Krankheit und Tod
Einwilligung in medizinische Maßnahmen, Besuchs- und Auskunftsrecht, ärztliche Schweigepflicht, Formen der Sterbehilfe, Organspende und Leichenöffnung, Beerdigung und Grabpflege
Dieser Beitrag gibt einen allgemeinen Überblick zu den genannten rechtlichen Themen. Er ersetzt keine individuelle Rechtsberatung zu konkreten Fragen im Einzelfall.
Einwilligung in medizinische Maßnahmen
Eine Patient*in braucht nicht alles über sich ergehen zu lassen, was ihre Ärzt*in für sinnvoll oder geboten hält.
Die Ärzt*in muss im Gegenteil das Selbstbestimmungsrecht ihrer Patient*in respektieren, wenn diese es ablehnt, eine medizinische Maßnahme zu dulden. Das gilt auch dann, wenn es sich um eine lebensrettende Behandlung oder Operation handelt.
Aufklärung und Einwilligung
Das Einwilligungserfordernis ist in § 630d des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Es ist nicht nur auf körperliche Eingriffe beschränkt, sondern gilt grundsätzlich für alle therapeutischen oder diagnostischen Maßnahmen im Rahmen der Behandlung. Die §§ 630a bis 630h BGB enthalten noch weitere Regelungen zum Behandlungsvertrag zwischen Ärzt*in und Patient*in.
Die Einwilligung der Patient*in in eine medizinische Maßnahme muss wirksam sein. Das ist nur dann der Fall, wenn die Patient*in zuvor von der Ärzt*in rechtzeitig und in verständlicher Weise über das Wesen, die Bedeutung und die Folgen der medizinischen Maßnahme und die damit verbundenen Risiken umfassend aufgeklärt worden ist (§ 630e BGB).
Eine Patient*in kann zwar auch „stillschweigend“ einwilligen, indem sie diese ohne Widerspruch über sich ergehen lässt. Der Patient*in müssen dann aber genauso wie bei der ausdrücklichen Einwilligung sämtliche wesentliche Umstände bekannt sein. Das heißt, die Patient*in muss zuvor ausreichend aufgeklärt worden sein.
Eine Aufklärung darf nur in Ausnahmefällen unterbleiben. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die medizinische Maßnahme unaufschiebbar ist oder die Patient*in auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet.
Die Einwilligung muss grundsätzlich die Patient*in selbst erteilen. Hierzu muss sie einwilligungsfähig sein. Das hängt von ihrer Einsichts- und Willensfähigkeit ab. Das heißt, die Patient*in muss die Bedeutung und Schwere der anstehenden medizinischen Maßnahme begreifen und sich entsprechend entscheiden können. Ist sie nicht einwilligungsfähig (zum Beispiel, weil sie aufgrund ihrer geistigen Verfassung die Tragweite des anstehenden Eingriffs nicht abschätzen kann) kommen ausnahmsweise andere Personen für die Abgabe der Einwilligung in Betracht. Das können Sorgeberechtigte, Vorsorgebevollmächtigte oder eine Betreuer*in sein. Bei Minderjährigen unter vierzehn Jahren hat die Ärzt*in generell die Einwilligung der Sorgeberechtigten einzuholen.
Ehegatt*innen bzw. eingetragene Lebenspartner*innen sind seit dem 1. Januar 2023 (nach Maßgabe des § 1358 BGB) im Notfall gegenseitig zur Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge berechtigt. Dieses Notvertretungsrecht ist auf sechs Monate befristet. Es gilt für den Fall, dass eine Ehegatt*in bzw. Lebenspartner*in Angelegenheiten der Gesundheitssorge infolge Bewusstlosigkeit oder Krankheit vorübergehend nicht regeln kann.
Patient*innenverfügung und Patient*innenvertretung
Erwachsene Personen können für den Fall, dass sie einmal nicht mehr in der Lage sind, für sich entscheiden zu können, etwa nach einem schweren Unfall oder bei einer demenziellen Erkrankung, vorsorgen.
Mit einer Patient*innenverfügung kann eine erwachsene Person für den Fall ihrer Entscheidungsunfähigkeit im Voraus schriftlich festlegen, ob sie in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation in eine medizinische Maßnahme einwilligt oder diese untersagt (§ 1827 BGB). Die Ärzt*in hat die in einer Patient*innenverfügung niedergelegten Wünsche der betroffenen Person unabhängig vom Stadium der Erkrankung umzusetzen. Voraussetzung ist, dass ihr Wille für die aktuelle Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann. Eine Patient*innenverfügung ist nur dann konkret genug, wenn sich genau feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen (Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. November 2018 (XII ZB 107/18)). Allgemeine Anweisungen, wie „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, sind nach der Rechtsprechung für sich genommen nicht konkret genug, wenn sie sich nicht auf bestimmte Krankheiten oder Behandlungssituationen beziehen. Hilfestellung beim Verfassen einer Patient*innenverfügung bietet die Broschüre „Patientenverfügung“ des Bundesministeriums der Justiz. Dort sind neben weiterführenden Hinweisen auch Textbausteine und Muster zu finden. Auch die Beurkundung durch eine Notar*in kann ratsam sein, ist aber nicht zwingend. Die Beurkundung hat unter anderem den Vorteil, dass die vollmachtgebende Person über die rechtlichen Folgen ihrer Erklärung belehrt wird und gleichzeitig ihre Entscheidungsfähigkeit im Zeitpunkt der Vollmachterteilung geprüft wird.
Liegt keine Patient*innenverfügung vor oder passt sie nicht zur aktuellen Lebens- und Behandlungssituation bedarf es einer Patient*innenvertreter*in, die die Behandlungswünsche feststellt und auf dieser Grundlage in eine medizinische Maßnahme einwilligt oder diese untersagt (§ 1814 BGB). Die Patient*innenvertretung kann jede erwachsene Person übernehmen, die die zu behandelnde Person vor Eintritt ihrer Einwilligungsunfähigkeit (also in gesunden Tagen) mit einer Vorsorgevollmacht zur Vertretung (unter anderem) in gesundheitlichen Angelegenheiten ermächtigt hat. Vorlagen zum Verfassen einer Vorsorgevollmacht stellt das Bundesministerium der Justiz online zur Verfügung.
Gibt es keine vorsorgebevollmächtigte Person, bestellt das Betreuungsgericht eine gesetzliche Vertreter*in (rechtliche Betreuer*in). Die Auswahl der Betreuer*in obliegt grundsätzlich dem Betreuungsgericht. Hat die zu betreuende Person aber eine Betreuungsverfügung verfasst und zum Beispiel eine Angehörige vorgeschalgen, hat das Gericht diese zu berücksichtigen. Muster für Betreuungsverfügungen sind auf der Seite des Bundesministeriums für Justiz online abrufbar.
Da das Betreuungsgericht daran gebunden ist, wenn eine zu behandelnde Person in gesunden Tagen eine vorsorgebevollmächtigte Person bestimmt hat, sollte rechtzeitig über eine schriftliche Vorsorgevollmacht nachgedacht werden. Ratsam kann auch hier die Beurkundung durch eine Notar*in sein. Das ist aber nicht zwingend.
Reicht die Zeit zum Beispiel bei einer schwer verletzten und bewusstlosen Patient*in nicht aus, um eine Betreuer*in zu bestellen und gibt es auch keine vorsorgebevollmächtigte Person, darf die Ärzt*in Behandlungen und Eingriffe durchführen, die dem mutmaßlichen Willen der Patient*in entsprechen. Dabei ist die Frage zu stellen, wie die Patient*in in der konkreten Situation entscheiden würde, wenn sie dazu in der Lage wäre. Die Ärzt*in darf grundsätzlich unterstellen, dass die Patient*in bei vollständiger Aufklärung in alle Maßnahmen eingewilligt hätte, die medizinisch angezeigt und geboten sind. Angehörige, die nicht Ehegatt*in bzw. Lebenspartner*in sind, kommen in solchen Fällen als Auskunftspersonen dafür in Betracht, was am ehesten dem mutmaßlichen Willen der Patient*in entspricht.
Besuchs- und Auskunftsrecht
Die Grundsätze zur Selbstbestimmung durch Einwilligung gelten in gleicher Weise für die Frage, wer die Patient*in im Krankenhaus besuchen und wem die Ärzt*in über ihr Befinden Auskunft geben darf.
Darüber hat - abgesehen von der Hausordnung - allein die Patient*in zu befinden. Ist sie nicht mehr ansprechbar, ist ihr mutmaßlicher Wille maßgebend. Es wird deshalb in solchen Fällen vermutet, dass sie mit dem Besuch ihrer Angehörigen einverstanden ist und dass zunächst die Ehegatt*in oder Lebenspartner*in, sodann die volljährigen Kinder, die Eltern, die Geschwister oder die Verlobte ihre Vertrauenspersonen sind.
Heterosexuelle nichteheliche (ehe- oder lebenspartnerschaftsähnliche) Paare werden in der Regel wie Verlobte behandelt. Ob das inzwischen auch für queere Paare gilt, die keine Ehe oder Lebenspartner*innenschaft eingegangen sind, ist uns nicht bekannt. Zwar entspricht es in der Regel dem mutmaßlichen Willen queerer Partner*innen, dass die andere Person ihre Vertrauensperson sein soll. Aber wir wissen nicht, ob das von den Ärzt*innen und dem Pflegepersonal immer respektiert wird.
Wenn queere Partner*innen sicher gehen wollen, dass sie im Krankenhaus als Paar respektiert werden, sollten sie entweder eine Ehe eingehen oder schriftlich festlegen, dass die andere Person ihre Vertrauensperson ist, der die Ärzt*innen Auskunft geben und mit der sie gegebenenfalls Rücksprache nehmen sollen. Die Vollmacht in Gesundheitsfragen (oder Vorsorgevollmacht) umfasst die Aussage, dass die Bevollmächtigte die Vertrauensperson der Vollmachtgeber*in ist.
Ärztliche Schweigepflicht
Die ärztliche Schweigepflicht ist in den Berufsordnungen der Ärztekammern geregelt. Dort wird aber lediglich allgemein bestimmt, dass die Ärzt*in über das, was ihr in ihrer Eigenschaft als Ärzt*in anvertraut oder bekannt geworden ist, zu schweigen hat. Dagegen ist in den Berufsordnungen nicht im Einzelnen geregelt, wann und wem gegenüber die Ärzt*in zur Offenbarung befugt ist.
Geht es um Auskunft der Ärzt*innen gegenüber Angehörigen, hat darüber allein die Patient*in zu entscheiden. Ist sie nicht mehr ansprechbar, ist ihr mutmaßlicher Wille maßgebend. Es wurde deshalb in solchen Fällen bisher vermutet, dass zunächst ihre Ehegatt*in bzw. ihre Lebenspartner*in, sodann die volljährigen Kinder, die Eltern, die Geschwister und an letzter Stelle ihre nichteheliche Partner*in ihre Vertrauenspersonen sind.
Die Krankenhäuser sind aufgrund der Landeskrankenhausgesetze berechtigt, Angehörigen und Besucher*innen Auskunft über den Aufenthalt einer Patient*in im Krankenhaus zu geben, sofern dem nicht im Einzelfall schutzwürdige Interessen der Patient*in entgegenstehen oder diese einer Auskunftserteilung ausdrücklich widersprochen hat.
Formen der Sterbehilfe
Bei der Sterbehilfe handelt es sich um ein äußerst sensibles Thema, das nachfolgend ausschließlich und in groben Zügen rechtlich betrachtet wird. Im Zusammenhang mit Sterbehilfe sollten Angehörige keine voreiligen Entscheidungen treffen. Die Rechtslage in Deutschland ist noch immer unklar. Dies führt zu Unsicherheiten und rechtlichen Risiken – bis hin zu Strafverfahren gegen Sterbehilfe leistende Personen wegen eines Tötungsdelikts. Betroffene sollten daher unbedingt mit den behandelnden Ärzt*innen und gegebenenfalls spezialisierten Rechtsanwält*innen sprechen oder seriöse Beratungsangebote wahrnehmen.
Aktuelle Rechtslage in Deutschland
Es gibt verschiedene Arten von Sterbehilfe, die rechtlich unterschiedlich behandelt werden. Klare gesetzliche Regelungen zur Zulässigkeit von Sterbehilfe gibt es in Deutschland (noch) nicht. Dies bestimmt sich vor allem (noch) nach den Kriterien, die Richter*innen durch ihre Rechtsprechung aufstellen. Schon die verschiedenen Begrifflichkeiten können verwirren. Legt man ein weites Begriffsverständnis zugrunde, ist zwischen der (i) Beihilfe zur Selbsttötung (auch Suizidhilfe genannt), (ii) der aktiven Sterbehilfe, (iii) der direkten (oder passiven) Sterbehilfe und (iv) der indirekten Sterbehilfe zu unterscheiden. Umgangssprachlich wird das alles oft einfach als „Sterbehilfe“ bezeichnet.
Ausgangspunkt aktueller Debatten zur Sterbehilfe ist eine Entscheidung Deutschlands höchsten Gerichts. Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht die Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung nach § 217 des Strafgesetzbuchs (StGB) für verfassungswidrig erklärt. § 217 StGB sollte auf Wiederholung angelegte, organisierte Formen des assistierten Suizids durch Sterbehilfevereine oder einzelne Sterbehelfende unterbinden. Das Bundesverfassungsgericht kassierte die Strafnorm, weil das Recht auf selbstbestimmtes Sterben die Freiheit einschließe, sich das Leben zu nehmen und hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, auch in Anspruch zu nehmen. Seitdem debattiert der Gesetzgeber, wie das Recht auf selbstbestimmtes Sterben gesichert werden kann und unter welchen Voraussetzungen hierbei Dritte, wie zum Beispiel Ärzt*innen, helfen können. Bislang fand kein Gesetzentwurf eine Mehrheit.
Einig sind sich Jurist*innen, dass die freiwillige Selbsttötung (also der Suizid) straffrei ist.
Nimmt hingegen eine andere Person wie die Ärzt*in oder eine Angehörige auf Wunsch der suizidbereiten Person Handlungen vor, die (mit)ursächlich für den Tod sind, kann (nach wie vor) der Straftatbestand der sogenannten Tötung auf Verlangen gegeben sein. Solche Handlungen werden nach § 216 StGB mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Abgrenzung zwischen straffreier Suizidhilfe und strafbarer aktiver Sterbehilfe
Nach aktueller Rechtslage ist die sogenannte Suizidhilfe, also das Hilfeleisten bei der selbstbestimmten Selbsttötung, straffrei. Dies folgt formal aus der Überlegung, dass der Suizid keine strafbare Handlung ist und es deshalb auch nicht strafbar sein kann, wenn man beim Suizid hilft. Dennoch können sich im Zusammenhang mit der Suizidhilfe rechtliche Fragen stellen. Die Abgrenzung zwischen Straffreiheit und Strafbarkeit ist schwierig.
Zunächst stellt sich die Frage, ob eine straffreie Suizidhilfe gegeben ist oder es sich um einen Fall der aktiven Sterbehilfe, also einen zielgerichteten Eingriff in das Leben eines anderen handelt, der strafbar ist. Dies richtet sich nach der sogenannten Tatherrschaft, also danach, ob die suizidbereite Person das zum Tode führende Geschehen in den eigenen Händen hält oder es in die Hände eines anderen gibt. Gerichte sprechen hier von einer sogenannten normativen Betrachtung und stellen auf die Umstände des Einzelfalls ab.
In seiner „Insulin-Spritzen“-Entscheidung aus 2022 hat der BGH die Anforderungen an die Tatherrschaft zuletzt näher bestimmt. Zu entscheiden hatte er folgenden (vereinfacht dargestellten) Fall eines Ehepaares:
Der schwererkrankte und unter chronischen Schmerzen leidende Ehemann fasste den Entschluss sterben zu wollen, wozu er die Hilfe seiner Ehefrau benötigte. Zunächst nahm der Ehemann die ihm von seiner Ehefrau überreichten Tabletten ein und bat sie, ihm zur Sicherheit zusätzlich Insulinspritzen zu injizieren und keinen Arzt zu rufen. Seine Ehefrau kam seiner Bitte nach und blieb an seiner Seite bis zum Todeseintritt.
Das Landgericht verurteilte die Ehefrau wegen Tötung auf Verlangen. Weder die Tabletten noch das Insulin habe sich der Ehemann ohne die Hilfe seiner Ehefrau verabreichen können. Der BGH ging hingegen von einer straffreien Suizidhilfe aus und sprach die Ehefrau frei. Die Tatherrschaft habe bis zuletzt der Ehemann gehabt. Entscheidend für den BGH war, wer den lebensbeendenden Akt eigenhändig ausführt. Gibt sich der Suizident nach dem Gesamtplan in die Hand des anderen, um duldend von ihm den Tod entgegenzunehmen, dann hat der andere die Tatherrschaft und macht sich strafbar. Behält der Sterbewillige dagegen bis zuletzt die freie Entscheidung über sein Schicksal, dann tötet er sich selbst, wenn auch mit fremder Hilfe. Solange nach Vollzug des Tatbeitrags des anderen dem Sterbewilligen noch die volle Freiheit verbleibt, sich den Auswirkungen zu entziehen oder sie zu beenden, liegt nur Beihilfe zur Selbsttötung vor. Davon war der BGH im „Insulin-Spritzen“-Fall überzeugt. Er bewertete das Geschehen als einheitlichen lebensbeenden Akt, über dessen Ausführung der Ehemann bestimmte. Der Fall zeigt aber, dass Staatsanwält*innen, die für die Strafverfolgung zuständig sind, sowie Richter*innen, die über die Strafbarkeit entscheiden, unterschiedlicher Auffassung sein können.
Diskutiert wird zudem die Frage, ob das unterlassene Einschreiten, sobald die Suizident*in bewusstlos wird, strafbar ist. Der BGH hatte früher angenommen, dass die Tatherrschaft in dem Augenblick auf den anderen übergeht, in dem die Suizident*in bewusstlos wird. Das galt nach der früheren Rechtsprechung als Unglücksfall, bei dem jede Person helfen muss. Hinzukommende Dritte, die keine Rettungsmaßnahmen einleiteten, konnten wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB bestraft werden. Wenn die Partner*in oder die behandelnde Ärzt*in Rettungsmaßnahmen unterließen, konnten sie – je nachdem, ob die Suizidient*in eigenverantwortlich gehandelt hatte oder nicht – wegen Tötung auf Verlangen oder wegen Totschlags nach § 212 StGB bestraft werden, jeweils begangen durch Unterlassen, da sie aufgrund ihres persönlichen bzw. ärztlichen Verhältnisses mit dem Lebensmüden die Pflicht hatten, einzuschreiten. Im Lichte der jüngeren Rechtsprechung spricht vieles dafür, bereits bei der Feststellung eines Unglücksfalls den Willen der Suizident*in zu berücksichtigen, aus dessen Sicht nicht von einem Unglücksfalls die Rede sein kann (siehe unsere Rechtsprechungsliste ab 2005 sowie einen Beitrag in Polizei Aktuell, 27. März 2024). Im Insulin-Spritzen-Fall führte der BGH in diesem Zusammenhang aus, dass für das konkrete Geschehen keine Pflicht der Ehefrau zur Abwendung des Todes folgte. Denn der ohne Wissens- und Verantwortungsdefizit frei gefasste und erklärte Sterbewille ihres Ehemannes, der sich darin manifestiert habe, dass er ihr verbot, ärztliche Hilfe zu holen, habe zur situationsbezogenen Suspendierung ihrer Einstandspflicht für sein Leben geführt.
Manche gehen deshalb davon aus, dass auch die Beihilfe zur Selbsttötung zum Beispiel durch die Besorgung von Tabletten auch dann nicht mehr bestraft wird, wenn die helfende Person bis zum Tod der Suizident*in anwesend bleibt und nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit keine Rettungsmaßnahmen einleitet; vorausgesetzt natürlich, dass der Suizident geistig gesund ist und frei verantwortlich handelt. In einem Fall in Berlin, in dem ein Arzt seiner an schweren Depressionen leidenden Patientin eine tödliche Infusion legte, die diese selbst in Gang setzte, lehnte das Landgericht die Freiverantwortlichkeit ab. Aufgrund ihrer Krankheit sei ihr eine objektive Abwägung nicht mehr möglich gewesen. Folglich sei der Sterbeentschluss gerade nicht „von einer gewissen Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit getragen“, was die Rechtsprechung aber für das freiverantwortliche Handeln voraussetze. Das Landgericht verurteilte den Arzt wegen Totschlag zu drei Jahren Freiheitsstrafe (Landgericht Berlin I, Urteil vom 8.April 2024, Az: 540 Ks 2/23).
Demnach kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Staatsanwaltschaften und Gerichte können zu unterschiedlichen Bewertungen kommen – mit weitreichenden Folgen für die betroffene Person. Was straffrei und was strafbar ist, lässt sich aufgrund der unklaren Rechtslage in Deutschland nicht einfach bestimmen. Es muss häufig erst von Jurist*innen im Einzelfall geprüft werden. In der Praxis ist außenstehenden Dritten wie Ersthelfer*innen, Sanitäter*innen oder Notärzt*innen wegen der unklaren Faktenlage in der Regel ein Einschreiten zu raten. Privatpersonen sollten von vornherein Abstand von Sterbehilfehandlungen nehmen und stattdessen seröse Beratungsangebote wahrnehmen.
Straffreie Formen der Sterbehilfe durch Ärzt*innen
In der Rechtsprechung ist bisher anerkannt, dass die sogenannte indirekte Sterbehilfe sowie die sogenannte direkte (oder „passive“) Sterbehilfe durch behandelnde Ärzt*innen in eng umgrenzten zulässig und damit straffrei sein können, wenn sie (nachweisbar) dem Willen der lebensmüden Patient*in entsprechen.
Ein Fall der indirekten Sterbehilfe liegt vor, wenn sicher oder nicht auszuschließen ist, dass eine indizierte, von der Patient*in (oder der vorsorgebevollmächtigten Person oder Betreuer*in) gewünschte, schmerzlindernde oder bewusstseinsdämpfende Medikation bei einer tödlich kranken oder sterbenden Person unbeabsichtigt, aber unvermeidbar (also indirekt) den Todeseintritt beschleunigt. Entscheidend ist der erklärte oder mutmaßliche Wille der Patient*in.
Von direkter oder „passiver“ Sterbehilfe wird gesprochen, wenn die Ärzt*in lebensverlängernde medizinische Maßnahmen im Rahmen einer tödlich verlaufenden Erkrankung abbricht (also Apparate abstellt) oder von vornherein unterlässt (sich die Ärzt*in also „passiv“ verhält), weil es dem erklärten oder mutmaßlichen Willen der Patient*in entspricht, dem Sterben einen natürlichen und der Menschenwürde entsprechenden Verlauf zu lassen.
Lehnt die hoffnungslos kranke Patient*in lebenserhaltende oder lebensverlängernde Maßnahmen ab, muss die Ärzt*in das respektieren. Kann die Patient*in sich nicht mehr selbst erklären oder nicht mehr frei verantwortlich handeln, müssen solche Maßnahmen unterbleiben, wenn dies dem zuvor (etwa in Form einer Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung) geäußerten Willen entspricht. Dieser ist in diesem Punkt für die Ärzt*innen bindend. Andernfalls läge eine verbotene Zwangsbehandlung vor.
Ist für eine Patient*in eine Betreuer*in bestellt, hat diese dem Patient*innenwillen gegenüber den Ärzt*innen und dem Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Kommt es dabei zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Betreuer*in und den Ärzt*innen über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen, muss eine Richter*in entscheiden.
Wenn ein ausdrücklich erklärter Wille der Patient*in nicht festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem mutmaßlichen Willen der Patient*in, der dann individuell - also aus deren Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu ermitteln ist.
Gibt es eine Ehe- bzw. Lebenspartner*in kann und darf sie die Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen im Wege des Notvertretungsrechts treffen (zum Umfang des Notvertretungsrechts siehe zum Beispiel „Hinweise zur Ehegattennotvertretung“ der Justiz Bayern). Die übrigen Angehörigen kommen in solchen Fällen als Auskunftspersonen dafür in Betracht, was am Ehesten dem mutmaßlichen Willen der Patient*in entspricht.
Organspende und Leichenöffnung
Organspende
Eine Organspende kommt in Betracht, wenn der Hirntod einer Patient*in festgestellt ist (weitere Informationen zur Hirntoddiagnostik finden Sie hier) und die Patient*in der Organ- oder Gewerbespende zuvor zugestimmt hat (§ 3 Transplantationsgesetz (TPG)). Die zwischenzeitlich von Politiker*innen diskutierte sogenannte Widerspruchslösung, wonach Bürger*innen, die keine Organspende wüschen, zu Lebzeiten hätten aktiv widersprechen müssen, ist nicht Gesetz geworden. Es gilt daher weiterhin die sogenannte Entscheidungslösung. Die Organspende bleibt eine aktive Entscheidung.
Eine Person kann einer Organspende zustimmen, indem sie einen Organspendeausweis ausfüllt (kostenfrei möglich hier) oder ihre Entscheidung in ihre Patient*innenverfügung (siehe oben) aufnimmt. Seit März 2024 können sich alle Personen ab 16 Jahren zudem kostenlos im Organspende-Register eintragen und einer Organ- und Gewebespende so digital zustimmen.
Liegt keine Zustimmung zur Organspende vor, werden die nächsten Angehörigen gefragt. Sie treffen dann eine Entscheidung im Sinne der verstorbenen Person (§ 4 TPG). In jedem Fall hat sie die Ärzt*in über die beabsichtigte Organ- oder Gewebeentnahme zu unterrichten. Wer „nächster Angehörige“ ist, und wie sich deren Rangfolge bestimmt, regelt § 1a Nr. 5 TPG. Die Ehegatt*in oder eingetragene Lebenspartner*in stehen dabei an erster Stelle. Eine volljährige Person, die der möglichen Organspender*in bis zu ihrem Tod in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahegestanden hat, wird wie eine nächste Angehörige behandelt (§ 4 Abs. 2 S. 5 TPG). Hatte die mögliche Organ- oder Gewebespender*in die Entscheidung über eine Organ- oder Gewebeentnahme einer bestimmten Person übertragen, tritt diese an die Stelle der nächsten Angehörigen (§ 4 Abs. 3 TPG).
Grundsätzlich kann auch eine lebende Person Organe spenden, vorausgesetzt sie ist volljährig und einwilligungsfähig, von der Ärzt*in ausreichend aufgeklärt worden und als Spender*in geeignet (§ 8 TPG). Organe, die sich nicht wieder bilden können (wie die Niere oder die Leber), dürfen an Verwandte ersten Grades (Eltern und Kinder) und zweiten Grades (Geschwister und Großeltern), an Ehegatt*innen und Lebenspartner*innen, Verlobte und andere Personen, die der Spender*in in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen, gespendet werden.
Aktuelle Fragen und Antworten rund um das Thema „Organspende“ können auf der Internetseite der Bundesregierung nachgelesen werden.
Leichenöffnung
Die Leichenöffnung zum Zwecke der „inneren Leichenschau“ (auch Obduktion oder Sektion genannt) ist grundsätzlich nur zulässig, wenn entweder die verstorbene Person zugestimmt hat oder die totensorgeberechtigten (siehe dazu den nächsten Abschnitt) Angehörigen zustimmen (siehe zum Beispiel § 10 des Bestattungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen). Es kann aber auch eine gerichtliche Sektion angeordnet werden, wenn Anhaltspunkte für eine Straftat als Todesursache vorliegen.
Einige Krankenhäuser pflegen Aufnahmeformulare zu verwenden, die unter anderem die Klausel enthalten, dass die innere Leichenschau vorgenommen werden kann, wenn sie zur Feststellung der Todesursache aus ärztlicher Sicht notwendig ist oder wenn ein wissenschaftliches Interesse besteht. Diese Klausel berechtigt die Krankenhäuser zur Vornahme von Sektionen, es sei denn, dass die verstorbene Person ihr ausdrücklich widersprochen hat oder dass ihr ihre totensorgeberechtigten Angehörigen widersprechen. Wer also nach dem Tod nicht seziert werden will, sollte der Sektionsklausel beim Unterschreiben des Aufnahmeformulars durch den Zusatz „Mit einer Sektion bin ich nicht einverstanden“ vor der Unterschrift widersprechen. Man kann auch in der Vorsorgevollmacht oder der Patient*innenverfügung eine entsprechende Klausel aufnehmen.
Beerdigung und Grabpflege
Die Wahl der Bestattungsart und die Gestaltung und Pflege der Grabstätte richtet sich nach dem Willen der verstorbenen Person.
Liegt von ihr keine Willensbekundung vor, haben die Angehörigen zu bestimmen, wie die Bestattung zu erfolgen hat und das Grab gestaltet und gepflegt werden soll.
Wer in diesem Sinn „totensorgeberechtigt“ ist, ergibt sich aus den Landesgesetzen über das Friedhofs- und Bestattungswesen (siehe hier). Nach diesen Bestimmungen sind zunächst die Ehegatt*in oder Lebenspartner*in, dann die (volljährigen) Kinder (oder deren Ehegatt*innen oder Lebenspartner*innen), die Eltern, die Großeltern und die Geschwister totensorgeberechtigt (und zur Bestattung verpflichtet).
Da nichteheliche (ehe- und lebenspartnerschaftsähnliche) Paare nicht totensorgeberechtigt sind, wenn noch Verwandte leben, muss ihnen diese Befugnis schriftlich übertragen werden, um zu verhindern, dass die Verwandten die Partner*innen nicht respektieren, die Gestaltung der Beerdigung übernehmen und die Partner*innen womöglich von ihr aussperren. Am besten ist es, dies in der Vorsorgevollmacht oder Patient*innenverfügung mit zu regeln.
Wer keine Partner*in hat aber Anordnungen für seine Beerdigung sowie die Gestaltung und die Pflege seines Grabes treffen will, sollte diese Bestimmungen nicht in das Testament, sondern in ein gesondertes Schriftstück aufnehmen, weil der Inhalt des Testaments oft erst nach der Beerdigung bekannt wird, nachdem es vom Nachlassgericht eröffnet worden ist. Die Angehörigen müssen solche Anordnungen respektieren. Um sicherzustellen, dass sie das wirklich tun, empfiehlt es sich, die Beerdigung schon vorher mit einem Bestattungsinstitut zu regeln und im Voraus zu bezahlen. Gleichzeitig sollte man dort das Schriftstück mit den Anordnungen über die Beerdigung hinterlegen und entweder seinen Verwandten mitteilen, dass man die Beerdigung einem Bestattungsinstitut übertragen hat, oder einen entsprechenden Hinweis zu seinen Unterlagen nehmen.
Die Kosten für die Beerdigung haben die Erb*innen der verstorbenen Person zu tragen (§ 1968 BGB). Sie können von dieser Pflicht befreit werden, wenn sie die Kosten nicht aufbringen können und der Nachlass nicht ausreicht.