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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Stellungnahme BVT*/ LSVD zum Entwurf eines Gesetzes über die Lehrverpflichtung des hauptberuflich wissenschaftlichen Personals an Hochschulen des Bundes und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften

Der BVT* (Bundesverband Trans*) und der LSVD (Lesben- und Schwulenverband in Deutschland) danken für die Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben und begrüßen die Initiative des Bundesinnenministeriums (BMI), Personen mit dem Geschlechtseintrag ‚divers‘ oder ‚keine Angabe‘ zukünftig bei Amtsbezeichnungen berücksichtigen zu wollen. Im Entwurf wird vorgeschlagen, dass in der Anlage 1 des Bundesbesoldungsgesetzes eine Wahlmöglichkeit für Personen mit entsprechendem Eintrag eingeführt wird. Es soll Personen möglich sein, entweder die männliche oder die weibliche Amtsbezeichnung zu wählen. Alternativ sollen eine Doppelbezeichnung (Verwendung sowohl der männlichen und der weiblichen Amtsbezeichnung) sowie eine Ergänzung der Amtsbezeichnung um den Klammerzusatz „divers“ bzw. „ohne Geschlechtsangabe“ als Optionen zur Verfügung stehen.

Allein dieser Änderungsvorschlag im Bundesbesoldungsgesetzes wird in dieser Stellungnahme hinsichtlich seiner Eignung diskutiert, die Identitäten von nicht-binären Personen, also Personen, die sich als weder ausschließlich männlich noch weiblich identifizieren, anzuerkennen. Weitere Neuregelungen des Entwurfs werden nicht kommentiert.

Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Dritten Option (1 BvR 2019/16) wurde höchstrichterlich festgestellt, dass auch Identitäten jenseits von Männlich- und Weiblichkeit rechtlich anerkannt werden müssen. Es wurde betont, dass es nicht ausreichend ist, allein eine Leerstelle bei der amtlichen Erfassung des Geschlechtseintrags anzubieten. Solange bei allen Personen ein Geschlechtseintrag erfasst wird, müsse es mindestens eine weitere positive Option für die Geschlechtsangabe neben ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ geben, so das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2017.

Vor diesem Hintergrund stellt die vorgeschlagene Regelung im Bundesbesoldungsgesetz eine unzureichende Anerkennung von nicht-binären geschlechtlichen Identitäten jenseits von Männlich- und Weiblichkeit dar. Die alleinige Wahl zwischen einer männlichen und weiblichen Bezeichnung wäre unzulässig. Die Ergänzung der Wahlmöglichkeiten um eine nicht näher definierte Doppelbezeichnung bzw. die Möglichkeit, einen Klammerzusatz hinzuzufügen, beruht ebenfalls – soweit aus dem Entwurf nachvollziehbar – auf den männlichen bzw. weiblichen Formen der Amtsbezeichnungen. Eine positive Benennung von nicht-binären Identitäten erfolgt somit nicht direkt in der Amtsbezeichnung selbst. Der Verweis auf die nicht-binäre geschlechtliche Identität wird höchstens durch einen Zusatz in Klammern oder durch eine unnötige Verlängerung wie eine Doppelbezeichnung ermöglicht. Neuere Entwicklungen in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache wie z.B. die Verwendung von Sonderzeichen (u.a. Asterisk, Unterstrich, Doppelpunkt), welche auch nicht-binäre Identitäten direkt inkludieren, werden nicht aufgegriffen.

Während wir als Verbände deutlich die Wahlmöglichkeit in dem Entwurf begrüßen, die einer Person ohne Geschlechtseintrag oder mit dem Geschlechtseintrag ‚divers‘ ermöglichen, selbst zu entscheiden, inwieweit sie sich mit ihrer nicht-binären Identität im beruflichen Kontext zeigen möchte, kritisieren wir die Auswahl der Optionen als unzureichend. Mit Verweis auf ein Rundschreiben des BMI und BMJ (S. 12) und Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung erteilt der Entwurf der Nutzung von sprachlichen Weiterentwicklungen, die geeignet sind geschlechtliche Vielfalt jenseits des Zweigeschlechterordnung abzubilden, eine Absage. Unerwähnt bleibt dabei leider, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung 2021 ebenfalls feststellte, dass geschlechtergerechte Sprache „in Bezug auf soziale Gerechtigkeit und Gleichwertigkeit von Personen verschiedener Geschlechter an Bedeutung gewonnen“ habe und „Ausdruck von Anerkennung und Wertschätzung der Einzelnen im persönlichen Alltag, in Schule, Ausbildung und Beruf“ sei.[1]

Weder einem ministeriellen Rundschreiben noch Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtsschreibung kommen eine gesetzgebende Kraft zu. Die Gesetzgebung hat mehr Handlungsspielraum, was das Aufgreifen von sprachlichen Entwicklungen angeht, und ist vor allem auch in der Verantwortung, an dieser Stelle anders zu handeln, wenn es sich um die Anerkennung der geschlechtlichen Identität handelt, die nach Art. 2 Abs. 1 GG besonders geschützt ist. Das verfassungsrechtliche Anti-Diskriminierungsgebot (Art. 3 Abs. 3 GG) erfordert außerdem, dass sowohl binäre (männlich/weiblich) als auch nicht-binäre (divers/kein Eintrag) geschlechtliche Identitäten gleichermaßen anerkannt werden.

Wir empfehlen daher, den vorgelegten Entwurf an dieser Stelle anzupassen und die Wahlmöglichkeiten zu ergänzen. Personen mit diversem oder gestrichenem Eintrag sollen zusätzlich zu den vorgeschlagenen Optionen auch die Möglichkeit haben, eine Amtsbezeichnung mit einer selbstbestimmten Wortendung zu wählen. Dabei soll auch die Verwendung von Sonderzeichen (z.B. Asterisk, Doppelpunkt, Unterstrich) möglich sein. Maßgeblich für die Auswahl der Optionen soll die Erkennbarkeit der Amtsbezeichnung sein.

Für weitere Rückfragen und Austausch stehen wir als Verbände gern zur Verfügung.

Stellungnahme als PDF.

[1] Rat für deutsche Rechtschreibung (2021). Die Entwicklung und Bewertung des Themas „Geschlechtergerechte Schreibung“ in der Beobachtung des Schreibgebrauchs 2018-2020 vom Rat für deutsche Rechtschreibung gebilligt am 26.03.2021, S. 2. Abgerufen unter www.rechtschreibrat.com/DOX/rfdr_PM_2021-03-
26_Anlage1_Geschlechtergerechte_Schreibung_seit_2018.pdf