Bericht von der EuroPride 2024 in Thessaloniki / Griechenland
LSVD Hessen und ERMIS (LSVD) Delegation

Eine Delegation der LSVD-Initiative ERMIS, der griechischen queeren Community in Deutschland war unter den Gästen, die die zweitgrößte griechische Metropole aus diesem Anlass besuchten. Die historische queerpolitische Bedeutung dieses Festes wurde durch die jüngsten Entwicklungen in Griechenland unterstrichen: Rechtzeitig zum Valentinstag 2024 wurde die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet und die Adoption ermöglicht. Dieser Schritt wurde trotz des Widerstands extrem linker und erzkonservativer politischer sowie religiöser Kräfte im Land, einschließlich ca. 30% der eigenen Abgeordneten, von der aktuellen konservativen Regierung mit Zustimmung von Abgeordneten des Mitte-Links Parteispektrums umgesetzt. Die Entscheidung wurde explizit mit christlichen Familienwerten begründet.
Mit charmanten und spontanen Einlagen entlang der Demonstration durch die Innenstadt und der Hafenpromenade begeisterte die talentierte Frankfurter Dragqueen mit griechischen Wurzeln und GAB-Kolumnistin Vanessa P. die Zuschauer. Ihre persönlichen Eindrücke zur EuroPride 2024 in Thessaloniki spiegeln die Freude und den Zusammenhalt wider, die dieses bedeutsame Event für die queere Community in Hellas und seinen nördlichen sowie östlichen Nachbarn geprägt haben.
Vanessa P. berichtet: EuroPride, eine Woche voller Veranstaltungen: Kunst, Kultur und Gemeinschaft in Thessaloniki
Zehn Tage Veranstaltungen, die die Vielfalt und Einheit der queeren Community zelebrierten. Kunstausstellungen, Kongresse und Podiumsdiskussionen prägten den Tag, während am Abend das Open Air Theater mit Theaterstücken und Performances lockte.
Der Höhepunkt dieser ereignisreichen Woche war jedoch zweifellos die Demo Parade. Diese farbenfrohe und lebendige Parade war etwas, das ich so noch nie zuvor gesehen hatte – ein unvergessliches Ereignis, das mich zutiefst berührte. Die Vielfalt an Menschen, die gemeinsam für ihre Rechte und Sichtbarkeit eintraten, war inspirierend. Ich war fasziniert von der festlichen Atmosphäre, dem Gemeinschaftsgefühl und dem Zusammenhalt, der überall zu spüren war. Die kulturelle Vielfalt war überwältigend. Es war bewegend zu sehen, wie die Oma auf dem Balkon mit uns tanzte und von den Menschenmassen gefeiert wurde aber auch die Familien mit ihren Kindern, die fröhlich and der Demonstration teilnahmen. Alles war so harmonisch, und Unterschiede in Geschlecht, Glaube oder Herkunft spielten keine Rolle.
Als die friedlich, feiernden die Uferpromenade erreichte und der Sonnenuntergang gerade begann, bot sich eine beeindruckende Kulisse. Die Atmosphäre ergriff mich zutiefst, und ich konnte einige Tränen nicht zurückhalten. Warum kann es nicht immer so sein? Solche sichtbaren Veranstaltungen bringen uns diesem Ideal immer näher. Solche Veranstaltungen demonstrieren eindrucksvoll, wie wichtig es ist, für eine inklusive Gesellschaft zu kämpfen, in der Vielfalt und Gemeinschaft über alle Unterschiede hinweg gefeiert werden.
In diesem Sinne, feiert Vielfalt, bleibt wie ihr seid und genießt das Leben - Jámas! (gr. zum Wohl) Es herzt euch, Eure Vanessa P.
Über Vanessa P.: Die renommierte Travestiekünstlerin Vanessa P., bekannt als Chefin der "Showgirls Frankfurt", setzt sich bereits seit 30 Jahren leidenschaftlich für Akzeptanz und Aufklärung in Bezug auf sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität ein. Ihr Engagement erstreckt sich auch auf die Initiative ERMIS des LSVD. Auf der Bühne verzaubert Vanessa P. ihr Publikum mit atemberaubenden Choreographien und ihrer einzigartigen Fähigkeit, mühelos durch verschiedene Musikgenres wie Schlager, Swing, Pop, Rock und sanfte Balladen zu navigieren. Mit einer imposanten Präsenz beherrscht sie die Bühne, fördert junge Talente und inszeniert monatlich mit verschiedenen Künstler*innen abwechslungsreiche Shows. Unter dem Motto "Immer wieder Neu, immer wieder anders" schafft sie als charismatische "Showgirls"-Chefin eine mitreißende Atmosphäre, indem sie stets authentisch bleibt und ihre Arbeit mit Hingabe ausführt. Im Jahr 2024 feierte sie stolz "22 Jahre Showgirls Frankfurt", während sie weiterhin mit Selbstironie und Talent die Kunst der Travestie verkörpert. Die Frankfurter Ikone der Travestie und Akzeptanz nahm an der EuroPride 2024 in Thessaloniki als Teil einer ERMIS Delegation teil, um eine klare Botschaft der Unterstützung an queere Menschen in Griechenland und darüber hinaus zu senden. Zum Auftakt des zweiten Frankfurter PRIDE Month 2024 hat Vanessa P. erneut öffentlich Stellung bezogen, um für mehr Akzeptanz und Aufklärung bezüglich sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität einzutreten und rief die Gesellschaft dazu auf, Hasskommentaren entschieden entgegenzutreten und ein Zeichen für Akzeptanz zu setzen. Die Frühlingssaison 2024 startete spektakulär mit einer ausverkauften Show unter dem Motto "Greek Divas". Vanessa P., mit griechischen Wurzeln, präsentierte erstmals seit 2016 gemeinsam mit anderen talentierten Künstler*innen eine fesselnde Performance mit griechischen Songs.
siehe auch GAB-Kolumnistin
Interview 16.05.2024 RheinMainTV / Facebook
Über ERMIS / FB
Die Stimme der griechischen queeren Community in Deutschland im LSVD wurde gegründet am 03. Mai 1998 in Köln. Es folgten ERMIS Gruppen in Stuttgart, München, Frankfurt, Leipzig, Berlin und Hamburg.
ERMIS ist stolz, Teil der jeweiligen Landesverbände zu sein und sich für die LSVD Themen aus einem migrantischen Standpunkt heraus einzusetzen. Die Community versteht sich als sicherer Hafen für Gleichgesinnte und nimmt gerne Gelegenheiten zum Feiern wahr, wobei dies auch als ein politischer Akt zur Förderung der Vielfalt verstanden wird. Der Fokus ist auf die queerpolitischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und in Griechenland gerichtet. Bei den CSDs vor Ort und in Griechenland soll die Sichtbarkeit unserer Themen gestärkt werden. Die griechische queere Community in Deutschland lädt herzlich alle Menschen unterschiedlicher kultureller Hintergründe ein, sich uns anzuschließen und sich gemeinsam für unsere Anliegen einzusetzen. Für eine Zukunft geprägt von Vielfalt und Akzeptanz!
Der Name der LSVD Initiative ERMIS (deutsch Hermes) nimmt Bezug auf die griechische Mythologie und den zwölf großen Olympischen Göttern. Als Götterbote verkündet er die Beschlüsse des Zeus. In diesem Sinne verkündet ERMIS (LSVD) die „göttliche“ Botschaft an die queere Community: „Du bist queer und das ist gut so!“.
Hintergrund: EuroPride 2024 in Thessaloniki
Inmitten der malerischen Kulisse der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki fand vom 21. bis 29. Juni 2024 das lang ersehnte erste EuroPride-Event in Griechenland statt unter dem Motto „Persevere - Progress - Prosper“, übersetzt „Erhalten - Fortschreiten - Gedeihen“. Ursprünglich war das Event für 2020 vorgesehen, der Termin musste aufgrund der Corona Pandemie auf 2024 verlegt werden.
Die Stadt hat sich herausgeputzt und ihr Symbol, der Weiße Turm wurde in regenbogenfarben angestrahlt. Dieses europaweit bedeutende jährliche Festival der queeren Community lockte Besucher aus Europa und darüber hinaus an und sendete ein starkes Zeichen für Vielfalt und Akzeptanz in die Welt. Der EuroPride brachte nicht nur Regenbogenfarben in die Straßen der Stadt, sondern auch eine Vielzahl von Veranstaltungen, die die Vielfalt und Einheit der queeren Community zelebrierten. Die Veranstaltung hatte starke Unterstützung von offizieller Seite, die Stadtverwaltung war Co-Sponsor, mehrere ausländische Botschafter nahmen teil und wurde unterstützt auch vom deutschen Generalkonsulat in Thessaloniki. Augenscheinlich haben auch viele Verbündete (Allies) und Familien mit Kindern mit Ihrer solidarischen Teilnahme die Demonstration unterstützt; eine angenehme Überraschung.
"Ich heiße die Botschafter und alle Teilnehmer in Thessaloniki willkommen, einer bunten, freundlichen Stadt, in der die Menschenrechte nicht verhandelbar sind", sagte Bürgermeister Stelios Angeloudis und erinnerte damit an die jahrhundertelange kosmopolitische Tradition der Stadt, die zuletzt etwas verblasst war. Eine starke Polizeipräsenz zur Sicherung der Veranstaltung und das Verbot von Gegendemonstrationen haben zum friedlichen Ablauf beigetragen. Berichten zufolge erfolgten 29 Festnahmen von Störern, die Teilnehmer der Demonstration mit Obszönitäten beschimpften und in einem Fall versuchten, mit Eiern zu bewerfen. Die Polizei hinderte sie daran, dem Demonstrationszug zu nahe zu kommen.
Das offizielle Konferenzprogramm behandelte wichtige Themen wie die Situation queerer Menschen auf dem Balkan und die gesellschaftliche Integration von Geflüchteten in queeren Communities. Auf der Hauptbühne an der Hafenpromenade vor dem geschichtsträchtigen Weißen Turm und der Statue Alexander des Großen traten jeden Abend erstklassige Künstler*innen auf, darunter Nebulossa, der spanische ESC Beitrag, Kalomira, Vertreterin Griechenlands beim ESC 2008 und Alexis St. Pete aus RuPaul's Drag Race. Das große begleitende kulturelle Angebot umfasste unter anderem Ausstellungen, Buchvorlesungen, Filmvorführungen sowie Theateraufführungen und wurde durch das Engagement des Goethe-Instituts in Thessaloniki bereichert, das unter anderem die beeindruckende Fotoausstellung der bekannten Aktivistin Maria Cyber mit dem Titel "A Lesbian Life" präsentierte.
Der Staffelstab für die nächste EuroPride-Veranstaltung wurde symbolisch von den Thessalonicher*innen an Lissabon übergeben, wo im Jahr 2025 die Feierlichkeiten fortgesetzt werden sollen.
Weiterführende Links
- European Pride Organisers Association
- Thessaloniki Pride
- Goethe Institut / Fotografie-Ausstlellung „A Lesbian Life“
- Maria Katsikadakou (Maria Cyber) / Facebook
- Griechenland: Tausende beim EuroPride in Thessaloniki / de
- ILGA Country Report GREECE (Feb 2024)
ILGA Europe Rainbow Map 2024
Europe Average 42%
EU Average 51%
Germany 66%
Greece 71%