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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Bundeskabinett veröffentlicht Bericht zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten

LSVD fordert, rechtliche Mittel zum Schutz von LSBTIQ endlich auszuschöpfen

Pressemitteilung vom 02.04.2024

Berlin, 02.04.2024. Das Bundesregierung hat ihren vierten Bericht zur Lage in den vom Bundestag als sicher eingestuften Herkunftsstaaten vorgelegt. Anträge von Geflüchteten aus solchen "sicheren Herkunftsstaaten" werden vom BAMF in der Regel als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt. Mit den alle zwei Jahren erscheinenden Berichten überprüft die Regierung, ob bereits als „sicher“ eingestufte Staaten weiterhin die Voraussetzungen für eine Listung erfüllen. In dem am 28. März veröffentlichten Bericht hält die rot-grün-gelbe Bundesregierung an ihrer Einschätzung fest, dass auch die LSBTIQ-Verfolgerstaaten Ghana und Senegal "sicher" seien. Zudem ist mit Georgien seit Kurzem ein Staat gelistet, der bei massiver queerfeindlicher Gewalt wegschaut. Hierzu kommentiert Patrick Dörr für den Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD):

Die Bundesregierung muss auf die sich zuspitzende Lage für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie weitere queere Menschen (LSBTIQ*) in vielen Herkunftsländern reagieren. Staaten wie Ghana und Senegal, in denen die Menschenrechte von LSBTIQ* täglich mit Füßen getreten werden, in denen queeren Personen mehrjährige Haftstrafen drohen und in denen der Staat die massive queerfeindliche Gewalt in der Gesellschaft auch noch befeuert, dürfen nicht als sichere Herkunftsstaaten geadelt werden. In Ghana soll nach dem Willen des Parlaments die staatliche Verfolgung queerer Menschen sogar noch verschärft werden. Laut Bundesverfassungsgericht dürfen aber nur solche Staaten als sicher eingestuft werden, in denen alle Personen- und Bevölkerungsgruppen vor Verfolgung sicher sind. Mit dem verfassungswidrigen Festhalten an der Listung der LSBTIQ*-Verfolgerstaaten Ghana und Senegal gibt die Bundesregierung dem Druck rechtsradikaler Kräfte nach und bestärkt so ihre Narrative, anstatt ein Konzept für eine menschenrechtskonforme Asylpolitik zu verfolgen.

Wir fordern daher: Mittelfristig muss die Ampelregierung  dem Bundestag ein Gesetz zur Streichung mindestens von Ghana und Senegal vorlegen. Sie kann aber auch jetzt schon per Rechtsverordnung kurzfristig bestimmen, dass diese Staaten für sechs Monate nicht als sichere Herkunftsstaaten gelten. SPD-Innenministerin Faeser und Grünen-Außenministerin Baerbock, deren Häuser maßgeblich für den Bericht verantwortlich sind, stehen hier in der Pflicht. Es darf nicht sein, dass queere Geflüchtete, die vor schlimmster Gewalt und drakonischen Strafen geflohen sind, einen Bescheid erhalten, in denen ihr Schutzgesuch nicht nur abgelehnt, sondern auch noch als "offensichtlich unbegründet" verhöhnt wird. Obwohl sich der Bericht auf den Stand von Dezember 2023 bezieht, muss die Regierung jetzt auf die geplante Gesetzesverschärfung in Ghana reagieren und das Land von der Liste streichen.

Sollte die Bundesregierung jedoch an der Listung von Ghana, Senegal und Georgien festhalten wollen, muss sie wenigstens die bereits jetzt bestehenden Regelungen nutzen, um queeren Asylsuchenden aus diesen Staaten trotzdem ein ordentliches Asylverfahren zu ermöglichen. Bereits jetzt sieht die Dienstanweisung Asyl die Möglichkeit vor, dass Anträge auch von Geflüchteten aus vermeintlich sicheren Herkunftsstaaten zumindest nicht als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt werden, sondern dass diese eine reguläre Ablehnung erhalten. Wir fordern Innenministerin Faeser auf, das BAMF anzuweisen, bei queeren Geflüchteten aus Ghana, Senegal und Georgien grundsätzlich von "offensichtlich unbegründet"-Bescheiden abzusehen, und somit zumindest sicherzustellen, dass queere Asylsuchende nicht aus einem Klageverfahren heraus in ihre Heimat abgeschoben werden, wo ihnen Verfolgung droht.

Zum Hintergrund

Asylsuchende aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten durchlaufen beschleunigte Verfahren, ihre Asylanträge werden in der Regel als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt. Die Klagefrist gegen eine solche Ablehnung ist auf nur eine Woche verkürzt. Am schwersten wiegt sicherlich, dass – wenn Geflüchtete gegen einen solchen Bescheid klagen – sie aus der laufenden Klage heraus abgeschoben werden können. Auch wenn queere Asylsuchende diese oft massiven inneren Hürden überwinden, wird ihnen sehr häufig die vorgetragene Orientierung bzw. Identität aus unterschiedlichen Gründen vom BAMF nicht geglaubt. In den beschleunigten Verfahren droht daher auch tatsächlich verfolgten LSBTIQ Asylsuchenden regelmäßig die Abschiebung.

Die Bundesregierung missachtet seit Jahren die höchstrichterlichen Vorgaben zur Einstufung von Herkunftsländern als „sicher“, indem sie an der Listung von Ghana und Senegal festhält – beides Staaten, in denen LSBTIQ* vom Staat systematisch verfolgt werden. Auch in Georgien und Moldau sind LSBTIQ* nicht sicher. Teile beider Staaten werden de facto von Russland kontrolliert, was eine Einstufung ganz offensichtlich verfassungswidrig macht. Während darüber hinaus mit Bezug auf Moldau vor allem auch die Lage von Sinti*zze und Rom*nja einer Einstufung im Wege steht, ist dies mit Bezug auf Georgien vor allem die LSBTIQ*-feindliche Verfolgung.

Der LSVD freut sich über Spenden, um so seinen Einsatz für die Rechte von LSBTIQ*, besonders von geflüchteten LSBTIQ aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, leisten zu können. Zum Spendenformular.

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