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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Hasskriminalitätsgesetz (Gesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages)

Öffentliche Anhörung am 17.12.2014 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung

Wenn homo- und transphobe Hasskriminalität nicht ausdrücklich genannt ist, finden diese Beweggründe in der Praxis der polizeilichen Ermittlungen und strafrechtlichen Bewertung zu wenig Beachtung.

Öffentliche Anhörung am 17.12.2014 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 18/3007, und zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 18/3150

Sehr geehrte Frau Vorsitzende Künast,

wir halten die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagene Änderung des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB für in hohem Maß bedenklich.

Durch die Änderung soll erreicht werden, dass die sogenannte Hasskriminalität bei der Strafzumessung stärker gewichtet wird und dass die Staatsanwaltschaft die menschenverachtenden Motive der Täter bei ihren Ermittlungen schon frühzeitig und besser aufklärt. Diese Zielsetzung und dass rassistische Motive nun explizit im Strafgesetzbuch benannt werden sollen, begrüßen wir sehr.

Wir erleben immer wieder, dass die Polizei bei Straftaten gegen Lesben, Schwule und Transgender nur den Tathergang ermittelt, aber sich nicht bemüht aufzuklären, welche Beweggründe die Täter veranlasst haben, Lesben, Schwule und Transgender als Opfer auszusuchen. Auch die Staatsanwaltschaften nehmen solche Straftaten oft nicht ernst und verweisen z.B. lesbische, schwule und transsexuelle Opfer von Beleidigungen, tätlichen Beleidigungen und Sachbeschädigungen auf den Privatklageweg.

Die politisch motivierte Kriminalität wird seit 2001 kriminalpolizeilich wie folgt erfasst. Als „Hasskriminalität“ werden die Straftaten gewertet, die „sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten“. Von diesem Katalog sollen nach dem Entwurf der Bundesregierung nur die rassistischen und fremdenfeindlichen Straftaten in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB ausdrücklich erwähnt werden. Auf die anderen Erscheinungsformen der Hasskriminalität soll nur allgemein hingewiesen werden. Das ist gegenüber dem jetzigen Rechtszustand keine Verbesserung.

Alle Erfahrung zeigt: Wenn homo- und transphobe Hasskriminalität nicht ausdrücklich genannt ist, finden diese Beweggründe in der Praxis der polizeilichen Ermittlungen und strafrechtlichen Bewertung zu wenig Beachtung. Das gilt auch für die Aus- und Fortbildung. Wir fragen uns, was unterscheidet einen rassistisch motivierten Überfall von einem ebenso aus Hass motivierten Überfall auf eine Transfrau? Warum soll die eine Straftat besonders hervorgehoben werden, die andere dagegen nicht?

Aus dem Entwurf ergibt sich dafür keine Begründung. Herr Bundesjustizminister Maas hat uns bei einem Gespräch erklärt, man befürchte, dass immer neue Gruppen ihre ausdrückliche Erwähnung fordern würden, wenn man einen Katalog der Hassdelikte in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB aufnehmen würde. Das erscheint uns nicht nachvollziehbar.

Der Katalog der Hassdelikte, der seit 2001 vom Kriminalpolizeilichen Meldedienst verwandt wird, hat sich im Grundsatz bewährt. Es hat sich bisher noch nicht die Notwendigkeit ergeben, ihn zu ergänzen. Wenn man aus dem Katalog nur einzelne Kriminalitätsformen herausgreift, signalisiert man damit, dass man die anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gesellschaftspolitisch für nicht so gravierend hält. Damit provoziert man den Protest der übergangenen Gruppen, die genauso unter gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu leiden haben wie von rassistischen Angriffen Bedrohten.

Wir vermuten aus leidvoller Erfahrung, dass hinter dieser sachlich nicht begründbaren Ungleichbehandlung in Wahrheit ein anderer Grund steht. In dem vom Kriminalpolizeilichen Meldedienst verwandten Katalog werden auch die Straftaten gegen Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung aufgeführt. Das soll offenbar so nicht ein Gesetz übernommen werden. Wir beobachten seit geraumer Zeit, dass innerhalb der Bundesregierung alle Gesetzentwürfe blockiert werden, in denen gleichgeschlechtliche „Lebenspartner“ oder „die sexuelle Orientierung“ ausdrücklich erwähnt werden. Sie stimmt solchen Gesetzen nur zu, wenn der Bund dazu vom Bundesverfassungsgericht verurteilt worden ist oder wenn die Gleichstellung so umschrieben wird, dass Lebenspartner nicht ausdrücklich erwähnt werden, wie das auch bei 46 Abs. 2 Satz 2 StGB geschehen soll.

Täter, die aus Hass auf Schwule, Lesben oder Transgender zuschlagen, zielen darauf, diese aus dem öffentlichen Raum in die Unsichtbarkeit zu treiben. Es ist ein fatal falscher Weg, wenn nun die Bundesregierung ihrerseits Homophobie und Transphobie im Gesetzestext tabuisiert und unsichtbar macht.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgt dagegen in seinen Regelungsvorschlägen zu den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) und zu § 130 StGB einen inklusiven Ansatz. Das weist in die richtige Richtung. Es ist deutlich vorzugswürdig, wenn Kriminalität aus gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nicht nur selektiv, sondern umfassend angegangen werden soll.

Sehr geehrte Frau Künast, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie unsere Stellungnahme auch an die anderen Ausschussmitglieder verteilen lassen würden.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Bruns
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof a.D.