbestimmung für transgeschlechtliche Menschen durchsetzen Die Grundrechte intergeschlechtlicher Menschen verwirklichen Das Recht auf Asyl und Schutz gewährleisten 2. Gesellschaftliche Akzeptanz stärken – Vielfalt wertschätzen Gesellschaftliche Sichtbarkeit stärken Anerkennung von Verschiedenheit fördern 3. Respekt schaffen in Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Kultur Respekt und Vielfalt in Schule und Bildungsarbeit vermitteln Diskriminierungsfreie Forschung und Lehre fördern Vielfältige Kultur- und Medienlandschaft sichern 4. Hass und Hetze entgegentreten Wirksamen Nationalen Aktionsplan auflegen Hassgewalt bekämpfen Kein Klima der Gewalt entstehen lassen Verantwortung der Religionsgemeinschaften einfordern 5. Familie umfassend denken Das Familienrecht modernisieren Entscheidungen vorurteilsfrei treffen Familiengründung unterstützen Diskriminierung von Regenbogenfamilien im Alltag entgegenwirken 6. Vielfalt der Generationen und Lebenslagen im Blick haben Jugendliche stärken Coming-out in jeder Lebensphase unterstützen Für ein besseres Leben im Alter arbeiten Integration und Teilhabe fördern Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen durchsetzen 7. Eine aufgeklärte und solidarische Gesundheitspolitik durchsetzen Gesundheit fördern durch Abbau von Vorurteilen Trans- und intergeschlechtlichen Menschen Selbstbestimmung ermöglichen Pathologisierung aufarbeiten und überwinden „Umpolung“ ächten HIV-Prävention stärken und modernisieren Die soziale Situation von Menschen mit HIV und AIDS verbessern 8. Verantwortung für die Vergangenheit wahrnehmen Die Erinnerung an das NS-Unrecht wachhalten – Lehren für heute ziehen Unterdrückung und Verfolgung nach 1945 aufarbeiten Unrecht anerkennen und Entschädigung leisten Engagement würdigen und Verantwortung benennen 9. Gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt in Europa befördern Die Grundrechtecharta mit Leben füllen Den Europarat gegen Diskriminierung mobilisieren 10. Die Achtung der Menschenrechte weltweit voranbringen Die Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen stärken Alle Möglichkeiten deutscher Außenpolitik nutzen Zivilgesellschaftliches Engagement für die Menschenrechte verstärken I. Unsere Grundsätze Der LSVD als Bürgerrechtsverband Gemeinsam in Vielfalt Viel erreicht, viel zu tun II. Zehn Eckpunkte für Menschenrechte, Vielfalt und Respekt www.lsvd.de/programm Foto: Caro Kadatz

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