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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Ratgeber: Beleidigung, Volksverhetzung, verhetzende Beleidigung

Was kann ich tun, wenn ich Opfer einer LSBTI-feindlichen Straftat geworden bin? Ein Überblick über verschiedene Straftatbestände und das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. (Stand: 2023)

Was ist der Unterschied zwischen Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung, verhetzender Beleidigung und Volksverhetzung? Wie kann ich mich strafrechtlich dagegen wehren? Ein Ratgeber zum Umgang mit homophober, biphober, transfeindlicher und interfeindlicher Hasskriminalität.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) werden immer wieder Opfer von homophob, biphob, transfeindlich oder interfeindlich motivierten Straftaten. 2020 registrierte die Statistik des Bundesinnenministeriums 782 LSBTI-feindliche Straftaten. Und das ist nur die Spitze eines Eisbergs: Expert*innen gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch weitaus höher liegt. Nur etwa 10 bis 20 Prozent der Straftaten werden angezeigt. Bei den meisten der angezeigten Straftaten handelt es sich um Beleidigungen und Volksverhetzungen. Zum Gesamtphänomen LSBTI-feindlicher Hassgewalt gehören aber immer wieder auch Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. 2020 gab es zudem drei homophob motivierte Morde in Deutschland.

Dieser Ratgeber möchte eine Hilfestellung für Personen sein, die Opfer homophober, biphober, transfeindlicher oder interfeindlicher Beleidigungen geworden sind oder die sich gegen volksverhetzende Inhalte wehren möchten. Behandelt werden die verschiedenen Beleidigungsdelikte, die neben der Beleidigung (§ 185 StGB) auch die üble Nachrede (§ 186 StGB), die Verleumdung (§ 187 StGB) und den neuen Straftatbestand der verhetzenden Beleidigung (§ 192a StGB) umfassen, sowie das Delikt der Volksverhetzung (§ 130 StGB). Der Ratgeber gibt auch Hinweise zum Ablauf des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und den Aufgaben der LSBTI-Ansprechpersonen bei Polizeien und Staatsanwaltschaften und nennt Gründe, die für oder gegen eine Strafanzeige sprechen können.

Da kaum Urteile zu LSBTI-feindlichen Straftaten veröffentlicht werden, können nur wenige konkrete Beispiele für strafbare beleidigende oder volksverhetzende Äußerungen oder Handlungen gegeben werden. Der Ratgeber kann daher nur erste Anhaltspunkte liefern, wann eine Strafanzeige bzw. ein Strafantrag erfolgversprechend ist. Wir raten grundsätzlich immer dazu, sich Unterstützung bei einer Opferberatungsstelle zu suchen und, wo möglich, sich direkt an die lokalen LSBTI-Ansprechpersonen der Polizei oder Staatsanwaltschaft zu wenden. Es gibt eine ganze Reihe sehr guter kostenloser Beratungsangebote, die sich zum Teil auch direkt an die queere Community richten.

Achtung: Beleidigungsdelikte können in der Regel nur strafrechtlich verfolgt werden, wenn binnen drei Monaten ein Strafantrag bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft gestellt wird. Weitere Informationen zum Strafantrag gibt es im Ratgeber unter Punkt 5.

Inhaltsverzeichnis

  1. Überblick über die verschiedenen Delikte
  2. Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung
  3. Volksverhetzung
  4. Verhetzende Beleidigung
  5. Wie wehre ich mich strafrechtlich gegen LSBTI-feindliche Hasskriminalität?
  6. Beispiele aus der Rechtsprechung
  7. Weiterlesen

 

1. Überblick über die verschiedenen Delikte

Zu den Beleidigungsdelikten gehören nach dem Strafgesetzbuch (StGB) verschiedene Straftatbestände:

Die Beleidigungsdelikte stellen die Äußerung beleidigender Werturteile oder die Behauptung ehrverletzender Tatsachen über eine Person unter Strafe. Geschütztes Rechtsgut ist die Ehre der beleidigten Person. Strafbar sind zum Beispiel Beschimpfungen („schwule Sau“, „Arschloch“, „Idiot“) oder das Behaupten unwahrer Tatsachen, die die Person verächtlich machen können („Sabine kokst schon wieder.“). Eine Beleidigung kann auch durch eine Handlung begangen werden, als sogenannte tätliche Beleidigung (Mittelfinger, Anspucken).

Volksverhetzung (§ 130 StGB) liegt vor, wenn öffentlich gegen bestimmte Bevölkerungsteile gehetzt wird, diese böswillig beschimpft oder verächtlich gemacht werden („Widerliche Untermenschen diese Bisexuellen“) oder zu Hass und Gewalt gegen diese Gruppen aufgestachelt wird („Homosexuelles Dreckspack, einfach abschlachten“). Auch das öffentliche Billigen, Verharmlosen und Leugnen des Holocausts ist Volksverhetzung. Geschütztes Rechtsgut ist der öffentliche Frieden.

Der neue Straftatbestand der verhetzenden Beleidigung (§ 192a StGB) ist ein Hybrid aus Beleidigung und Volksverhetzung, der eine bisher bestehende Strafbarkeitslücke schließt. Er stellt das Übermitteln (Zusenden, Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen) volksverhetzender Inhalte an eine Person, die der betroffenen Gruppe oder Minderheit angehört, unter Strafe. Strafbar ist beispielsweise, eine E-Mail an einen Lesbenverband zu schicken, in dem Homosexuelle verächtlich gemacht werden.

Nachfolgend werden die einzelnen Straftatbestände genauer erläutert. Anschließend folgen Hinweise zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren.

2. Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung

2.1 Beleidigung (§ 185 StGB)

Die Beleidigung ist in § 185 StGB geregelt. Dort heißt es:

§ 185 StGB Beleidigung

„Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Unter einer Beleidigung verstehen die Gerichte die Kundgabe der Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung eines anderen.

2.1.1 Was bedeutet Kundgabe von Missachtung?

§ 185 StGB soll vor Angriffen auf die Ehre schützen. Eine Kundgabe der Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung liegt vor, wenn jemand einer Person zu Unrecht Mängel nachsagt, die im Falle ihres Vorliegens den Geltungswert der Person minderten (BGH, 15.03.1989 - 2 StR 662/88, Rn. 15). Es handelt sich also um eine herabsetzende Bewertung des Opfers.

Ob in einer Äußerung Missachtung zum Ausdruck kommt, hängt von den Begleitumständen ab. So kann etwa die Begrüßung "Na, Du kleine Schwuchtel" im Szenenlokal harmlos sein, dagegen am Arbeitsplatz eine schwere Beleidigung darstellen.

Noch keine Beleidigung ist die bloße Ablehnung eines anderen – entscheidend ist, ob mit der Ablehnung zugleich die Minderwertigkeit der betroffenen Person zum Ausdruck gebracht werden soll. Keine Beleidigung sind daher Aussagen wie "Ich mag keine Homosexuellen" oder "Ich möchte mit Transsexuellen nichts zu tun haben."

Die Kundgabe kann durch Wort, Schrift, Bild, Gesten („Mittelfinger“, Tippen an die Stirn) oder Tätlichkeiten (Ohrfeige, Schubsen) erfolgen. Als "Schrift" gelten auch Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen (§ 11 Abs. 3 StGB).

Eine Kundgabe richtet sich immer an eine andere Person. Das kann die beleidigte Person sein oder auch eine dritte Person. Gespräche in der engeren Familie oder im engen Freundeskreis gelten nicht als "Kundgabe", wenn die äußernde Person nach den Umständen davon ausgehen durfte, dass ihre Bemerkungen nicht weitergegeben werden. Äußerungen in einem Selbstgespräch oder einem Tagebuch zählen ebenfalls nicht als Kundgabe.

2.1.2 Ist es auch strafbar, wenn ich als Teil einer Gruppe beleidigt werde ("alle Lesben")?

Die Frage, ob und inwieweit einzelne Personen unter einer Kollektivbezeichnung (z.B.: "Scheißbullen") beleidigt werden können, ist von der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet worden. Bezieht sich die Äußerung erkennbar auf bestimmte Personen (z.B. die an einem bestimmten Einsatz beteiligten Polizeibeamt*innen), ist jede*r von ihnen beleidigt. Durch die Behauptung, ein bayerischer Minister sei Kunde eines Drogenkartells, werden alle amtierenden bayerischen Minister*innen in ihrer Ehre gekränkt.

Andernfalls kommt es darauf an, ob das Unwerturteil mit einem Kriterium verbunden wird, das eindeutig allen Personen zuzuordnen ist, die zu dem Kollektiv gehören. Deshalb ist der Tatbestand der Beleidigung nach der Rechtsprechung bei beleidigenden Äußerungen über „Homosexuelle“, „Schwule“ oder „Lesben“ nur erfüllt, wenn sich jemand über bestimmte Lesben und Schwule herabwürdigend äußert. Das setzt voraus, dass hinsichtlich der Personenmehrheit kein Zweifel darüber besteht, welche einzelnen Personen von der kränkenden Äußerung betroffen sind. Es ist daher erforderlich, dass die Personenmehrheit durch äußere Kennzeichen abgrenzbar ist.

Allgemeine beleidigende Äußerungen über „Homosexuelle“, „Schwule“ oder „Lesben“ stellen nach der Rechtsprechung deshalb keine strafbare Beleidigung dar. Bei der sexuellen Identität handle es sich um einen inneren Tatbestand. Daher lasse sich nicht klar abgrenzen, wer von den Beleidigungen betroffen sei und wer nicht, so die Rechtsprechung.

2.2 Üble Nachrede (§ 186 StGB)

Die üble Nachrede ist in § 186 StGB geregelt. Dort heißt es:

§ 186 StGB Üble Nachrede

"Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Die üble Nachrede ist das typische "Treppenhausdelikt" ("Haben Sie schon gehört, die Frau X soll ja AIDS haben." oder "Der M. soll ein richtiges Flittchen sein, der steigt wohl mit jedem Stricher ins Bett." oder "S. soll ja regelmäßig ihre Frau schlagen".)

Eine üble Nachrede ist die Behauptung oder Verbreitung ehrenrühriger Tatsachen. Tatsachen sind etwas Geschehenes oder Bestehendes, das grundsätzlich dem Beweis zugänglich ist. Hierunter können auch innere Tatsachen fallen wie Beweggründe, Zwecke, Charaktereigenschaften usw. (z.B. angebliche Selbstlosigkeit, Erbschleicherei usw.). Im Falle der üblen Nachrede geht es um die Verbreitung oder Behauptung von Tatsachen, bei denen nicht geklärt werden kann, ob sie zutreffen oder nicht. Sofern die Tatsachen nachweislich falsch sind und der oder die Täterin dies wusste, handelt es sich dagegen um Verleumdung (§ 187 StGB, siehe unten).

Die Tatsachen müssen geeignet sein, fremde Missachtung zu begründen, indem sie das Opfer verächtlich machen oder in der öffentlichen Meinung herabwürdigen.

Unter den Tatbestand der üblen Nachrede fällt also:

  • die Behauptung oder Verbreitung von herabwürdigenden Tatsachen gegenüber Dritten, wenn die Tatsachen nicht erweislich wahr sind, wenn also nicht geklärt werden kann, ob sie zutreffen oder nicht.

2.3 Verleumdung (§ 187 StGB)

Die Verleumdung ist in § 187 StGB geregelt. Dort heißt es:

§ 187 StGB Verleumdung

"Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Eine Verleumdung ist das Behaupten oder Verbreiten von unwahren Tatsachen über das Opfer wider besseren Wissens gegenüber Dritten. Es gelten im Wesentlichen die Ausführungen zur üblen Nachrede (siehe oben) mit dem Unterschied, dass die Tatsache falsch sein und der äußernden Person dies bewusst sein muss. Die Aussagen "Frau X hat AIDS" oder "M. steigt mit jedem ins Bett" oder "S schlägt ihre Frau" sind Verleumdungen, wenn die äußernde Person weiß, dass dies nicht stimmt.

Unter den Tatbestand der Verleumdung fällt also:

  • die Behauptung herabwürdigender oder kreditschädigender falscher Tatsachen gegenüber Dritten, wenn dies wider besseres Wissen geschieht.

Kreditschädigend ist die Äußerung einer unwahren Tatsache dann, wenn sie die Zahlungsfähigkeit oder Zahlungswilligkeit des Opfers zweifelhaft erscheinen lässt.

Politiker*innen können für beleidigende Äußerungen in den Parlamenten und ihren Ausschüssen übrigens nur bestraft werden, wenn es sich um Verleumdungen handelt (vgl. Art. 46 Abs. 1 GG). Andere Formen der Beleidigung durch Politiker*innen, die im Parlament oder in den Ausschüssen getätigt werden, sind nicht strafrechtlich verfolgbar (sog. Indemnität).

2.4 Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung? 

Eine herabwürdigende Äußerung kann eine Beleidigung (§ 185 StGB), eine üble Nachrede (§ 186 StGB) oder eine Verleumdung (§ 187 StGB) sein. Für die Einordnung ist es wichtig, zwischen Werturteilen ("Ich traue ihm auch einen Diebstahl zu.") und Tatsachenbehauptungen ("Er hat mich bestohlen.") zu unterscheiden und danach, ob diese richtig oder falsch sind und wem gegenüber sie geäußert wurden.

Unter den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB fallen:

  • die Äußerung eines herabwürdigenden Werturteils gegenüber der betroffenen Person oder einer dritten Person;
  • die Äußerung einer herabwürdigenden falschen Tatsache gegenüber der betroffenen Person; jedoch: wird sie gegenüber einer dritten Person geäußert, stellt es eine Verleumdung dar (siehe dazu unten); kann nicht geklärt werden, ob die gegenüber einer dritten Person geäußerte herabwürdigende Tatsache wahr oder falsch ist, ist es üble Nachrede (siehe dazu unten).
  • Aber: die Äußerung einer herabwürdigenden richtigen Tatsache gegenüber dem Betroffenen oder einem Dritten (z.B.: "Warmer Bruder" im Hinblick auf einen Schwulen) ist nur dann eine Beleidigung, "wenn das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht" (in Verbindung mit

Werturteile drücken bloße Meinungen aus, die nicht durch Tatsachen belegt werden können. Eine Tatsache ist dagegen etwas Geschehenes oder Bestehendes, das dem Beweis zugänglich ist. Hierunter können auch innere Tatsachen fallen wie Beweggründe, Zwecke, Charaktereigenschaften usw. (z.B. angebliche Selbstlosigkeit, Erbschleicherei usw.).

Die Grenze zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung ist oft fließend. Liegt der Schwerpunkt der Äußerungen nicht bei konkreten Vorkommnissen, sondern bei nicht beweisbaren Einschätzungen, handelt es sich um ein Werturteil ("Der verkauft seine Großmutter, wenn es ihm nützt."). Liegt dagegen der Schwerpunkt auf der Behauptung von beweisbaren Fakten ("Er hat mich bestohlen.") oder auf einer Bezeichnung, die mit bestimmten beweisbaren Vorkommnissen in Beziehung steht ("Er ist ein Dieb."), liegt eine Tatsachenbehauptung vor.

Bei der Äußerung einer nachweisbar richtigen Tatsache liegt eine strafbare Beleidigung nur vor, wenn es sich um eine sogenannte Formalbeleidigung handelt. Formalbeleidigungen sind Ehrverletzungen, die sich gerade aus der Form oder den äußeren Umständen ergeben. Dazu zählen zum Beispiel Beschimpfungen ("Hurensohn", "Schwuchtel") oder Fäkalsprache. Auch Schmähkritik zählt dazu, wenn also bei der Tatsachenäußerung die Diffamierung der betroffenen Person im Vordergrund steht.

Hinweis: Die richtige juristische Einordnung der Tat ist nicht immer einfach. Sie erfolgt durch die Strafverfolgungsbehörden bzw. Gerichte. Das Opfer braucht nur den Tathergang zu schildern. 

2.5 Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung (§ 188 StGB)

Für Beleidigungen gegenüber Personen des politischen Lebens gibt es einen eigenen Straftatbestand. In § 188 StGB heißt es:

§ 188 StGB Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung

"(1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene.

(2) Unter den gleichen Voraussetzungen wird eine üble Nachrede (§ 186) mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren und eine Verleumdung (§ 187) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."

Das angedrohte Strafmaß für eine Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung erhöht sich, wenn sie sich gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person richtet und geeignet ist, ihr öffentliches Wirken erheblich zu erschweren. Die erhöhte Strafe soll der Vergiftung im politischen Leben entgegenwirken und die Bereitschaft von Politiker*innen zum Engagement sicherstellen.

Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom März 2021 verschärft. Zuvor galt die höhere Strafe nur für Verleumdungen und üble Nachreden, nun sind auch Beleidigungen erfasst. Zudem wurde im Gesetzestext ausdrücklich klargestellt, dass auch Kommunalpolitiker*innen zum geschützten Personenkreis gehören.

Auch sonstige Personen können wegen der politischen Auswirkungen ihrer Entscheidungen in den Schutzbereich der Vorschrift fallen, beispielsweise Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts (BGH, Urt. v. 22.9.1953 - 5 StR 213/53) oder hochrangige Vertreter*innen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (BeckOK StGB/Valerius StGB § 188 Rn. 6). Ob auch gewählte Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen unter den Schutzbereich der Vorschrift fallen, ist richterlich noch nicht geklärt.

2.6 Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB)

Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ist in § 189 StGB geregelt. Dort heißt es:

§ 189 StGB Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener

"Wer das Andenken eines Verstorbenen verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Eine Verunglimpfung ist eine besonders schwere Form der Beleidigung, üblen Nachrede oder Verleumdung durch schriftliche oder mündliche Äußerung oder Tätlichkeiten am Leichnam. Sie setzt eine besonders schwere Kränkung voraus. Da es um die Verunglimpfung des Andenkens geht, ist erforderlich, dass die Ehrenkränkung von einer dritten Person wahrgenommen wird.

3. Volksverhetzung (§ 130 StGB)

Der Straftatbestand der Volksverhetzung ist in § 130 StGB geregelt. Die Vorschrift unterscheidet zwischen verschiedenen Begehungsalternativen. LSBTI-feindliche Äußerungen treten in der Regel auf als in Absatz 1 geregelten volksverletzende Handlungen oder als die in den Absätzen 2 und 3 geregelte Verbreitung von Medien mit volksverhetzendem Inhalt.

3.1 Volksverhetzende Handlungen (§ 130 Abs. 1 StGB): Aufforderung zu Hass und Gewalt oder Verächtlichmachen von Bevölkerungsgruppen

In § 130 Abs. 1 StGB ist geregelt:

§ 130 StGB Volksverhetzung

"(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder

2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."

Die Handlung muss entweder zum Hass aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass das Ziel der Volksverhetzung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet wird.

Ein "Angriff gegen die Menschenwürde" setzt voraus, dass die feindselige Handlung den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit trifft, indem er unter Missachtung des Gleichheitssatzes als minderwertig dargestellt und ihm das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten wird. Derart besonders qualifizierte Beeinträchtigungen müssen durch ein gesteigertes Maß an Gehässigkeit und Rohheit gekennzeichnet sein. Die Angehörigen des betreffenden Bevölkerungsteils oder der betreffenden Gruppe müssen in ihren grundlegenden Lebensrechten als gleichwertige Persönlichkeiten in der Gemeinschaft verletzt und der unverzichtbare Bereich ihres Persönlichkeitskerns sozial abgewertet werden. 

Diese Voraussetzungen sind durch Äußerungen wie: „Die Schwulen hat man leider vergessen zu vergasen“ erfüllt, denn sie knüpfen an die Verbrechen der Nationalsozialisten an, Menschen als lebensunwert auszugrenzen und umzubringen.

Dagegen erfüllen die abwertenden Äußerungen religiöser Fundamentalist*innen den Tatbestand in der Regel nicht. Sie handeln ja nicht aus Gehässigkeit, sondern weil sie meinen, dazu vor Gott verpflichtet zu sein. Auch wenn solche Äußerungen bei Streitigkeiten fallen, sind sie meist nicht geeignet, das Vertrauen der Angegriffenen in die öffentliche Rechtssicherheit zu erschüttern. 

Die Handlung muss zudem geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Das ist der Fall, wenn sie ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt ist. Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Außenwirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern. Die Äußerungen müssen über die Überzeugungsbildung hinaus mittelbar auf Realwirkungen angelegt und geeignet sein, etwa in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen oder durch Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutgefährdende Folgen unmittelbar auszulösen.

Diese Voraussetzung ist bei Drohungen rechtsradikaler Gruppen gegen LSBTI in der Regel gegeben, bei den abwertenden Äußerungen religiöser Fundamentalist*innen über Homosexualität jedoch in der Regel nicht. Religiöse Hardliner verurteilen zwar Homosexuelle, aber sie sind gegen solche Homosexuelle in der Regel nicht gewalttätig und fordern auch nicht zu Gewalttätigkeiten auf. Allerdings gab es in letzter Zeit einige Fälle, in denen die Gerichte Äußerungen von Pastoren bzw. Priestern für strafbar befunden haben (siehe dazu die Beispiele aus der Rechtsprechung).

Das Ziel der Handlung muss entweder eine „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe(n)“ sein oder sie muss sich gegen „Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit“ richten. LSBTI werden nicht ausdrücklich als Zielgruppe genannt. Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen können aber als ein abgrenzbarer Teil der Bevölkerung Ziel der volksverhetzenden Handlung sein.

Trotz weit verbreiteter homophober und sexistischer Hassreden gibt es nur wenige Verurteilungen wegen Volksverhetzung. Die von den Gerichten entschiedenen Fälle beziehen sich fast ausschließlich auf rassistische, antisemitische und rechtsextremistische Äußerungen und damit auf die ausdrücklich im Gesetz benannten Gruppen. Es reicht folglich nicht, dass sich LSBTI-feindliche Gewalt unter den Begriff „Teile der Bevölkerung“ subsumieren lässt. Für eine effektive Strafverfolgung ist die Sichtbarmachung im Gesetzestext erforderlich. Der LSVD fordert daher, dass § 130 StGB so ausgestaltet wird, dass die empirisch belegten Erscheinungsformen von Hasskriminalität gegen LSBTI angemessen im Wortlaut benannt wird.

3.2 Verbreitung von Medien mit volksverhetzendem Inhalt (§ 130 Abs. 2 StGB)

In § 130 Abs. 2 StGB heißt es:

§ 130 StGB Volksverhetzung

"(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der

a) zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,

b) zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder

c) die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder

2. einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen."

Bei der Verbreitung von Medien mit volksverhetzendem Inhalt kommt es nicht darauf an, ob die Verbreitung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Notwendig ist aber eine öffentliche Verbreitung des Inhalts. Strafbar ist auch das Zugänglichmachen, Anbieten oder Überlassen eines volksverhetzenden Inhalts an eine minderjährige Person.

Als Tathandlungen kommen Äußerungen und die Verbreitung von Medien (dazu gehören auch Internetseiten) in Betracht, 

  • wenn gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufgestachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufgefordert wird oder
  • wenn die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen wird, dass Teile der Bevölkerung oder ein Einzelner wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden.

4. Verhetzende Beleidigung (§ 192a StGB)

Der neue Tatbestand der verhetzenden Beleidigung ist in § 192a StGB geregelt. Dort heißt es:

§ 192a StGB Verhetzende Beleidigung

"Wer einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, die Menschenwürde anderer dadurch anzugreifen, dass er eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, an eine andere Person, die zu einer der vorbezeichneten Gruppen gehört, gelangen lässt, ohne von dieser Person hierzu aufgefordert zu sein, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Der Straftatbestand verhetzende Beleidigung (§ 192a StGB) wurde im September 2021 neu in das Strafgesetzbuch eingeführt (BGBl. I S. 4250). Damit soll eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die bisher für das Versenden volksverhetzender Inhalte an Betroffene bestand.

Beispiele für eine verhetzende Beleidigung nach § 192a StGB sind das Verschicken schwulenfeindlicher E-Mails an eine Schwulenberatungsstelle, das Einwerfen lesbenfeindlicher Schriften in den Briefkasten einer Lesbe oder telefonische Beschimpfungen von Lesben, Schwulen oder Bisexuellen als Gruppe allgemein.

Das stand bisher regelmäßig nicht unter Strafe: Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung setzen voraus, dass die herabwürdigende Äußerung einen konkreten Bezug zu der betroffenen Person hat. Das ist, wie oben dargestellt, nicht der Fall, wenn allgemein gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle, trans- oder intergeschlechtliche Menschen gehetzt wird. Der Straftatbestand der Volksverhetzung hingegen setzt eine öffentliche Verbreitung des Inhalts voraus (siehe oben). Diese ist jedoch nicht gegeben, wenn der Inhalt nur einer bestimmten Person bzw. einem kleinen Kreis an Personen bekanntgegeben wird (vgl. Gesetzesbegründung, Formulierungshilfe der Bundesregierung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drs. 19/28678), S. 8 f.).

Tathandlung ist das unaufgeforderte Gelangenlassen (Zusenden, Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen) von volksverhetzenden Inhalten in schriftlicher (zB. E-Mail, SMS, Brief) oder mündlicher Form an eine Person, die einer bestimmten Personenmehrheit zugehörig ist. Erfasst sind Inhalte, die eine Volksverhetzung nach § 130 StGB darstellen. Dazu gehören gemäß der Gesetzesbegründung

Inhalte, die eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpfen, böswillig verächtlich machen oder verleumden und hierdurch die Menschenwürde der betroffenen Personen verletzen können.“ (Gesetzesbegründung, Formulierungshilfe der Bundesregierung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drs. 19/28678), S. 9).

Ziel der Vorschrift ist es, Betroffene vor einer ungewollten Konfrontation mit bestimmten Inhalten zu schützen. Nicht unter Strafe steht deshalb die Zusendung volksverhetzender Inhalte auf ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Person.

Ob auch transfeindliche und interfeindliche Inhalte von der neuen Vorschrift erfasst sind, ist unklar. Der Gesetzeswortlaut erwähnt jedenfalls nur die sexuelle Orientierung ausdrücklich. Geschlecht oder geschlechtliche Identität werden als Gruppenmerkmal nicht genannt. Auch in der Gesetzesbegründung werden trans- und intergeschlechtliche Menschen als Zielgruppe nicht erwähnt. Dies ist unverständlich, da trans- und intergeschlechtliche Menschen besonders häufig von Hasskriminalität betroffen sind (vgl. Statistiken zu LSBTI-feindlicher Gewalt). Es wird von den Staatsanwaltschaften und den Gerichten abhängen, ob das Merkmal geschlechtliche Identität in das Merkmal der sexuellen Orientierung hineingelesen werden kann oder ob trans- und intergeschlechtliche Menschen schutzlos bleiben.

5. Wie wehre ich mich strafrechtlich gegen LSBTI-feindliche Hasskriminalität?

Um sich strafrechtlich gegen LSBTI-feindliche Hasskriminalität zu wehren, kann bei der  Polizei, der Staatsanwaltschaft oder einem Amtsgericht Strafantrag bzw. Strafanzeige gestellt werden. 

5.1 Wie läuft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ab?

Die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft oder Polizei) leiten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen (§ 152 Abs. 2 StPO). Von solchen Anhaltspunkten kann die Staatsanwaltschaft durch eine Strafanzeige / Strafantrag oder auf anderem Weg Kenntnis erlangen, z. B durch Zeitungsberichte, Aussagen von Zeug*innen in anderen Verfahren usw. Ist die tatverdächtige Person bekannt, richten sich die Ermittlungen gegen diese Person, andernfalls wird zunächst gegen „Unbekannt“ ermittelt.

Ziel der Ermittlungen ist es, den Sachverhalt aufzuklären und über eine Anklageerhebung zu entscheiden. Dazu werden Beweise erhoben, also zum Beispiel Zeug*innen vernommen und Spuren am Tatort und sonstige Beweismittel gesichert. Wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, kann die Staatsanwaltschaft weitere Maßnahmen anordnen wie Durchsuchungen, Beschlagnahmen oder Telefonüberwachungen.

In der Regel werden die Ermittlungen durch die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft vorgenommen. Nur bei besonderes wichtigen oder schwerwiegenden Tatvorwürfen ermittelt der oder die zuständige Staatsanwält*in persönlich. Die beschuldigte Person muss über den Tatverdacht informiert und ihr muss die Möglichkeit zur Äußerung gegeben werden.

Nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet die Staatsanwaltschaft über den Abschluss des Verfahrens. Liegt kein hinreichender Tatverdacht vor, wird das Verfahren eingestellt. Über die Einstellung wird die Person, die Strafanzeige oder Strafantrag gestellt hat, informiert. Liegt dagegen ein hinreichender Tatverdacht vor, erhebt die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage und es kommt zum Gerichtsverfahren.

Bei nicht so schwerwiegenden Vergehen kann die Staatsanwaltschaft alternativ den Erlass eines Strafbefehls beantragen, mit dem ohne Hauptverhandlung auf eine Geldstrafe oder eine maximal einjährige Freiheitsstrafe auf Bewährung erkannt werden kann. Dies ist bei Beleidigungsdelikten häufig der Fall.

5.2 Was ist der Unterschied zwischen Strafanzeige und Strafantrag?

Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist bei den meisten Straftaten grundsätzlich nicht davon abhängig, dass jemand Strafantrag oder Strafanzeige stellt. Die Staatsanwaltschaft ist von Amts wegen verpflichtet zu ermitteln, sofern sie von einer möglichen Straftat erfährt. Dennoch stellt die Strafanzeige die in der Praxis häufigste Form des Beginns eines Ermittlungsverfahrens

5.2.1 Strafanzeige

Eine Strafanzeige ist die Mitteilung eines Bürgers an die Strafverfolgungsbehörden über einen möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhalt. Strafanzeigen verpflichten die Strafverfolgungsbehörden zu prüfen, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt, der zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zwingt. 

Eine Strafanzeige kann von jedermann mündlich, fernmündlich oder schriftlich bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder bei den Amtsgerichten gestellt werden, auch anonym (§ 158 Abs. 1 StPO). In vielen Bundesländern kann die Strafanzeige auch online gestellt werden. Eine Strafanzeige kann nicht zurückgenommen werden.

Möchte man sich beispielsweise gegen eine Volksverhetzung wehren, kann man die Strafverfolgungsbehörden mittels einer Strafanzeige mündlich oder schriftlich über den potentiell volksverhetzenden Inhalt informieren.

Vorsorglich kann man hinzufügen, dass man nicht nur Strafanzeige erstattet, sondern auch Strafantrag aus allen rechtlichen Gesichtspunkten stellt. Schließlich ist denkbar, dass auch zB. eine Beleidigung begangen worden ist.

5.2.2 Strafantrag

Manche Delikte, wie zum Beispiel Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung, sind absolute Antragsdelikte. Das bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden nur ermitteln dürfen, wenn die verletzte Person einen Strafantrag gestellt hat. Ein Strafantrag ist das ausdrückliche Verlangen der verletzten Person, eine Straftat strafrechtlich zu verfolgen.

Der Strafantrag kann nur von der verletzten Person selbst oder von einem gesetzlichen Vertreter (zB. Eltern) gestellt werden. Er kann bei der Staatsanwaltschaft oder einem Amtsgericht schriftlich oder zu Protokoll gestellt werden, bei der Polizei nur schriftlich. Der Strafantrag muss innerhalb von drei Monaten nach der Tat oder dem Bekanntwerden des oder der Täter*in gestellt werden. Er kann bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens zurückgenommen werden. Das Verfahren wird dann eingestellt. Nachdem der Strafantrag zurückgenommen wurde, kann er nicht erneut gestellt werden.

5.3 Gründe für und gegen das Stellen eines Strafantrags / einer Strafanzeige

Nur etwa 20 bis 30 Prozent der Opfer LSBTI-feindlicher Hassgewalt stellen Strafanzeige oder Strafantrag. Viele befürchten, dass sie von den Strafverfolgungsbehörden nicht ernst genommen werden oder denken, dass eine Anzeige „sowieso nichts bringt“. Einige wollen auch nicht erneut mit dem Thema oder dem*der Täter*in konfrontiert werden. Das sind valide Gründe.

Es gibt jedoch auch gute Gründe für das Stellen eines Strafantrags oder einer Anzeige, und zwar sogar in Fällen, in denen die Erfolgsaussichten wegen der Beweislage nicht gut sind. Strafanzeigen und Strafanträge sind die Grundlage für die Statistiken zur Hasskriminalität. Die Statistiken wiederum sind Handlungsgrundlage für die Politik. Höhere Fallzahlen zwingen die Politik dazu, mehr gegen LSBTI-feindliche Hassgewalt zu tun. Strafanzeigen und Strafanträge sind auch die Grundlage für jede polizeiliche und staatsanwaltliche Tätigkeit. Denn nur wenn Polizei und Staatsanwaltschaft Kenntnis über Straftaten haben, können sie handeln, und zum Beispiel verstärkt Polizeipräsenz an gefährlichen Orten zeigen.

Die Entscheidung für oder gegen das Stellen eines Strafantrags bzw. einer Strafanzeige ist im Ergebnis jedoch eine höchstpersönliche, die nur das Opfer selbst treffen kann.

5.4 Kann ich wegen falscher Verdächtigung belangt werden?

Die Befürchtung, aufgrund einer Strafanzeige bzw. Strafantrags wegen "falscher Verdächtigung" belangt zu werden, ist regelmäßig unbegründet. Wegen falscher Verdächtigung wird nur bestraft, wer Tatsachen wider besseren Wissens falsch schildert. Strafanzeigen / Strafanträge  sind deshalb ungefährlich, wenn man Tatsachen und Vermutungen nicht miteinander vermengt und die Tatsachen richtig schildert. 

Man sollte in einer Strafanzeige zunächst den Sachverhalt schildern, also was passiert ist. Dieser muss richtig wiedergegeben werden. Alles, was man nicht beweisen kann, sollte man ausdrücklich als Vermutung kennzeichnen.

An diesen Sachverhalt kann man dann rechtliche Folgerungen anschließen und um Einleitung eines Strafverfahrens bitten, z.B: "Ich bin der Meinung, dass sich Herr X durch dieses Verhalten der Volksverhetzung schuldig gemacht hat, und bitte deshalb, sein Verhalten strafrechtlich zu verfolgen." Es reicht auch der allgemeine Hinweis: "Ich bin der Meinung, dass sich Herr X durch dieses Verhalten strafbar gemacht hat, und erstatte deshalb gegen ihn Strafanzeige."

Eine falsche rechtliche Wertung ist unschädlich. Wegen falscher Verdächtigung kann man nur belangt werden, wenn man den Sachverhalt - also, das, was sich ereignet hat - "wider besseres Wissen" falsch geschildert hat.

5.5 Wie können mir die LSBTI-Ansprechpersonen bei Polizei und Staatsanwaltschaft helfen?

In einigen Regionen gibt es spezielle Ansprechpersonen für LSBTI bei der Polizei und / oder bei der Staatsanwaltschaft. Diese werden teilweise auch als „Ansprechperson gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ bezeichnet oder AP-LSBTI* abgekürzt. 

Die Aufgaben der Ansprechpersonen unterscheiden sich je nach Bundesland. In der Regel gehört dazu:

  • Aufnahme von Strafanträgen / Strafanzeigen
  • Nur in Berlin: spezielle Abteilung zur Verfolgung LSBTI-feindlicher Hasskriminalität
  • Begleitung und Unterstützung im gesamten Strafverfahren, zum Teil auch zur Hauptverhandlung
  • Beschwerdestelle für homophobe, biphobe, interfeindliche oder transfeindliche Polizist*innen oder Staatsanwält*innen

Wo es LSBTI-Ansprechpersonen gibt, lässt sich über eine Internetsuche („LSBTI Ansprechperson Staatsanwaltschaft + Stadt / Bundesland“ oder „LSBTI Ansprechperson Polizei + Stadt / Bundesland“) herausfinden. Auf den Webseiten der Landesverbände der lesbischen und schwulen Polizeibediensteten in Deutschland (VelsPol) lassen sich die AP-LSBTI der Polizeien finden.

5.6 Was machen Opferberatungsstellen und wie können sie mir helfen?

In vielen Städten gibt es Opferberatungsstellen, die sich auf Hasskriminalität spezialisiert haben. Es gibt auch Angebote, die sich speziell an die LSBTI-Community richten.

Die Opferberatungsstellen unterstützen Betroffene (in der Regel kostenlos) bei der Antragstellung und begleiten durch den teilweise belastenden Prozess des Ermittlungsverfahrens.

Die Beratungsangebote lassen sich durch eine Internetrecherche finden. Sollten Sie nicht fündig werden, können Sie auch Kontakt zu dem für sie zuständigen LSVD Landesverband aufnehmen.

5.7 Achtung Frist: Strafantrag binnen drei Monaten stellen!

Bei Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung beträgt die Frist zur Stellung eines Strafantrags nur drei Monate (§ 77b StGB). Die Frist beginnt mit der Kenntnis der Tat und dem / der Täter*in.

Ist die Beleidigung durch Verbreitung von vervielfältigten Schriften wie z. B. Zeitschriften oder Flugblättern begangen worden, beträgt die Frist aufgrund der Pressegesetze der Länder sechs Monate. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem das Druckwerk den Bereich der Presse verlässt und einem größeren Personenkreis zugänglich wird. Erst eine Neuauflage setzt eine neue Verjährungsfrist in Gang. Diese Regelung soll verhindern, dass jede einzelne Verbreitungshandlung neue Fristen in Gang setzt.

Richtet sich die Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung gegen eine öffentliche Person (§ 188 StGB) handelt es sich um ein relatives Antragsdelikt. Das gleiche gilt für den neuen Tatbestand der verhetzenden Beleidigung (§ 192a StGB). Das heißt, dass die Strafverfolgungsbehörden auch ohne Strafantrag von Amts wegen ermitteln können, wenn sie eine Strafverfolgung wegen des besonderen öffentlichen Interesses für geboten halten (§ 194 Abs. 1 S. 3 StGB). Diese Regelung wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom März 2021 neu eingefügt. Der oder die Verletzte kann der Strafverfolgung widersprechen; der Widerspruch kann nicht zurückgenommen werden (§ 194 Abs. 1 S. 4, 5 StGB).

5.8 Wer kann einen Strafantrag stellen und wie stelle ich einen Strafantrag?

Den Strafantrag kann nur das Opfer der Straftat selbst oder dessen gesetzliche Vertreter stellen (§ 77 StGB). Der Strafantrag muss schriftlich oder zu Protokoll bei Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht gestellt werden. In vielen Städten gibt es mittlerweile spezielle Ansprechpersonen für LSBTI oder für Hasskriminalität bei der Polizei und / oder der Staatsanwaltschaft. Wir empfehlen, Kontakt mit diesen Ansprechpersonen aufzunehmen und den Strafantrag direkt dort zu stellen.

Der Antrag kann bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens zurückgenommen werden. Er gilt dann als nicht gestellt. Das Verfahren wird eingestellt und die Verfahrenskosten werden dem oder der Antragsteller*in auferlegt, falls nicht im Wege des Vergleichs etwas anderes vereinbart wird. Ein zurückgenommener Antrag kann nicht nochmals gestellt werden.

5.9 Schutz persönlicher Daten: der sog. kleine Zeugenschutz (§ 68 Abs. 2 StPO)

Nachdem ein Strafantrag gestellt wurde, werden Geschädigte einer Straftat von der Polizei und / oder der Staatsanwaltschaft als Zeugen befragt und mit Namen, Wohnort und ggf. weiteren persönlichen Daten in den Akten geführt. Der oder die Täterin wird über die Stellung des Strafantrags informiert und kann über einen Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin Akteneinsicht beantragen. So können Täter die persönlichen Daten des Opfers erfahren.

Wenn hierdurch eine begründete Gefahr für das Opfer bzw. andere Zeug*innen entsteht, kann die Aufnahme des Wohnorts in die Akte durch den sog. kleinen Zeugenschutz verhindert werden (§ 68 Abs. 2 StGB). In diesem Fall gibt man gegenüber der Polizei und Staatsanwaltschaft eine andere ladungsfähige Adresse an. Das ist aber nur möglich, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass durch die Offenbarung des Wohnorts weitere Rechtsgüter des Opfers oder anderer Personen verletzt werden oder auf das Opfer oder andere Personen eingewirkt werden wird.

In Betracht kommt beispielsweise der Geschäfts- oder Dienstort oder die Adresse einer Beratungsstelle (in Absprache mit der jeweiligen Stelle). Die Entscheidung darüber, ob ein begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht und statt der Wohnadresse eine ladungsfähige Adresse angegeben werden darf, obliegt dem oder der aufnehmenden Polizeibeamt*in oder Staatsanwält*in.

Wichtig: Wenn der Wohnort einmal in den Akten ist, ist es schwer, ihn wieder entfernen zu lassen. Daher sollte von Anfang an nicht der Wohnort, sondern die ladungsfähige Adresse angegeben werden, wenn man verhindern möchte, dass der oder die Täterin durch Akteneinsicht Kenntnis von der Wohnadresse erlangt. Es ist deshalb empfehlenswert, bereits vor Stellung des Antrags Kontakt mit einer Beratungsstelle aufzunehmen, um diese als ladungsfähige Adresse angeben zu können. Alternativ kommt der Arbeitsplatz oder ein zuverlässiges Familienmitglied oder eine Person aus dem Freundeskreis in Betracht.

5.10 Staatsanwaltschaft darf bei Hasskriminalität nicht auf Privatklageweg verweisen

Beleidigungen, üble Nachreden und Verleumdungen sind Privatklagedelikte. Das heißt, die Staatsanwaltschaft leitet grundsätzlich kein Ermittlungsverfahren ein, wenn kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, sondern verweist die Verletzten auf den Privatklageweg. Der oder die Verletzte muss dann die Straftat selbst vor Gericht bringen und das Prozesskostenrisiko tragen.

Bei LSBTI-feindlichen Beleidigungen liegt die öffentliche Klageerhebung durch die Staatsanwaltschaft aber immer im öffentlichen Interesse. Homophobe, biphobe, interfeindliche und transfeindliche Beleidigungen gelten als sogenannte Hassdelikte und damit als politisch motivierte Kriminalität. In diesen Fällen besteht immer ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.

§ 86 Abs 2 Satz 1 der "Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren"(RiStVB) stellt fest, dass ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung von Amts in der Regel vorliege, „wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzte hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist, z.B. wegen (…) der rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründe des Täters“. Der Wortlaut der Richtlinie knüpft an § 46 Abs. 2 StGB an, der die Gerichte anweist, bei der Strafzumessung auf die Umstände der Tat abzustellen. Als Umstände kommen gemäß § 46 Abs. 2 StGB insbesondere in Betracht: „die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“. 

Laut der Gesetzesbegründung zu § 46 StGB kommen als „sonstige menschenverachtende“ Beweggründe und Ziele insbesondere solche in Betracht, die im polizeilichen Erfassungssystem zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) unter dem Themenfeld „Hasskriminalität“ genannt werden. Darunter fallen gegen die sexuelle Orientierung und (seit 2020) gegen die sexuelle Identität oder das Geschlecht gerichtete Beweggründe und Ziele.

Man sollte es deshalb nicht hinnehmen, wenn die Staatsanwaltschaft Strafanträge wegen LSBTI-feindlicher Beleidigungen auf den Privatklageweg verweist, sondern sich dagegen unter Berufung auf die angeführten Vorschriften bei der Generalstaatanwaltschaft beschweren. Die Beschwerde ist an keine Frist gebunden und kann formlos durch Brief eingelegt werden. Es ist jedoch nicht gesichert, dass die Staatsanwaltschaft dann einlenkt.

5.11 Einstellung des Verfahrens und Klageerzwingungsverfahren

Bieten die Ermittlungen keinen genügenden Anlass zu Erhebung der öffentlichen Klage, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein (§ 170 Abs. 2 StPO). Die weit überwiegende Anzahl aller Ermittlungsverfahren endet auf diese Weise. Die Einstellung erfolgt meist aus tatsächlichen Gründen mangels Tatnachweises oder weil kein Täter ermittelt werden konnte.

Gibt die Staatsanwaltschaft einer Strafanzeige nicht statt oder verfügt sie nach dem Abschluss der Ermittlungen die Einstellung des Verfahrens, muss sie den oder die Anzeigeerstatter*in unter Angabe der Gründe benachrichtigen (171 StPO). Gegen die Einstellung kann jedermann formlos Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft einlegen.

Ist die Person, die Strafanzeige erstattet hat, zugleich die verletzte Person, kann sie die Einstellung des Verfahrens auch förmlich anfechten (Klageerzwingungsverfahren, §§ 172-177 StPO). Dazu muss sie binnen zwei Wochen Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft einlegen und, falls diese erfolglos bleibt, binnen eines Monats beim Oberlandesgericht gerichtliche Entscheidung beantragen. Beim Antrag auf gerichtliche Entscheidung müssen bestimmte Förmlichkeiten beachtet werden. Man sollte sich deshalb hierbei anwaltlich beraten lassen. Auf Antrag wird dafür Prozesskostenhilfe bewilligt.

Hat ein Klageerzwingungsverfahren Erfolg, kann sich die verletzte Person dem Strafverfahren als Nebenkläger*in anschließen. Der oder die Verletzte muss von allen anderen Entscheidungen unterrichtet werden, die das gerichtliche Verfahren beenden, wenn sie dies vorher beantragt hat. 

Ist die Person, die Strafanzeige erstattet hat, nicht selbst verletzte Person, wird sie dagegen nur von der Einstellung des Verfahrens unterrichtet. Kommt es zur Anklageerhebung und zur Verurteilung, erfährt sie davon nichts, es sei denn, sie wird als Zeuge oder Zeugin zur Hauptverhandlung geladen.

Neben der Einstellung des Verfahrens wegen fehlenden Tatverdachts (§ 170 Abs. 2 StPO) gibt es noch eine Reihe anderer Möglichkeiten, ein Ermittlungs- oder Strafverfahren ohne Verurteilung der beschuldigten Person zu beenden. Dazu gehört u.a. die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO, die in jeder Lage des Verfahrens erfolgen kann. Für die Praxis wesentlich bedeutsamer ist die Einstellung nach Erfüllung von Auflagen gemäß § 153a StPO. Der oder die Anzeigeerstatter*in und der oder die Verletzte können die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit oder nach Erfüllung von Auflagen nicht anfechten.

6. Beispiele aus der Rechtsprechung

Beleidigung per SMS - Die Bezeichnung eines Mannes als „Schwuchtel“ und „Pussy“ ist als Formalbeleidigung nach § 185 StGB strafbar. Der Geschädigte kaufte beim Angeklagten online eine Uhr. Es kam es zum Streit über die Lieferung. Als der Geschädigte eine Teilrückzahlung vorschlug, antwortete der Angeklagte per SMS mit: „kleine pussy,lass dir einen blasen“. Auf die Reaktion des Geschädigten, Strafanzeige stellen zu wollen, antworte der Angeklagte mit: „mach das, schwuchtel“, „dein anwalt wird dich einliefern lassen !“ sowie „in der norder-strasse in hh-aktona nehmen sie so pussys wie dich gerne auf !“.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

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Beleidigung auf der Straße – Die Bezeichnung einer auf öffentlicher Straße vorbeilaufenden Person als „Schwuchtel“ ist eine strafbare Beleidigung.

Das Amtsgericht Kamen verurteilte den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Gefängnisstrafe von drei Monaten ohne Bewährung. Der Angeklagte war vorbestraft und befand sich noch in der Bewährungsfrist.

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Beleidigung durch Polizeibeamte - Die Äußerung „Das brauchst du doch, du dumme Schwuchtel“ durch einen Polizeibeamten stellt eine strafbare Beleidigung dar.

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Beleidigung eines Kommunalpolitikers in den sozialen Medien - Die Bezeichnung eines Politikers in einem öffentlichen Kommentar in den sozialen Medien als „Schwuchtel“ stellt eine strafbare Beleidigung dar. Der Angeklagte kommentierte zudem, alle „queeren Politiker“ seien „Politiker mit Gehirnschaden“.

Das Amtsgericht Passau verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen.

Im Anschluss hieran kommentierte der Verurteilte erneut in den sozialen Medien: "Ihr Hinterlader [seid] verantwortlich für Millionen von unschuldigen Opfern mit euren Blutspenden, da bekamt ihr Geld um eure Drogensucht zu finanzieren." und "[Ich] bin ein [rachsüchtiger] Mensch, du könntest vor mir liegen und um Hilfe bitten, ich würde dir noch in die Fresse treten!!!". Außerdem bezeichnte er den Politiker erneut mehrfach als "Schwuchtel".

Das Amtsgericht Passau verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung und einer Geldstafe von 500 Euro.

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Beleidigung eines Bundesministers bei einem öffentlichen Auftritt – Die Äußerung „Hau ab, du Wichser, du schwule Sau“ gegenüber Bundesgesundheitsministers Jens Spahn am Rande eines Wahlkampftermins ist eine strafbare Beleidigung.

Das Amtsgericht Bergisch-Gladbach erließ gegen den Beschuldigten einen Strafbefehl wegen Beleidigung und verhängte eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen.

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Beleidigung auf YouTube - Der Angeklagte hatte auf seinem YouTube Kanal ein Video hochgeladen. Im Rahmen dieses Videos wurde ein Bild von fünf Personen gezeigt, welche vor einem Plakat der Partei „Die Grünen“ stehen. Über dem Bild befindet sich folgender Text: „Und ich dachte immer, die Schockbilder auf den Kippenschachteln wären schlimm“ (Smiley). „Das sind die Grünen im Bayerischen Landtag … und nein: das ist KEIN Scherz.“ Zu diesem Foto gab der Angeklagte in dem Video mündlich folgenden Kommentar ab: „Ja und wenn ihr euch das anschaut, das sind welche, die sind im Bayerischen Landtag. Das ist jetzt kein Witz und das ist auch kein Scherz. Also wenn ich mir die Figuren anschaue und die bestimmen über unsere Zukunft und solche Leute sind gewählt, also das sind ja Lachnummern, das sind absolute Lachnummern, diese Figuren. Das ist wirklich, das kannste normalerweise, wie heisst es, das kannste auf die Kippenschachtel tun als Warnhinweis.“ Tatsächlich war zu diesem Zeitpunkt nur eine der abgebildeten Personen Mitglied der Grünen im Bayerischen Landtag.

Das Amtsgericht Hersbruck hatte den Angeklagten im April 2021 wegen Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 80 Euro verurteilt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth änderte das Urteil dahingehend ab, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 200 Euro verurteilt wurde. Das Bayerische Oberste Landesgericht bestitägte den Schuldspruch.

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Volksverhetzung durch katholische Priester – Zwei katholische Priester veröffentlichen in der Zeitschrift „Theologisches“ einen Artikel mit dem Titel „Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirch zu begrenzen“. Darin werden Homosexuelle als „eine Kolonie von Parasiten“, „homosexuelle Plage“ und „Krebsgeschwür, das sogar bereit ist, seinen Wirt zu töten“ bezeichnet.

Das Amtsgericht Köln erließ gegen die Beschuldigten Strafbefehle wegen Volksverhetzung und verhängte eine Geldstrafe von 70 bzw. 120 Tagessätzen. Die Beschuldigten haben jeweils Einspruch gegen die Strafbefehle eingelegt, über die noch nicht entschieden worden ist (Stand Oktober 2021).

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Volksverhetzung durch evangelischen Pastor – Ein evangelischer Pastor bezeichnete in einem „Eheseminar“ Homosexualität als „Degenerationsform von Gesellschaft“ und als „todeswürdig“. Die LSBTI Community sei „Gender-Dreck“ und Besucher*innen des CSD seien „Verbrecher“. Das Seminar war auf YouTube veröffentlicht worden.

Das Amtsgericht Bremen verurteilte den Angeklagten wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen (Az. 96 Ds 225 Js 26577/20). Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden worden ist (Stand Oktober 2021).

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Volksverhetzung in den sozialen Medien – Der Angeklagte äußerte sich in den sozialen Medien „pornographisch-abfällig“ in einem Kommentar unter einem Foto, auf dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seinen Ehemann küsst.

Das Amtsgericht Pirmasens verurteilte den Angeklagten wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen.

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