Bericht zur Veranstaltung "Historischen Stolperstein Spaziergang im Gallus"
"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft" (Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt)

Ralf Harth vom "Frankfurter Engel Freundeskreis" moderierte die Veranstaltung. Die Atmosphäre war von Anfang an emotional und leidenschaftlich, besonders durch den beeindruckenden A-Capella- Gesang der Mainsirenen. Die Darbietung von "Der Zorn" von Luzian Lange und "Sunshine on Leith" von The Proclaimers hinterließ beim Publikum einen bleibenden Eindruck. Die Redner*innen lieferten informative und zutiefst bewegende Beiträge, die die Anwesenden mitrissen und überzeugten. Ihre Worte waren ergreifend, von tiefer Bedeutung, zeugten von Fachkenntnis und verdeutlichten den Konnex zu allen Opfergruppen der NS Zeit.
Thematisiert wurde zudem die fortbestehende Menschenfeindlichkeit, Hassverbrechen und queerfeindliche Gewalt von der NS-Zeit über die Nachkriegszeit bis zur Gegenwart in Frankfurt, in Deutschland und weltweit, unter anderem am Beispiel der Islamischen Republik Iran.
Es wurden Wege zur Stärkung der Demokratie in Deutschland durch couragiertes zivilgesellschaftliches Engagement aufgezeigt. Viele wissen nicht, dass Historiker*innen und Laien die Recherche und Arbeit im Zusammenhang mit Stolpersteinen ehrenamtlich durchführen.
Die Veranstaltung wurde durch Fachbeiträge von den folgenden Personen bereichert:
- Thomas Altmeyer, Leitung Geschichtsort Adlerwerke
über Zwangsarbeit und das Konzentrationslager KZ Katzbach - Winfried Becker, Intendant Gallus Theater
über die Nachkriegszeit, Fritz Bauer und die Frankfurter Ausschwitzprozesse (1963–1968) sowie die Umbenennung des großen Saals des Saalbau Haus Gallus in „Fritz-Bauer-Saal“ (2019) - Martin Dill, Stolpersteine Frankfurt a. M. e.V.
über das Engagement für alle Opfergruppen der NS-Zeit; Homosexuelle und queere Menschen, Jüdinnen_Juden, Kranke und Behinderte, nicht angepasste Jugendliche und als „asozial“ oder „Berufsverbrecher“ gebrandmarkte Menschen, politisch Verfolgte, Sinti*zze und Rom*ja, Zeugen Jahovas sowie Zwangsarbeiter*innen - Ralf Harth, Frankfurter Engel Freundeskreis
über die Frankfurter Homosexuellen-Prozesse (1950/51) sowie die Geschichte von Wolfgang Lauinger und dessen lebenslangen Kampf um §175-Entschädigungen - Nulf Schade-James, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Frieden & Versöhnung
über das Engagement der Kirchengemeinde im Rahmen des Frankfurter PRIDE Month 2024 - Norbert Ulrich, Vorstand Die Mainsirenen e.V.
über die Motivation und Bedeutung des Engagements des A–Capella-Männerchors für queere Erinnerungs- und Gedenkkultur
Während der Andacht an der Frankenallee 60 schmückte eine Anwohnerin den Stolperstein für Karl Stecker, der 1932 aufgrund von §175 verurteilt, inhaftiert und 1942 im KZ Mauthausen / Gusen ermordet wurde, spontan mit zwei Astern.

Blumen der Anwohnerin am Stolperstein für Karl Stecker
Panos Trakalidis, LSVD
Sichtlich gerührt ergriff Helga Roos von der Geschichtswerkstatt Gallus sofort das Wort zur Ehrung und Würdigung der Ermordeten; sie leitet regelmäßig Gruppenführungen, bei denen unter anderem auch die Stolpersteine gereinigt werden.
Die Mainsirenen schufen einen feierlichen Rahmen mit ihrem thematisch abgestimmten A-Capella- Gesang, der die Zuhörerenden auf eine emotionale Achterbahnfahrt mitnahm, von Tränen am Stolperstein für Karl Stecker bis zu einem letzten befreienden Schmunzeln beim Abschluss der Veranstaltung bei Kaffee und Kuchen in der evangelischen Kirchengemeinde Frieden & Versöhnung.
Begrüßt wurden die Teilnehmenden der Veranstaltung von:
- Harpreet Cholia, Leitung Stabstelle Antidiskriminierung, Stadt Frankfurt
mit einem Beitrag über den 2. PRIDE Month der Stadt Frankfurt
und die Bedeutung der Erinnerungs- und Gedenkkultur für gesellschaftlichen Fortschrift - Georgios Kazilas, Vorstand LSVD Hessen e.V.
mit einer Kurzeinführung in die Bürgerrechtsarbeit des LSVD+ – Verband Queere Vielfalt im Allgemeinen sowie über den Einsatz für die Anerkennung und Entschädigung queerer Opfer des §175, einschließlich ihrer expliziten Berücksichtigung in der Erinnerungs- und Gedenkkultur
Die frankfurter Travesiekünstlerin Lady Amanda Kayne hat sich mit dem Projekt solidarisiert.
Unser Dank gilt dem Team des Gallus Theaters um Heike Bonzelius; dem Kirchenvorstand Arne Knudt und Sonja Eisenberg, dem Frankfurter Engel Freundeskreis sowie den ehrenamtlichen Helfern des LSVD-Hessen Teams Robson Marques und Panos Trakalidis.
Die Veranstaltung wurde gefördert von AMKA - Amt für multikulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Frankfurter PRIDE Month 2024.

Gruppenbild Veranstaltungsauftakt bei Geschichtsort Adlerwerke Frankfurt Gallus
Weiterlesen:
Über Evangelische Kirchengemeinde Frieden & Versöhnung in Frankfurt Gallus:
Engagement beim Frankfurter PRIDE Month 2024
Über den Frankfurter PRIDE Month 2024
„Wir feiern in Frankfurt die Vielfalt in unserer Stadt. In Zeiten, die von zahlreichen Krisen und Herausforderungen geprägt sind, ist es umso wichtiger unsere Demokratie zu stärken und dem Hass und der Spaltung entgegenzuwirken“.
Auszug aus dem Grußwort zum Frankfurter PRIDE Month 2024 von Dr. Nargess Eskandari-Grünberg, Bürgermeisterin und Dezernentin für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Über die Initiative „Frankfurter Engel Freundeskreis“
Der Frankfurter Engel Freundeskreis setzt sich seit 2013 für die Förderung der Erinnerungskultur ein mit Schwerpunkt den Gedenkort Klaus-Mann-Platz und des Mahnmals Homosexuellenverfolgung „Frankfurter Engel“ von Rosemarie Trockel.
Über das Gallus Theater
Das Theater versteht sich als Produktions- und Spielstätte für freie Gruppen aus Frankfurt und Umgebung und ist offen für Gastspiele aus aller Welt. Intendant Winfried Becker und die künstlerische Leiterin Heike Bonzelius fühlen sich der freien Theaterszene verpflichtet.
Heute ist das Theater deutschlandweit bekannt als Zentrum der freien Theaterszene.
Über den Geschichtsort Adlerwerke Frankfurt Gallus
Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager“ ist eine Gedenk- und Bildungsstätte, die schwerpunktmäßig zum KZ Katzbach in den Adlerwerken und Zwangsarbeit in Frankfurt arbeitet. Ziel ist es, Wissen über die Vergangenheit zu vermitteln und zum besseren Verständnis der Gegenwart und den heutigen Gefährdungen für Demokratie und Menschenrechten beizutragen, so dass die Besucher*innen historisch und ethisch fundiert diesen entgegentreten können.
Über Lady Amanda Kayne
LADY AMANDA KAYNE ist eine Revue-Chansonette der besonderen Art, deren außergewöhnliche Stimme und Ausdruckskraft das Publikum verzaubert.
Über Die Mainsirenen
Seit 1987 sind die Mainsirenen ein integraler Bestandteil der queeren Community in Frankfurt. Der Schwule Männerchor begeistert sein Publikum mit humorvollem A - Capella Gesang, der zum Lachen und Nachdenken anregt.
Über die Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e.V.
Die Initiative hat von 2003 bis Mitte 2023 die Verlegung von rund 1.950 Stolpersteinen veranlasst. Die Initiative recherchiert und dokumentiert die Schicksale der Opfer, koordiniert die Verlegungen und informiert die Öffentlichkeit.
Die nächsten Verlegungen von Stolpersteinen in Frankfurt am Main