Menu
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Sicher out? Erfahrungen von LSBT

Onlinebefragung von Plus Mannheim

Ergebnisse der Kurzbefragung "Sicher out? Geschützt vor Diskriminierung und Gewalt in der Region Rhein-Neckar?" über Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen von LSBTQ, ihre Vermeidungsstrategien, ihre Erlebnisse mit der Polizei und ihre Wünsche an die Kommunen.

"Sicher out? Geschützt vor Diskriminierung und Gewalt in der Region Rhein-Neckar?" ist die Dokumentation einer Kurzbefragung 2018, durchgeführt von der psychologischen Lesben- u. Schwulenberatung Rhein- Neckar e.V. (Plus) in Mannheim. Dafür werteten die beiden Autorinnen* Angela Jäger und Margret Göth insgesamt 416 ausgefüllte Online-Fragebögen aus. Sie alle haben ihren Lebensmittelpunkt in Mannheim, Heidelberg oder im Rhein-Neckar-Kreis in Baden-württemberg.

Ein kurzer Überblick zu den Ergebnissen

  1. Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen
  2. Damit mir nichts passiert - "Strategien der Unsichtbarkeit"
  3. Erfahrungen im Umgang mit der Polizei
  4. Wünsche und Anregungen an die kommunalen Verwaltungen und Polizei

1. Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen

In den letzten 12 Monaten

  • wurden 44% der befragten LSBT beschimpft (40% der cisgeschlechtlichen und 80% der trans* Befragten)
  • wurden 11% der befragten LSBT bedroht (10% der cisgeschlechtlichen Befragten, 25% der trans* Befragten, 16% der befragten Männer und 3% der befragten Frauen)
  • wurde das Eigentum von 12% der befragten LSBT beschädigt
  • wurden 9% der befragten LSBT bestohlen
  • mussten 7% körperliche Gewalt erleben (6% der cisgeschlechtlichen Befragten, 14% der trans* Befragten, 8% der befragten Männer und 6% der befragten Frauen)
  • wurden 21% der befragten LSBT sexuell belästigt (50% der trans* Befragten, 6% der befragten Männer und 36% der befragten Frauen)
  • erlebten 14% der befragten LSBT einen sexuellen Übergriff (13% der cisgeschlechtlichen Befragten, 25% der trans* Befragten, 6% der befragten Männer und 23% der befragten Frauen)

Fallbeispiele

Frau, pansexuell, 18–27 Jahre „Habe meine Freundin am Bismarckplatz geküsst. Uns wurde daraufhin hinterher gepfiffen und wir wurden mit degradierenden Begriffen beleidigt“

Transfrau, lesbisch, 28–44 Jahre „An der Haltestelle der RNV ausgelacht. Und auf dem Weg dorthin sowie mitten in der Mannheimer Innenstadt als „Transe“ beschimpft“

Mann, schwul, 28–44 Jahre „Ich war allein im Schlosspark. Eine Gruppe von vier jungen Männern (...) Als sie vorbei waren, sind mir zwei hinterher. Sie haben mich erst angesprochen, ich bin aber weiter. Dann sind sie auf mich zugelaufen und haben heftig auf mich eingeschlagen.“

Frau, lesbisch, 18–27 Jahre „Himbeer, Heaven, Gay-werk, Unheilbar (Villa Nachttanz), von (nach meiner Annahme heterosexuellen) Männern auf der Tanzfläche angegrabscht, nach wiederholter Aufforderung nicht in Ruhe gelassen, bis in die Straßenbahn gefolgt, sexuelle Handlungen wurden uns für Geld aufdringlich vorgeschlagen, kleinere Freundinnen von mir weggezerrt und diese intensiver belästigt (geküsst, gezerrt, festgehalten, in die Ecke gedrängt)

2. Damit mir nichts passiert - "Strategien der Unsichtbarkeit"

89% der befragten LSBT haben ihr Verhalten im öffentlichen Raum bewusst angepasst, um Diskriminierungs- und/ oder Gewalterfahrungen zu vermeiden. Das bedeutet, sie sind in den letzten zwölf Monaten im öffentlichen Raum nicht so aufgetreten und haben sich nicht so bewegt, wie sie es sich eigentlich wünschen würden.

alltägliche Vermeidungsstrategien in den letzten 12%

  • 64% der befragten LSBT vermieden homosexuelle Zärtlichkeiten (70% der befragten Männer / 57% der befragten Frauen)
  • 62% der befragten LSBT mieden nachts bestimmte Orte (77% der nicht-binär Befragten, 73% der befragten Frauen, 51% der befragten Männer)
  • 56% der befragten LSBT gaben sich nicht als Paar zu erkennen
  • 51% der befragten LSBT gingen Umweg, um sich sicherer zu fühlen
  • 43% der befragten LSBT vermieden Verhaltensweisen oder kontrollierten ihre Körpersprache
  • 22% der befragten LSBT mieden Bücher, Magazine oder Broschüren
  • 21% der befragten LSBT zogen andere Kleidung an
  • 20% der befragten LSBT mieden tagsüber bestimmte Orte

3. Erfahrungen im Umgang mit der Polizei

Wann wird zur Polizei gegangen?

  • Kaum jemand nach Beschimpfungen
  • 10% bzw. 7% nach sexueller Belästigung bzw. sexuellen Übergriffen
  • 20% nach Bedrohung, körperlicher oder sexueller Angriff
  • 36% nach einem körperlichen Übergriff

Wer geht zur Polizei?

  • 20% der über 27jährigen / 7% der unter 27jährigen
  • 23% der Männer, 12% der Frauen
  • Niemand der nicht-binären Menschen

Fallbeispiele

Mann, schwul, 28–44 Jahre: „Seitens Polizei nahm man den Vorfall ernst, auch, wenn man, da außer der „Drohung“ nichts vorgefallen war, nicht tätig werden konnte.“

Frau, lesbisch, 18–27 Jahre: „Die Beamten, die uns akut in der Nacht halfen waren sehr verständnisvoll und hilf-reich. Die Beamten, die unsere Aussagen schließlich auf den jeweiligen Revieren aufnahmen, nahmen uns teilweise nicht ernst und/oder waren desinteressiert und/oder suchten die Schuld bei uns.“

Warum gehen sie nicht zur Polizei?

  • Hemmschwelle: Nicht ernst genommen zu werden
  • Vorfälle seien nicht „groß“ bzw. „ernst“ genug gewesen, „nur“ verbale“ Gewalt

Fallbeispiele

trans Frau, bisexuell, 28–44 Jahre: „Nach dem ich aus Situation raus war, war ich froh daraus zu sein und wollte mich nicht weiter damit belasten“

Mann, schwul, 45–64 Jahre: „Die Pöbeleien im Vorbei-gehen schienen mir strafrechtlich nicht relevant.“

Frau, lesbisch, 18–27 Jahre: „Weil wir bisher immer als Gruppe gegenseitig Unterstützung und Schutz bieten konnten, sodass niemand allein war, sodass etwas Schlimmeres als Begrabschen und Festhalten passieren konnte. (Diese Erwartungshaltung und ständig ein Auge auf alle zu haben ist allerdings längst Normalität geworden, selbst auf LGBT-Partys, jedoch bei weitem nicht in dem Ausmaß wie in klassischen hetero Clubs.).“

Mann, schwul, 18–27 Jahre: „Scham, wusste nicht, wer Ansprechpartner ist“

4. Wünsche und Anregungen an die kommunalen Verwaltungen und Polizei

 Was könnten kommunale Verwaltungen und LSBTI-Beauftragte tun?

  • Schulische Aufklärung und Bildungsarbeit
  • klar erkennbare wertschätzende Haltung der Verwaltung
  • Aufklärung innerhalb der Verwaltung
  • diskriminierungsfreier Sprache bei Formularen der Verwaltung
  • Regenbogenfahne nicht nur zum CSD zu hissen
  • Mehr Präsenz
  • Aufklärung in Kitas, Schulen und anderen Einrichtungen für Regenbogenfamilien
  • mehr Veranstaltungen und geeignete Räumen
  • mehr Ressourcen für Projekte und Vereine der Community

Zitate

Mann, schwul, 18–27 Jahre: „Sichtbar machen, dass sowohl Politik, Polizei und Verwaltung aktiv für eine vielfältige Stadt arbeiten. Damit Menschen das Gefühl haben sich in solchen Fällen an die Polizei, Politik oder Verwaltung wenden. Vor allem in Bildungseinrichtungen soll vermehrt auf das Thema eingegangen werden. Lesben, Schwulen, transgender, transsexuellen, bisexuellen, intersexuellen, queeren und non-binary Menschen in der Region sollen durch die Arbeit der Politik, Polizei und Verwaltung das Gefühl erhalten sicher und frei in ihrer Sexualität leben zu können.“

Frau, lesbisch, 45–64 Jahre: „Stadt MA tut da einiges. Im MitarbeiterInnen-Magazin war z.B. eine lesbische Kollegin mit Kind, als es um Familien ging.“

Geschlecht nicht-binär, gleichgeschlechtlich orientiert, keine Angabe zum Alter: „Plakatkampagne wie in Berlin - mit Foto: ‚Ich bin lesbisch/non-binär/p.‘ - und ‚Mannheim steht hinter mir‘.“

Wünsche und Anregungen an die Polizei

  • Sensibilisierungsarbeit innerhalb der Polizei
  • konsequentes öffentliches Bekenntnis für Vielfalt und gegen Homo- und Transphobie
  • öffentlich sichtbare Ansprechpartner_innen gefordert
  • spezifischer jährlicher Bericht
  • Vorgehen gegen Beamt_innen mit rechtsextremer und homo- sowie transfeindlicher Gesinnung Wunsch nach mehr Präsenz

Zitate

Frau, keine Angabe zur sexuellen Orientierung, 18–27 Jahre: „Ich bitte Sie, mit Aufmerksamkeit und Respekt den Menschen zu begegnen, die beide diese Dinge nicht in ihrem Alltag erfahren. Wenn ein Mensch erkennt, dass die Institution sich für ihn/sie einsetzt, vor der er immer Angst hatte, ist die Wahrscheinlichkeit sehr viel höher, dass er/sie Straftaten auch meldet.“

Mann, schwul, 18–27 Jahre: „Die Polizei sollte Veranstaltungen anbieten, die die Haltung ihrer Mitarbeiter schult bzw. zur Reflexion anregt. Zudem soll in der Öffentlichkeit ein Zeichen gesetzt werden, dass sich die Polizei Mannheim aktiv gegen Diskriminierungen jeglicher Art einsetzt.“ 

Mann, schwul, 28–44 Jahre: „Keine Wünsche, aber mal ein Lob für die gute Arbeit unter oft miesen Bedingungen.“ 

Geschlecht nicht-binär, bisexuell, 28–44 Jahre: „Bitte machen Sie regelmäßig öffentlich deutlich, dass Sie queere Personen immer gegen Übergriffe beschützen werden (und tun Sie es auch). Bitte schulen Sie Ihre Mitarbeiter*innen zum Thema und nehmen Sie es ernst.“

Mann, schwul, 45–64 Jahre: „Ich wüsste gern, wen ich im Falle eines Übergriffs bei der Polizei ansprechen kann.“

Quelle: Plus Mannheim (2019): Sicher out? Geschützt vor Diskriminierung und Gewalt in der Region Rhein-Neckar?. Dokumentation zur Kurzbefragung 2018.

Weiterlesen